betonte Einstellung der Österreicher zum Wohnpro-
blem kennen. Wir haben daher Otto Neurath,
den Leiter des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums
in Wien, gebeten, in diesem Heft gerade diese
Einstellung zu schildern. Auch die Ausführungen
Hugo Hörings bewegen sich, wenn auch vom
Standpunkt des Reichsdeutschen aus gesehen, um die
gleichen Gesichtspunkte. Um nur auf eine Tatsache
hinzuweisen: Wenn man bei uns solche langen Reihen
im Grundriß ganz ähnlicher und in der Größe fast
gleicher Einfamilienhäuser erstellt hätte, so hätte man
wahrscheinlich einen Architekten oder ein kleines Kol-
lektiv damit beauftragt, die den gleichen Haustyp
erstellt und nur versuchsweise nach bestimmten Ge-
sichtspunkten Veränderungen und Variationen aus-
probiert hätten. Hier aber baut jeder einzelne Archi-
tekt ganz frei sein Häuschen neben dem des anderen,
und die ganz gleiche Bauaufgabe führt bei jedem ein-
zelnen zu einem anderen, auch formal anderen Er-
gebnis. Es fehlt das uns Deutschen im Blut liegende
Systematische und der systematische Versuchscharak-
ter. Es ist natürlich nicht ganz leicht, diese immerhin
sehr individuellen Gestaltungen in einen einheitlichen
Rahmen zu bringen. Und daher hat auch die Planung
des Ganzen etwas sehr Leichtes, Freies und Ungewoll-
tes. Man hat den Eindruck, als ob sich alles von selbst
geordnet und gefügt hätte. Die Siedlung liegt in
einem sehr schönen Gelände, an der einen Längsseite
vor einer Anhöhe, an der anderen Seite an einer
Wiese, an der einen Schmalseite geht es allmählich in
einen halb dörflichen, halb villenartigen Vorort über
und an der anderen Seite schließen bewaldete An-
höhen die Landschaft ab. Die Anlage gruppiert sich
um eine in der Mitte platzartig erweiterte Straße und
wird nach den im Winkel zusammenstoßenden Straßen,
der Jagdschloß-Gasse undVeitinger-Gasse, durchZei-
len von kleinen Einfamilienhäusern abgetrennt. Das
Ganze ist also ein kleiner, selbständiger städtebau-
licher Organismus. Die kleinen Wohngärten öffnen sich
immer nach dem Inneren der Siedlung zu. Um die
lebendige Vielfältigkeit noch stärker zu betonen, hat
man in den Farben abgegrenzt, jedes Haus hat seine
eigene Farbe, aber alles nur in sehr hellen, lichten
Tönen. Ein einheitlicher weißer Anstrich hätte äußerlich
eine Verschmelzung herbeigeführt, wie sie dem Cha-
rakter dieser Siedlung nicht entspricht.
Es ist nicht möglich, jedes einzelne Haus einer ein-
gehenden Besprechung zu unterwerfen. Vielleicht
widerspräche das auch dem Sinn dieser ganzen An-
lage, bei der soviele feine Details herauskommen, die
nach einheitlichen Gesichtspunkten nicht zu bewerten
sind. Natürlich sind überall auch Punkte, über die man
Lageplan der Werkbundsiedlung Internationale Ausstellung Wien 1932
Gesamte architektonische Leitung: Josef Frank, Wien
202
blem kennen. Wir haben daher Otto Neurath,
den Leiter des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums
in Wien, gebeten, in diesem Heft gerade diese
Einstellung zu schildern. Auch die Ausführungen
Hugo Hörings bewegen sich, wenn auch vom
Standpunkt des Reichsdeutschen aus gesehen, um die
gleichen Gesichtspunkte. Um nur auf eine Tatsache
hinzuweisen: Wenn man bei uns solche langen Reihen
im Grundriß ganz ähnlicher und in der Größe fast
gleicher Einfamilienhäuser erstellt hätte, so hätte man
wahrscheinlich einen Architekten oder ein kleines Kol-
lektiv damit beauftragt, die den gleichen Haustyp
erstellt und nur versuchsweise nach bestimmten Ge-
sichtspunkten Veränderungen und Variationen aus-
probiert hätten. Hier aber baut jeder einzelne Archi-
tekt ganz frei sein Häuschen neben dem des anderen,
und die ganz gleiche Bauaufgabe führt bei jedem ein-
zelnen zu einem anderen, auch formal anderen Er-
gebnis. Es fehlt das uns Deutschen im Blut liegende
Systematische und der systematische Versuchscharak-
ter. Es ist natürlich nicht ganz leicht, diese immerhin
sehr individuellen Gestaltungen in einen einheitlichen
Rahmen zu bringen. Und daher hat auch die Planung
des Ganzen etwas sehr Leichtes, Freies und Ungewoll-
tes. Man hat den Eindruck, als ob sich alles von selbst
geordnet und gefügt hätte. Die Siedlung liegt in
einem sehr schönen Gelände, an der einen Längsseite
vor einer Anhöhe, an der anderen Seite an einer
Wiese, an der einen Schmalseite geht es allmählich in
einen halb dörflichen, halb villenartigen Vorort über
und an der anderen Seite schließen bewaldete An-
höhen die Landschaft ab. Die Anlage gruppiert sich
um eine in der Mitte platzartig erweiterte Straße und
wird nach den im Winkel zusammenstoßenden Straßen,
der Jagdschloß-Gasse undVeitinger-Gasse, durchZei-
len von kleinen Einfamilienhäusern abgetrennt. Das
Ganze ist also ein kleiner, selbständiger städtebau-
licher Organismus. Die kleinen Wohngärten öffnen sich
immer nach dem Inneren der Siedlung zu. Um die
lebendige Vielfältigkeit noch stärker zu betonen, hat
man in den Farben abgegrenzt, jedes Haus hat seine
eigene Farbe, aber alles nur in sehr hellen, lichten
Tönen. Ein einheitlicher weißer Anstrich hätte äußerlich
eine Verschmelzung herbeigeführt, wie sie dem Cha-
rakter dieser Siedlung nicht entspricht.
Es ist nicht möglich, jedes einzelne Haus einer ein-
gehenden Besprechung zu unterwerfen. Vielleicht
widerspräche das auch dem Sinn dieser ganzen An-
lage, bei der soviele feine Details herauskommen, die
nach einheitlichen Gesichtspunkten nicht zu bewerten
sind. Natürlich sind überall auch Punkte, über die man
Lageplan der Werkbundsiedlung Internationale Ausstellung Wien 1932
Gesamte architektonische Leitung: Josef Frank, Wien
202