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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 7.1932

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Lotz, Wilhelm: Türme
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https://doi.org/10.11588/diglit.13707#0079

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Türme

W. LÖTZ

Fotos: Lilli Bielschowsky

Es beschleicht uns immer ein unbehagliches Gefühl,
wenn wir im Rahmen einer modernen Bauaufgabe einen
Turm zu sehen bekommen. In der Architektur des letzten
Jahrhunderts galt der Turm als formale Betonung und
Hervorhebung, bestenfalls als Zusammenfassung einer
Baugruppe. Eine sachliche Begründung kann ihm nur
in den seltensten Fällen gegeben werden. Aber kaum
eine andere Zeit hat soviel Türme errichtet und die Land-
schaft damit versehen wie das 19. Jahrhundert, nur zu
dem Zweck, einen Aussichtspunkt zu geben. In vielen
Fällen wurde die Aufgabe, einen erhöhten Aussichts-
punkt zu schaffen mit der Denkmalsidee verknüpft wie
bei Schlachfdenkmälern und Bismarcktürmen. Man mag
über die Aussichtstürme denken wie man will, jedenfalls
sind sie in erster Linie geboren aus einer bestimmten Art,
die Landschaft zu genießen. Der große Ausblick und
Fernblick von einem bestimmten festliegenden Punkt aus
genossen, die Entrollung eines Panoramas, und zwar in
der Form, daß man möglichst viel Sehenswürdigkeiten,
bekannte Bergspitzen, Ortschaften, Burgen und Flüsse

Säulen vom Tempel des Kastor und Pollux in Rom
ursprünglich in ein Horizontalsystem eingeordnet
Turmähnliche Wirkung nur im heutigen Zustand

Colonnes du temple de Castor et Pollux ä Rome

A l'origine, elements d'un Systeme horizontal, elles produisent ä l'etat
actuel, un effet semblctble ä celui d'une tour

Columns from the temple of Castor and Pollux in Rome

a horizontal System was originally provided, to-days condition gives

tower-like effect

Der Obelisk in Rom
kultisch und mythisch bedingtes Mal
Im Rom der Kaiser und der Renaissance
in dekorativem Sinne verwendet

L'obelisque de Rome, un monument

cree dans une atmosphere de mythe comme objet de culte

Applique ä Rome, au temps des Empereurs et ä l'epoque de la

Renaissance, comme motif purement decoratif

The Obelisk in Rome
A mythological cult sign

Applied in a decorative sense in Rome during the period of the
emperors and the Renaissance

sehen konnte, entsprachen der etwas pathetischen, aber
auch etwas bildungshungrigen Betrachtung der Umwelt,
wie sie dem 19. Jahrhundert eigen war. Der Aussichts-
turm ist ein Stück Ausdruck des Lebensgefühls jener Zeit
und bedeutet auch eine eigene und neue Schöpfung. Es
gibt einzelne im Sinne der Zeit konstruktiv sehr sauber
gelöste Aussichtstürme. Die andere Wurzel der Turmidee,
das Symbolische, das Erinnerungsmal, ist uralt und kommt
aus Zeiten, in denen die Errichtung von Malen und
Symbolen wirklich eine Lebensnotwendigkeit im Rahmen
der Lebensidee war. Die dritte Wurzel, die wir schon
vorher erwähnt haben, die formale Betonung durch den
Turm, bedeutet nichts weiter als eine Veräußerlichung
dessen, was ursprünglich symbolhaft war. In einzelnen
Kulturen schon sehr früh wandte man den Turm als
Symbol in recht äußerlichem Sinne an, man setzte auf
sein Haus um so mehr Türme, je reicher man war, so wie
die Schwälmer Bäuerinnen zum Tanz je reicher sie sind,
desto mehr Röcke anziehen.

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