räumen hinter Draht, ohne irgendwie verschmutzt zu wer-
den, so peinlich sauber sind alle Räume gehalten. Ein Teil
des Materialtransportes geschieht an laufenden Bändern
im Freien, wo Arbeiter mit geschwächter Gesundheit be-
schäftigt werden. So machen denn die Arbeiter einen
durchaus zufriedenen Eindruck. Es sind aufgeweckte,
lebendige, ungehemmte, fröhliche Menschen. Man hat
nicht den Eindruck, daß die einseitige Beschäftigung sie
stumpfsinnig macht. Ihre Lebenshaltung ist gut. Viele haben
ihr eigenes Auto und wohnen in eigenen kleinen Häusern
vor der Stadt und haben einen guten Lebensstandard.
Im allgemeinen ist der Amerikaner auf eintönige Be-
schäftigungsart besser eingestellt als der deutsche Arbei-
ter. Ein hoher Lohn und damit eine gehobene Lebens-
haltung sind ihm wichtiger als eine abwechselungsreiche
Beschäftigung. Deshalb fehlen auch in Amerika der hoch-
qualifizierte Arbeiter und damit überhaupt individuelle
Produktion, wie Feinmechanik und dergleichen. Das Stan-
darderzeugnis herrscht vor und wird vom Verbraucher ge-
wünscht und bevorzugt, also beim Käufer die entgegen-
gesetzte Einstellung wie bei uns. Die deutschen Fach-
arbeiter im Fordwerk eignen sich für diese eintönige Ar-
beit nicht und werden deshalb bei der Anfertigung hoch-
wertiger Werkzeuge und sonstiger schwieriger Arbeiten
beschäftigt.
Die Anzahl der beschäftigten Arbeiter war auch im
Herbst vorigen Jahres noch so groß, daß alle 15 Minuten
Schichtwechsel stattfinden mußte, weil sonst die Zufahrts-
straßen die große Zahl der Autos nicht aufnehmen konnten.
Ford hat seiner Autofabrik neuerdings auch eine Flug-
zeugfabrik angegliedert, aber diese ist nicht auf das Se-
rienerzeugnis eingestellt sondern auf Einzelfabrikation.
Ursprünglich hatte man wohl gehofft, in ähnlicher Weise
wie beim Auto, den Preis so weit herunterzudrücken, um
einen „Massenbedarfsartikel" aus dem Flugzeug zu
machen. Aber diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, und so
ist denn dieser Fabrikationszweig heute für Ford mehr
Sport als Geschäft. Er unterhält einen eigenen Flughafen
mit großem Hotel und allen technischen Errungenschaften.
Typenware in Amerika
CATHERINE K. BAUER
Für fast jeden in Amerika hergesteilten Gegenstand
gibt es einen Begriff, und nicht der Gegenstand, sondern
dieser Begriff ist bezeichnend für den Kontakt zwischen
dem Fabrikanten und dem kaufenden Publikum. Der Be-
griff ist ohne rechten Inhalt, sehr oft ist er überhaupt nur
durch ein gutes Wort wiedergegeben. Vor zehn oder
mehr Jahren war für die Badezimmereinrichtung dieses
Wort „Hygiene", für die Kücheneinrichtung „Leistungs-
wert" (efficiency). Wolkenkratzer müssen hoch aussehen
und heute auch„modern".Automobile sind derlnbegriff der
Schnelligkeit, und Wohnungseinrichtungen müssen einen
„guten Geschmack" verraten. Eine Zeitlang war guter Ge-
schmack gleichbedeutend mit Einfachheit (simplicity). Aber
das sagt nicht, daß etwa Wolkenkratzer wirklich modern
sein müssen oder, daß Möbel einfach sein sollen, denn
vom „modernen" Großbau verlangt man auch gern, daß
seine Ornamente Kopien des Stiles längst vergessener
Pariser Ausstellungen sind.
