(Verlag Julius Beltz-Langensalza) beginnt. An Hand zahl-
reicher Abbildungen, die entgegen meinem Wunsch in
Nr. 10 (1931) der Zeitschrift „Das Neue Frankfurt" nicht ge-
brachtworden sind, zeige ich meineArbeit„in ihrer jetzigen
Form".
1. Die von Dexel als „Gegenbeispiel" reproduzierten
Arbeiten meines Unterrichtes (die zufällig keine Arbeiten
aus dem Gestaltungsunterricht Halle sind!), sind charakte-
ristische Beispiele einer Art für erste Arbeiten von Kin-
dern, die lange Zeit an einer reinen Entwicklung ihrer bild-
gestalterischen Kräfte gehindert worden sind. Ich habe in
allen Veröffentlichungen und Ausstellungen deutlich zum
Ausdruck gebracht, daß es sich bei diesen besonderen Ar-
beiten um Anfangsarbeiten, um „Beispiele zur Lockerung
und Befreiung gehemmter Kinder zu eigener Arbeit" han-
delt. In Heft 10 (1930!) des „Kunstblatt", aus dem Dexel
die „Gegenbeispiele" entnommen hat, um allein daran
1932 (!) „die jetzige Form" meiner Arbeit an der Akade-
mieschule Halle aufzuzeigen, steht ausdrücklich: „Durch
solche Arbeiten werden die produktiven Energien wieder
aktiviert, die Kräfte des Unterbewußtseins eingeschaltet.
Hier ist der B e g i n n." Ebenso in „Das Neue Frankfurt"
(10, 1931, S. 189).
Jeder Lehrer, der sich zur neuen Kunsterziehungsbewe-
gung im Sinne von Hartlaub, Britsch-Kornmann oder Pflei-
derer bekennt, wird wissen, wie außerordentlich schwierig
es ist, gehemmte Kinder wieder zu eigener, ihrer geistigen
Entwicklung entsprechender Arbeit zu ermutigen. Deshalb
geschah in meinem Unterricht der Einsatz der Arbeit
für solche Kinder (und nur für solche!) zunächst nicht mit
Stift und Pinsel, sondern im Anschluß an ihr freies Spiel
mit anderen Dingen, die sie selbst gewählt haben. So
wurde zunächst gebaut, geknetet, gebastelt, genäht oder
geklebt bei vollkommen freier Wahl der „Technik". Dieser
Beginn setzt selbstverständlich auf frühen Stufen ein
und ist stark ausdruckhaft orientiert. Ihm fehlt noch alles
(Proportion, Beherrschung der Mittel, technische Fertigkeit),
was bei einer reinen Entwicklung der kindlichen Arbeit
vom ersten Schultage an nicht fehlen würde. Es soll durch
dieses unbeeinflußte Spielen und Basteln erst einmal Lust
und Liebe zu eigener Arbeit, zu eigenem Können geweckt
werden, um danach innerlichst bereit zu sein zur Steige-
rung der Anforderungen, zur Aufnahme eben jener Mittel,
nach denen jedes gesunde Kind von selbst verlangt. Dieser
Einsatz ist von entscheidender Bedeutung. Es wäre metho-
disch falsch, daraus für jeden Fall eine allgemeingültige
Methode des Gestaltungsunterrichts zu machen und päda-
gogisch höchst unverantwortlich, Kinder auf solch frühen
Stufen (ich weiß nicht aus welchen Gründen?) absichtlich
belassen zu wollen. Ist erst einmal die reine Entwicklung
der bildgestalterischen Kräfte des Kindes vom ersten
Schultage an gewährleistet, dann wird dieser Einsatz voll-
kommen überflüssig geworden sein. Vorläufigistdiesereine
Entwicklung nicht gewährleistet, und darum werde ich auch,
wenn ich es für notwendig halte, genau wieder so be-
ginnen, wie 1925 in Meuselwitz oder 1930 in Halle.
2. Ich habe den Kindern des Gestaltungsunterrichtes
der Akademieschule Halle niemals, in keinem einzigen
Fall und auf keiner Stufe „moderne Kunstwerke, vor allem
des Expressionismus, in großer Zahl zugänglich gemacht",
weder in einem Museum, noch an Hand von Reproduk-
tionen. Keine Veröffentlichung aus dem Gestaltungs-
unterricht Halle hat je zu dieser Behauptung Anlaß ge-
geben. Ich bekämpfe ganz entschieden eine Nachahmung
von Mitteln künstlerischer Gestaltung, was ich in meiner
Veröffentlichung „Das schöpferische Kind" auf S. 572 der
illustrierten Beilage des Berliner Tageblatts vom Septem-
168
ber 1931 ebenso energisch zum Ausdruck gebracht habe
wie Dexel. Dort heißt es u. a.: „Die Darstellungen des Kin-
des erinnern oft an frühe oder moderne Kunst. Für diese
Verwandtschaft gibt es Erklärungen, die interessant sind.
