Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 7.1932

DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13707#0339

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rundschau

Das Ende des Bauhauses in Dessau

Wenn diese Nummer unserer Zeitschrift erscheint, wird
das Bauhaus seine Pforten schließen. Der Beschluß des
Gemeinderats in Dessau kam für denjenigen, der näher
mit dieser Institution verbunden war, nicht überraschend,
und trotzdem löste die Bekanntgabe der Tatsache doch
ein sehr merkwürdiges Gefühl aus. Es wurde uns vor
Augen gestellt, daß ein Beschluß über das Fortbestehen
eines national wie international bedeutenden Kultur-
instituts in einem Stadtparlament von den Parteimitglie-
dern gefaßt werden kann. Für die Auflösung stimmten die
Nationalsozialisten, die bürgerlichen Parteien und ein
Magistratsmitglied, gegen die Auflösung stimmten die Mit-
glieder der Kommunistischen Partei und der Bürgermeister
von Dessau, die Vertreter der Sozialdemokratischen Par-
tei enthielten sich der Stimme. Die Geschichte muß ver-
merken, daß ein wichtiges Dokument deutschen Schaffens
und zugleich eine Ausbildungsstätte von einer unvergleich-
lichen Eigenart vernichtet worden ist aus rein taktisch
parteipolitischen Erwägungen. In Dessau hat die örtliche
Leitung der Nationalsozialistischen Partei bei ihren frühe-
ren Wahlkämpfen immer mit der Forderung der Vernich-
tung des Bauhauses ihre Wähler unter dem anhaltischen
Bürgertum gesucht, und sie glaubte nunmehr ihre Wahl-
versprechung einhalten zu müssen. Das Abstimmungs-
ergebnis zeigt deutlich, daß hier kleinbürgerliche Kirch-
turmspolitik den Ausschlag gegeben hat und nicht etwa
große politische oder gar weltanschauliche Erwägungen.

Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, unseren Lesern
etwas über die Bedeutung des Bauhauses zu sagen, nur
das eine soll vermerkt werden, daß die Vorstellung, die
sich Außenstehende vom Bauhaus gemacht haben und
machen, als der Geburts- und Pflegestätte der modernen
Bewegung schlechthin, falsch ist. Jeder Gegenstand und
jeder Bau, der ungefähr modern aussah, v/urde als „im
Bauhausstil" ausgeführt angesprochen. Für Ausländer war
jedes moderne deutsche Erzeugnis „bauhaus". Damit
wurde in vielen Fällen dem Objekt Unrecht getan und in
vielen Fällen dem Bauhaus. Natürlich soll die große Be-
deutung dieser Schule für die Entwicklung der modernen
Gestaltung und ihr Beitrag zu den Ideen nicht unter-
schätzt werden. In der Entwicklung des Bauhauses muß
man zwei große Perioden unterscheiden, die erste unter
Gropius, die in eine Zeit des Suchens und Versuchens, der
Gährung und des Werdens fiel. Das Bauhaus jener Zeit
bot ein überaus farbenprächtiges, schillerndes und viel-
seitiges Bild, eine Fülle von Ideen und Anregungen wurde
geboren und, kaum geboren, schon hinausgetragen. Die
Experimente und Versuche, die das Bauhaus damals ge-
macht hat, gingen sozusagen im hellen Licht der Beachtung
und Beobachtung weitester Kreise vor sich. Dadurch aber
entstand jene lebendige Verbindung mit all den Kräften,
die in Deutschland in ähnlicher Richtung tätig waren.