Und die Kopien des französischen Landhausstils oder
des amerikanischen Kolonialstils, die jetzt als „einfach"
in Mode sind, sind in Wirklichkeit gerade so billig pomp-
haft, wie die heute verachteten Kopien im Louis Quatorze-
Stil oder Biedermeier. Der tiefere Grund ist der — die
Fabrikanten haben das schon lange entdeckt —, daß die
Amerikaner nicht sehr gut sehen und daß dagegen Ohr
und Gehör viel stärker entwickelt sind. Man kann viel-
leicht sagen, daß durch die geringe Ausbildung der Be-
obachtung und des Sehens, also der visuellen Funktion,
die Aufnahmefähigkeit des Ohres gewonnen hat.
Das amerikanische Badezimmer von vor zehn Jahren
war wahrscheinlich eines der schönsten Erzeugnisse des
Maschinenzeitalters, aber weiße Fliesen, fließendes
Wasser und schönpolierte Armaturen wurden nicht etwa
in jedem besseren amerikanischen Heim angebracht, weil
sie wirklich schön oder gar nützlich sind, sondern
weil das Wort der Saison das Wort „Hygiene" war,
und die optische Farbe weiß bedeutet rein und sauber.
Diese Dinge waren leicht zu verkaufen, weil man das
Wort, unter dem sie gingen, gut begreifen konnte, weil
dieser Begriff leicht einging.
Aber heute, wo fast jeder sein schönes weißes Bade-
zimmer hat, müssen unsere Fabrikanten mit ihrem starken
Sinn für Uberproduktion nach einem neuen Verkaufsworf
suchen und da haben sie das Wort „Kunst" entdeckt. Nun
haben wir Farben in den Badezimmern, haben Farben in
den Küchen, haben überall sogenannte „Farbenharmo-
nie": Toiletten im Louis-Seize-Stil, vergoldete Hähne, die
wie Blüten oder Schwanenköpfe ausgebildet sind und
sogar bona fide Kopien der häßlichen kleinen Queen
Victoria-Badewanne. Die Experimente im „modernen"
Stil sind gewöhnlich ziemlich schlecht. Und wer wagt es
zu sagen, daß der ursprüngliche Baderaum, der unter
dem Schlagwort „Sauberkeit" ging, und der zufällig gut
war, vom Standpunkt der Allgemeinheit etwa besser sei,
als der neue Baderaum unter dem Schlagwort „harmo-
nious", der ebenso zufällig aber schlecht ist? Die zehn
oder fünfzehn Jahre, die wir mit dem guten Baderaum
verbracht haben, scheinen uns willig gemacht zu haben,
ihn zu verabschieden.
Es ist wahr, daß man mit ein bißchen sorgfältigem
Suchen immer ein einzelnes leidlich gutes Muster unter
unzähligen schlechten bei jeder Art von Gerät finden
kann. Wenn man diese Tatsache pessimistisch beurteilt,
wird man sagen, daß bei Verwendung guter Maschinen
und gutem Material, bei dem raschen Wechsel zu neuen
Mustern auch nach dem Gesetz des Zufalls hier und da
sich ein gutes Muster einstellen muß. Andererseits ist es
durchaus möglich, daß wir langsam und auf großen Um-
wegen etwas Wirkliches erreichen, nämlich ein besseres
Gefühl für die Wirklichkeit der Dinge, die geschaffen
werden. Aber die meisten ermutigenden Anzeichen dafür
liegen nicht etwa auf dem Gebiet der Massenproduktion,
wenigstens nur bei sehr wenigen Beispielen. Sie sind aber
deutlich im Wachsen begriffen, wenn man das immer
stärker werdende Interesse an der Fotografie beachtet
und die vielen Diskussionen und Erörterungen über mo-
derne Architektur, die allerdings meistenteils noch etwas
naiv und mit geringer Einstellung auf die Realität der Ob-
jekte vor sich gehen, einer Prüfung unterzieht. Im Glau-
ben an die werdende Bedeutung dieser beiden Erschei-
nungen möge die folgende Betrachtung einiger Beispiele
275
den, so peinlich sauber sind alle Räume gehalten. Ein Teil
des Materialtransportes geschieht an laufenden Bändern
im Freien, wo Arbeiter mit geschwächter Gesundheit be-
schäftigt werden. So machen denn die Arbeiter einen
durchaus zufriedenen Eindruck. Es sind aufgeweckte,
lebendige, ungehemmte, fröhliche Menschen. Man hat
nicht den Eindruck, daß die einseitige Beschäftigung sie
stumpfsinnig macht. Ihre Lebenshaltung ist gut. Viele haben
ihr eigenes Auto und wohnen in eigenen kleinen Häusern
vor der Stadt und haben einen guten Lebensstandard.
