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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 7.1932

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Zur Gründungsgeschichte des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.13707#0386

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sich nach dem ursprünglichen Plane mit Muthesius in
diese Aufgabe hätte teilen sollen. Daß hierbei jede
Auseinandersetzung mit den „Fachverbänden", deren
Vorgehen gegen Muthesius den letzten Anlaß zu der
Gründung gegeben hatte, absichtlich vermieden
wurde, ist ein Zeichen für die Vorsicht und zugleich
Sachlichkeit, mit der man vorging. Aus der Rede
Schumachers, die klarer als alles andere die damali-
gen Ideen erkennen läßt, seien im folgenden die
wichtigsten Abschnitte abgedruckt:

„Wir wollen einen Bund gründen, dem deutschen Kunst-
gewerbe zu Nutzen und Gedeihen. Weshalb ist das nötig?
Weshalb tritt zu all den vielen Organisationen, die künst-
lerische Ziele verfolgen, eine neue hinzu?

Es wird, meine Herren, in der Entwicklung von Kultur-
fragen immer Augenblicke geben, wo bestimmte Kräfte
sich neu verbinden müssen, wo die alten Grundlagen,
auf denen das früher einmal geschehen ist, mögen damals
auch die Ziele ähnliche gewesen sein, nicht mehr dafür
geeignet sind, weil die Gesichtspunkte sich inzwischen ver-
schoben haben, und wo man deshalb, um einen be-
stimmten, notwendig erscheinenden Gedanken ganz klar
durch die Tat ausdrücken zu können, neu anfangen muß.

So ist es in unserm Fall. Wir brauchen einen Bund, der
sich aufbaut auf der Grundlage des engen und vor allem
vertrauensvollen Zusammenarbeitens zwischen Künstler
und Ausführendem, und wir brauchen einen Bund, der die
gleichartigen Kräfte dieser Verbindung nicht nur lokal
sammelt, sondern sie in ganz Deutschland zusammen-
schließt, einen Bund, der die Brücke von Stadt zu Stadt,
von Land zu Land schlägt. . . .

Daß wir reif werden für diese Vereinigung und zu-
gleich, daß sie notwendig ist, beides hat vielleicht mit
voller Bestimmtheit die III. Deutsche Kunstgewerbe-Aus-
stellung dem Einsichtigen erwiesen. Sie stellte zum ersten
Male mit vollbewußter Konsequenz den Versuch dar, zu
zeigen, was wir in Deutschland auf Grund dieses Bünd-
nisses zu leisten vermögen. Die Gegner hatten gehofft,
daß das Unternehmen an diesem Prinzip scheitern würde,
und sie taten alles, um diese Hoffnung in Erfüllung umzu-
setzen, aber vergeblich; die moralische und künstlerische
Macht dieses Zusammenarbeitens trat zu deutlich hervor.

Und was sich hier und bei manchen anderen Gelegen-
heiten von Fall zu Fall zusammenfand, das will nun dau-
ernd eine ideale Interessengemeinschaft gründen. Künst-
ler und Ausführender, oder richtiger gesagt Erfinder und
Ausführender — denn das Ausführen ist natürlich eben-
falls eine Kunst —, sind keine notwendigen Gegensätze,
sondern notwendige Ergänzungen. Diese einfache Wahr-
heit ist der springende Punkt dieser unserer Verbindung.

Die Wahrheit scheint einfach und doch liegt in ihr etwas
Neuartiges, das sich erst hat abklären müssen. Die
Trennung zwischen Erfinder und Ausführer, die wir da
heute machen, war früher nicht. Die Kraft alten kunst-
gewerblichen Schaffens lag darin, und viele seiner besten
Eigentümlichkeiten entwickelten sich daraus, daß sie
nicht war. Trotzdem ist sie unaufhaltsam eingetreten.
Obgleich man das alles deutlich erkannte, hat man nicht
verhindern können, daß sie eingetreten ist.

Wie das kam, dadurch, daß die Maschine begann mit
der Hand zu wetteifern, dadurch, daß sich eine Industrie
neben dem Handwerk entwickelte, in der die Quantität und
das Tempo des Produzierens weit über die Einzelkraft hin-
ausging, brauche ich Ihnen nicht zu entwickeln. . . .