Nach einem kurzen Zwischenstadium unter der Leitung
von Hannes Meyer wurde Mies van der Rohe berufen, und
damit beginnt die zweite Epoche des Bauhauses, die aller-
dings nunmehr schon in einem sehr frühen Entwicklungs-
stadium jäh unterbrochen wurde. Die Übernahme der
Leitung durch einen im In- und Ausland so angesehenen

Architekten wie Mies van der Rohe wurde allgemein leb-
haft begrüßt. Auch diejenigen, die ihm nicht näher stehen,
wußten von seinen Arbeiten her, daß es sich um einen
Menschen handelt, der, von stärkstem Qualitätsgefühi
durchdrungen, nichts vor die Augen seiner Mitmenschen
hinstellt, das nicht vollkommen durchgearbeitet ist. Ein-
sichtige werden mehr oder minder bewußt gespürt haben,
daß nach einem so lebhaften und natürlich auch notwendi-
gen Auftakt der modernen Bewegung nunmehr die Auf-
gabe erstehe, das Gewonnene und Erreichte qualitativ bis
ins Letzte durchzuarbeiten. Man konnte also die größte
Hoffnung auf die Weiterentwicklung des Bauhauses setzen
und hatte das Gefühl, daß nunmehr eine Epoche beginnt,
die mit der heutigen Entwicklungsstufe ebenso innig ver-
bunden ist wie die Epoche Gropius mit der Anfangszeit
der Entwicklung.

Nun war es dem Bauhaus nicht mehr vergönnt, einem
größeren Kreis sein Wollen und seine Arbeit in Form einer
Publikation oder in Form einer Ausstellung zu zeigen.
Mies, der die Aufgabe des Bauhauses lediglich in der Ar-
beit sah, hat vielleicht der Gedanke einer allzu starken
Zurschaustellung von Lehrarbeiten ferngelegen. Was man
aber vom Bauhaus sah, waren industrielle Erzeugnisse,
die in ständiger Zusammenarbeit des Bauhauses mit Er-
zeugerfirmen entstanden: Tapeten, Stoffe, Lampen. Diese
Dinge waren so bescheiden und dabei so reif, daß man
nur stärkste Achtung vor dieser stillen Bauhausarbeit
haben konnte. Wir, die wir die letzten Semester-Ausstel-
lungen des Bauhauses gesehen haben, fanden diesen Ein-
druck auch in den Schulungsarbeiten des Bauhauses be-
stätigt.

Jedenfalls, das muß jeder ehrliche Mensch bestätigen,
stand diese Arbeit fern von jeder nur irgendwie politischen
Weltanschauung, sie ging nur unter der großen Idee der
Verantwortung zum Schaffen wahrhafter Qualität vor sich.

Als die Nachricht von der Vernichtung des Bauhauses
durch die Presse ging, erstanden überall Stimmen für die
Neuerstehung des Bauhauses an anderer Stelle, auch für
die Beheimatung des Bauhauses in Berlin haben sich viele
Stimmen erhoben. Es wäre sicherlich eine kulturelle Tat,
wenn es gelingen würde, die Scharte auszuwetzen, die
kleinbürgerliche „Politik" dem deutschen Geistesleben mit
der Vernichtung des Bauhauses geschlagen hat. Anderer-
seits sollte man eine Lehre daraus ziehen. Wenn das Bau-
haus irgendwo wieder ersteht, was wir dringend wün-
schen, so muß von vorneherein alles getan v/erden, um
ihm Träger und Stützen zu geben, die in größerem und
festerem Boden verankert sind als es der Boden einer
Stadtverwaltung darstellt. Auch der beste, einsichtigste
und geschickteste Bürgermeister ist bei der heutigen
parteipolitischen Einstellung in den Kommunen kein Ga-
rant mehr für das Fortbestehen eines solchen Kulturinstitu-
tes, das haben wir leider in Dessau gesehen. Aber gerade
an dieser Stelle erachten wir es für eine Pflicht, dem
Bürgermeister Hesse in Dessau den Dank dafür auszu-
sprechen, daß er, der das Bauhaus aus Weimar nach
Dessau geholt hat, bis zuletzt unbeirrbar für das Weiter-
bestehen des Bauhauses eingetreten ist. W. Lötz

291
 
Annotationen