Im allgemeinen ist der Amerikaner auf eintönige Be-
schäftigungsart besser eingestellt als der deutsche Arbei-
ter. Ein hoher Lohn und damit eine gehobene Lebens-
haltung sind ihm wichtiger als eine abwechselungsreiche
Beschäftigung. Deshalb fehlen auch in Amerika der hoch-
qualifizierte Arbeiter und damit überhaupt individuelle
Produktion, wie Feinmechanik und dergleichen. Das Stan-
darderzeugnis herrscht vor und wird vom Verbraucher ge-
wünscht und bevorzugt, also beim Käufer die entgegen-
gesetzte Einstellung wie bei uns. Die deutschen Fach-
arbeiter im Fordwerk eignen sich für diese eintönige Ar-
beit nicht und werden deshalb bei der Anfertigung hoch-
wertiger Werkzeuge und sonstiger schwieriger Arbeiten
beschäftigt.
Die Anzahl der beschäftigten Arbeiter war auch im
Herbst vorigen Jahres noch so groß, daß alle 15 Minuten
Schichtwechsel stattfinden mußte, weil sonst die Zufahrts-
straßen die große Zahl der Autos nicht aufnehmen konnten.
Ford hat seiner Autofabrik neuerdings auch eine Flug-
zeugfabrik angegliedert, aber diese ist nicht auf das Se-
rienerzeugnis eingestellt sondern auf Einzelfabrikation.
Ursprünglich hatte man wohl gehofft, in ähnlicher Weise
wie beim Auto, den Preis so weit herunterzudrücken, um
einen „Massenbedarfsartikel" aus dem Flugzeug zu
machen. Aber diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, und so
ist denn dieser Fabrikationszweig heute für Ford mehr
Sport als Geschäft. Er unterhält einen eigenen Flughafen
mit großem Hotel und allen technischen Errungenschaften.
Typenware in Amerika
CATHERINE K. BAUER
Für fast jeden in Amerika hergesteilten Gegenstand
gibt es einen Begriff, und nicht der Gegenstand, sondern
dieser Begriff ist bezeichnend für den Kontakt zwischen
dem Fabrikanten und dem kaufenden Publikum. Der Be-
griff ist ohne rechten Inhalt, sehr oft ist er überhaupt nur
durch ein gutes Wort wiedergegeben. Vor zehn oder
mehr Jahren war für die Badezimmereinrichtung dieses
Wort „Hygiene", für die Kücheneinrichtung „Leistungs-
wert" (efficiency). Wolkenkratzer müssen hoch aussehen
und heute auch„modern".Automobile sind derlnbegriff der
Schnelligkeit, und Wohnungseinrichtungen müssen einen
„guten Geschmack" verraten. Eine Zeitlang war guter Ge-
schmack gleichbedeutend mit Einfachheit (simplicity). Aber
das sagt nicht, daß etwa Wolkenkratzer wirklich modern
sein müssen oder, daß Möbel einfach sein sollen, denn
vom „modernen" Großbau verlangt man auch gern, daß
seine Ornamente Kopien des Stiles längst vergessener
Pariser Ausstellungen sind.