Aber sie dürfen n i e dazu führen, diese innere Verwandt-
schaft zu erhalten oder gar zu betreiben durch Vorführung
alter oder moderner Kunstwerke. Dadurch versucht man
zwangsweise, das Kind auf einer frühen Ausdrucksstufe zu
behalten und hemmt sein Vorwärtsdrängen zu einer ab-
soluten und „richtigen" Beherrschung der Realität. Immer
wird die „Hilfe" des Erziehers Befestigung der gewonne-
nen Stufen der kindlichen Entwicklung sein müssen, damit
er der ungeheuren Gefahr entgeht, seine eigenen Hem-
mungen oder seine eignen Gestaltungswünsche und Kunst-
sehnsüchte als Milieuwirkung auf das Kind zu projizieren.
Wir dürfen aus der gewonnenen Position „Kunst des Kin-
des" kein neues Gefängnis, keine alte Methode machen."
Wahrscheinlich begründet Dexel seine Behauptung mit
meiner Veröffentlichung „Kinder über Paul Klee" in Nr. 1,
1930, des „Kunstblatt". Wenn ich damals in Meuselwitz
am Ende meiner fünfjährigen Tätigkeit Kindern kleine
Monographien moderner und primitiver Kunst gezeigt
habe, so war das ein Versuch, nicht um Kinder nachträg-
lich mit Klee oder primitiver Kunst zu beeinflussen, was ein
Unsinn gewesen wäre, sondern um einmal Werke früher
und moderner Kunst „im Spiegel der kindlichen Meinung"
zu erleben.
3. Der Gestaltungsunterricht lehnt die Vermittlung von
Fertigkeiten und Techniken nicht ab. Im Gegenteil!
Fertigkeiten und Techniken werden sorgsam gepflegt und
bewußt geübt, sobald eine innere Notwendigkeit dazu be-
steht. Die Ablehnung des „Manipulierens mit fertig über-
nommenen Techniken" bezieht sich in „Das Neue Frank-
furt" nur auf einen Werkunterricht, „der davon aus-
geht, nach gelehrten Methoden und Gebrauchsanwei-
sungen Gebrauchsgegenstände anzufertigen". Dexel hat
diesen Vorsatz, der die Ablehnung begründet, weg-
gelassen. Dazu habe ich dort an anderer Stelle gesagt,
daß eine „genaue bewußt präzise Kenntnis der Eigen-
heiten und Gesetzmäßigkeiten des zur Verarbeitung kom-
menden Materials" gefordert werden muß.
4. Es heißt in „Das Neue Frankfurt": „Kunst schaffen ist
nicht nur eine Angelegenheit besonders Begnadeter, son-
dern eine allgemein menschliche Angelegenheit, was Ver-
ständnis und Verehrung großer Kunstwerke nicht aus-
schließt, sondern bedingt." Der Nachsatz ist äußerst wich-
tig. Ich weiß nicht, wie Dexel im Anschluß daran dazu
kommen konnte, Können und Fleiß zu verteidigen. Meine
Äußerung besagt nichts anderes, als daß das echte Ver-
hältnis zum Kunstwerk im frühen Erlebnis eigener Aus-
drucksbildung wurzelt.
5. Wenn ich fordere, daß der Gestaltungsunterricht auch
praktische Aufgaben der Gestaltung zu lösen habe, so be-
zieht sich das nicht auf „Meisteraufgaben", sondern auf
Aufgaben, die sich aus dem Gemeinschaftsleben der
Schule und aus den Stoffgebieten des Gesamtunterrichtes
notwendigerweise ergeben.
Es wäre zu begrüßen, wenn Walter Dexel einmal nach
Halle kommen würde, um sich an Ort und Stelle zu über-
zeugen, daß seine Kritik nicht stimmt, daß es im Gestal-
tungsunterricht der Akademieschule Halle weder „Infanti-
iismus" noch „Mangel an Beobachtungsfähigkeit" gibt, daß
hier die Probleme, die zentrale Bedeutung haben, nicht
vernebelt, sondern geklärt werden. Keine Veröffentlichung
kann diesen endgültigen Beweis, den die Praxis zeigt, er-
bringen.