So hat sich aus einer unhemmbaren wirtschaftlichen
und technischen Entwicklung der Zeit eine große Gefahr
an der Wurzel kunstgewerblichen Lebens herausgebildet,
die Gefahr der Entfremdung zwischen dem ausführenden
und dem erfindenden Geiste. Diese Gefahr läßt sich nicht
verschleiern, auch aus der Welt zu schaffen ist sie nie wie-
der, solange es eine Industrie gibt. Man muß also ver-
suchen, sie zu überwinden, dadurch, daß man die entstan-
dene Trennung zu überbrücken trachtet.

Das ist das große Ziel unseres Bundes.

Eine gründliche Gesundung des Kunstgewerbes ist nur
möglich, wenn die erfindenden und die ausführenden
Kräfte wieder enger zusammenwachsen. . . .

Wenn sich Kunst mit der Arbeit eines Volkes enger ver-
schwistert, so sind die Folgen nicht nur ästhetischer Natur.
Nicht etwa nur für den feinfühligen Menschen, den äußere
Disharmonien schmerzen, wird gearbeitet, nein, die Wir-
kung geht weit über den Kreis der Genießenden hinaus.
Sie erstreckt sich zunächst vor allem auf den Kreis der
Schaffenden, auf den Arbeitenden selber, der das Werk
hervorbringt. Spielt in sein Tun wieder der Lebenshauch
der Kunst herein, so steigert sich sein Daseinsgefühl, und
mit dem Daseinsgefühl steigert sich seine Leistungskraft.
Jeder, der als Erfinder mit Arbeitenden zu tun gehabt hat,
wird diese Beobachtung als einen der schönsten Eindrücke
seines Berufes kennengelernt haben. Die Freude an der
Arbeit müssen wir wieder gewinnen, das ist gleichbedeu-
tend mit einer Steigerung der Qualität. Und so ist
Kunst nicht nur eine ästhetische, sondern zugleich
eine sittliche Kraft, beides zusammen aber führt in
letzter Linie zur wichtigsten der Kräfte: der wirt-
schaftlichen Kraft.

Es ist Zeit, daß Deutschland das begreifen lernt, daß es
den Künstler nicht mehr betrachtet als einen Menschen,
der mehr oder minder harmlos seiner Liebhaberei nach-
geht, sondern daß es in ihm eine der wichtigsten Kräfte
sieht, um durch Veredelung der Arbeit das ganze innere
Leben eines Landes zu veredeln und dieses Land dadurch
nach außen hin im Wettbewerb der Völker sieghaft zu
machen. Denn nur d i e Werte geben im Wettbewerb der
Völker den Ausschlag, die man nicht nachahmen kann.
Alles, was man nachahmen kann, verschwindet bald als
Wert auf dem Völkermarkt; unnachahmbar aber sind allein
die Qualitätswerte, die entspringen aus der unnennbaren
inneren Kraft einer harmonischen Kultur. Und deshalb
stecken in der ästhetischen Kraft zugleich die höchsten
wirtschaftlichen Werte.

Wir sehen die nächste Aufgabe, die Deutschland nach
einem Jahrhundert der Technik und des Gedankens zu
erfüllen hat, in der Wiedereroberung einer
harmonischen Kultur.

Wenn wir an dieser Aufgabe nach unseren Kräften mit-
arbeiten wollen, so kann keiner von uns das für sich allein
tun. Einer muß dem anderen in die Hand arbeiten, denn
um Kunst mit Leben in Verbindung zu bringen, bedarf es
heute eines weiten Kreislaufes. Es bedarf des Weges
vom Erfinder zum Ausführenden, vom Ausführenden zum
vermittelnden Händler, vom vermittelnden Händler zum
Publikum. Deshalb müssen die Besten der Erfinder, die
Besten der Ausführenden, die Besten der Händler sich ver-
einen, um allmählich den Strom unseres zeitgenössischen
Könnens in ein ruhiges sicheres Bett zu leiten.

Zu dieser Pionierarbeit schließen wir uns zusammen,
nicht als solche, die stolz pochen auf das, was sie bereits
geleistet haben, sondern als solche, die nur stolz sind auf
das, was sie anstreben.

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