Und die Kopien des französischen Landhausstils oder
des amerikanischen Kolonialstils, die jetzt als „einfach"
in Mode sind, sind in Wirklichkeit gerade so billig pomp-
haft, wie die heute verachteten Kopien im Louis Quatorze-
Stil oder Biedermeier. Der tiefere Grund ist der — die
Fabrikanten haben das schon lange entdeckt —, daß die
Amerikaner nicht sehr gut sehen und daß dagegen Ohr
und Gehör viel stärker entwickelt sind. Man kann viel-
leicht sagen, daß durch die geringe Ausbildung der Be-
obachtung und des Sehens, also der visuellen Funktion,
die Aufnahmefähigkeit des Ohres gewonnen hat.
Das amerikanische Badezimmer von vor zehn Jahren
war wahrscheinlich eines der schönsten Erzeugnisse des
Maschinenzeitalters, aber weiße Fliesen, fließendes
Wasser und schönpolierte Armaturen wurden nicht etwa
in jedem besseren amerikanischen Heim angebracht, weil
sie wirklich schön oder gar nützlich sind, sondern
weil das Wort der Saison das Wort „Hygiene" war,
und die optische Farbe weiß bedeutet rein und sauber.
Diese Dinge waren leicht zu verkaufen, weil man das
Wort, unter dem sie gingen, gut begreifen konnte, weil
dieser Begriff leicht einging.
Aber heute, wo fast jeder sein schönes weißes Bade-
zimmer hat, müssen unsere Fabrikanten mit ihrem starken
Sinn für Uberproduktion nach einem neuen Verkaufsworf
suchen und da haben sie das Wort „Kunst" entdeckt. Nun
haben wir Farben in den Badezimmern, haben Farben in
den Küchen, haben überall sogenannte „Farbenharmo-
nie": Toiletten im Louis-Seize-Stil, vergoldete Hähne, die
wie Blüten oder Schwanenköpfe ausgebildet sind und
sogar bona fide Kopien der häßlichen kleinen Queen
Victoria-Badewanne. Die Experimente im „modernen"
Stil sind gewöhnlich ziemlich schlecht. Und wer wagt es
zu sagen, daß der ursprüngliche Baderaum, der unter
dem Schlagwort „Sauberkeit" ging, und der zufällig gut
war, vom Standpunkt der Allgemeinheit etwa besser sei,
als der neue Baderaum unter dem Schlagwort „harmo-
nious", der ebenso zufällig aber schlecht ist? Die zehn
oder fünfzehn Jahre, die wir mit dem guten Baderaum
verbracht haben, scheinen uns willig gemacht zu haben,
ihn zu verabschieden.
Es ist wahr, daß man mit ein bißchen sorgfältigem
Suchen immer ein einzelnes leidlich gutes Muster unter
unzähligen schlechten bei jeder Art von Gerät finden
kann. Wenn man diese Tatsache pessimistisch beurteilt,
wird man sagen, daß bei Verwendung guter Maschinen
und gutem Material, bei dem raschen Wechsel zu neuen
Mustern auch nach dem Gesetz des Zufalls hier und da
sich ein gutes Muster einstellen muß. Andererseits ist es
durchaus möglich, daß wir langsam und auf großen Um-
wegen etwas Wirkliches erreichen, nämlich ein besseres
Gefühl für die Wirklichkeit der Dinge, die geschaffen
werden. Aber die meisten ermutigenden Anzeichen dafür
liegen nicht etwa auf dem Gebiet der Massenproduktion,
wenigstens nur bei sehr wenigen Beispielen. Sie sind aber
deutlich im Wachsen begriffen, wenn man das immer
stärker werdende Interesse an der Fotografie beachtet
und die vielen Diskussionen und Erörterungen über mo-
derne Architektur, die allerdings meistenteils noch etwas
naiv und mit geringer Einstellung auf die Realität der Ob-
jekte vor sich gehen, einer Prüfung unterzieht. Im Glau-
ben an die werdende Bedeutung dieser beiden Erschei-
nungen möge die folgende Betrachtung einiger Beispiele
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