H. F. G e i s t, Akademieschule Halle
reicher Abbildungen, die entgegen meinem Wunsch in
Nr. 10 (1931) der Zeitschrift „Das Neue Frankfurt" nicht ge-
brachtworden sind, zeige ich meineArbeit„in ihrer jetzigen
Form".
1. Die von Dexel als „Gegenbeispiel" reproduzierten
Arbeiten meines Unterrichtes (die zufällig keine Arbeiten
aus dem Gestaltungsunterricht Halle sind!), sind charakte-
ristische Beispiele einer Art für erste Arbeiten von Kin-
dern, die lange Zeit an einer reinen Entwicklung ihrer bild-
gestalterischen Kräfte gehindert worden sind. Ich habe in
allen Veröffentlichungen und Ausstellungen deutlich zum
Ausdruck gebracht, daß es sich bei diesen besonderen Ar-
beiten um Anfangsarbeiten, um „Beispiele zur Lockerung
und Befreiung gehemmter Kinder zu eigener Arbeit" han-
delt. In Heft 10 (1930!) des „Kunstblatt", aus dem Dexel
die „Gegenbeispiele" entnommen hat, um allein daran
1932 (!) „die jetzige Form" meiner Arbeit an der Akade-
mieschule Halle aufzuzeigen, steht ausdrücklich: „Durch
solche Arbeiten werden die produktiven Energien wieder
aktiviert, die Kräfte des Unterbewußtseins eingeschaltet.
Hier ist der B e g i n n." Ebenso in „Das Neue Frankfurt"
(10, 1931, S. 189).
Jeder Lehrer, der sich zur neuen Kunsterziehungsbewe-
gung im Sinne von Hartlaub, Britsch-Kornmann oder Pflei-
derer bekennt, wird wissen, wie außerordentlich schwierig
es ist, gehemmte Kinder wieder zu eigener, ihrer geistigen
Entwicklung entsprechender Arbeit zu ermutigen. Deshalb
geschah in meinem Unterricht der Einsatz der Arbeit
für solche Kinder (und nur für solche!) zunächst nicht mit
Stift und Pinsel, sondern im Anschluß an ihr freies Spiel
mit anderen Dingen, die sie selbst gewählt haben. So
wurde zunächst gebaut, geknetet, gebastelt, genäht oder
geklebt bei vollkommen freier Wahl der „Technik". Dieser
Beginn setzt selbstverständlich auf frühen Stufen ein
und ist stark ausdruckhaft orientiert. Ihm fehlt noch alles
(Proportion, Beherrschung der Mittel, technische Fertigkeit),
was bei einer reinen Entwicklung der kindlichen Arbeit
vom ersten Schultage an nicht fehlen würde. Es soll durch
dieses unbeeinflußte Spielen und Basteln erst einmal Lust
und Liebe zu eigener Arbeit, zu eigenem Können geweckt
werden, um danach innerlichst bereit zu sein zur Steige-
rung der Anforderungen, zur Aufnahme eben jener Mittel,
nach denen jedes gesunde Kind von selbst verlangt. Dieser
Einsatz ist von entscheidender Bedeutung. Es wäre metho-
disch falsch, daraus für jeden Fall eine allgemeingültige
Methode des Gestaltungsunterrichts zu machen und päda-
gogisch höchst unverantwortlich, Kinder auf solch frühen
Stufen (ich weiß nicht aus welchen Gründen?) absichtlich
belassen zu wollen. Ist erst einmal die reine Entwicklung
der bildgestalterischen Kräfte des Kindes vom ersten
Schultage an gewährleistet, dann wird dieser Einsatz voll-
kommen überflüssig geworden sein. Vorläufigistdiesereine
Entwicklung nicht gewährleistet, und darum werde ich auch,
wenn ich es für notwendig halte, genau wieder so be-
ginnen, wie 1925 in Meuselwitz oder 1930 in Halle.
2. Ich habe den Kindern des Gestaltungsunterrichtes
der Akademieschule Halle niemals, in keinem einzigen
Fall und auf keiner Stufe „moderne Kunstwerke, vor allem
des Expressionismus, in großer Zahl zugänglich gemacht",
weder in einem Museum, noch an Hand von Reproduk-
tionen. Keine Veröffentlichung aus dem Gestaltungs-
unterricht Halle hat je zu dieser Behauptung Anlaß ge-
geben. Ich bekämpfe ganz entschieden eine Nachahmung
von Mitteln künstlerischer Gestaltung, was ich in meiner
Veröffentlichung „Das schöpferische Kind" auf S. 572 der
illustrierten Beilage des Berliner Tageblatts vom Septem-
168
ber 1931 ebenso energisch zum Ausdruck gebracht habe
wie Dexel. Dort heißt es u. a.: „Die Darstellungen des Kin-
des erinnern oft an frühe oder moderne Kunst. Für diese
Verwandtschaft gibt es Erklärungen, die interessant sind.
Aber sie dürfen n i e dazu führen, diese innere Verwandt-
schaft zu erhalten oder gar zu betreiben durch Vorführung
alter oder moderner Kunstwerke. Dadurch versucht man
zwangsweise, das Kind auf einer frühen Ausdrucksstufe zu
behalten und hemmt sein Vorwärtsdrängen zu einer ab-
soluten und „richtigen" Beherrschung der Realität. Immer
wird die „Hilfe" des Erziehers Befestigung der gewonne-
nen Stufen der kindlichen Entwicklung sein müssen, damit
er der ungeheuren Gefahr entgeht, seine eigenen Hem-
mungen oder seine eignen Gestaltungswünsche und Kunst-
sehnsüchte als Milieuwirkung auf das Kind zu projizieren.
Wir dürfen aus der gewonnenen Position „Kunst des Kin-
des" kein neues Gefängnis, keine alte Methode machen."
Wahrscheinlich begründet Dexel seine Behauptung mit
meiner Veröffentlichung „Kinder über Paul Klee" in Nr. 1,
1930, des „Kunstblatt". Wenn ich damals in Meuselwitz
am Ende meiner fünfjährigen Tätigkeit Kindern kleine
Monographien moderner und primitiver Kunst gezeigt
habe, so war das ein Versuch, nicht um Kinder nachträg-
lich mit Klee oder primitiver Kunst zu beeinflussen, was ein
Unsinn gewesen wäre, sondern um einmal Werke früher
und moderner Kunst „im Spiegel der kindlichen Meinung"
zu erleben.
3. Der Gestaltungsunterricht lehnt die Vermittlung von
Fertigkeiten und Techniken nicht ab. Im Gegenteil!
Fertigkeiten und Techniken werden sorgsam gepflegt und
bewußt geübt, sobald eine innere Notwendigkeit dazu be-
steht. Die Ablehnung des „Manipulierens mit fertig über-
nommenen Techniken" bezieht sich in „Das Neue Frank-
furt" nur auf einen Werkunterricht, „der davon aus-
geht, nach gelehrten Methoden und Gebrauchsanwei-
sungen Gebrauchsgegenstände anzufertigen". Dexel hat
diesen Vorsatz, der die Ablehnung begründet, weg-
gelassen. Dazu habe ich dort an anderer Stelle gesagt,
daß eine „genaue bewußt präzise Kenntnis der Eigen-
heiten und Gesetzmäßigkeiten des zur Verarbeitung kom-
menden Materials" gefordert werden muß.
4. Es heißt in „Das Neue Frankfurt": „Kunst schaffen ist
nicht nur eine Angelegenheit besonders Begnadeter, son-
dern eine allgemein menschliche Angelegenheit, was Ver-
ständnis und Verehrung großer Kunstwerke nicht aus-
schließt, sondern bedingt." Der Nachsatz ist äußerst wich-
tig. Ich weiß nicht, wie Dexel im Anschluß daran dazu
kommen konnte, Können und Fleiß zu verteidigen. Meine
Äußerung besagt nichts anderes, als daß das echte Ver-
hältnis zum Kunstwerk im frühen Erlebnis eigener Aus-
drucksbildung wurzelt.
5. Wenn ich fordere, daß der Gestaltungsunterricht auch
praktische Aufgaben der Gestaltung zu lösen habe, so be-
zieht sich das nicht auf „Meisteraufgaben", sondern auf
Aufgaben, die sich aus dem Gemeinschaftsleben der
Schule und aus den Stoffgebieten des Gesamtunterrichtes
notwendigerweise ergeben.
Es wäre zu begrüßen, wenn Walter Dexel einmal nach
Halle kommen würde, um sich an Ort und Stelle zu über-
zeugen, daß seine Kritik nicht stimmt, daß es im Gestal-
tungsunterricht der Akademieschule Halle weder „Infanti-
iismus" noch „Mangel an Beobachtungsfähigkeit" gibt, daß
hier die Probleme, die zentrale Bedeutung haben, nicht
vernebelt, sondern geklärt werden. Keine Veröffentlichung
kann diesen endgültigen Beweis, den die Praxis zeigt, er-
bringen.
H. F. G e i s t, Akademieschule Halle