zweifelhaft, — wenn überhaupt, dann sicherlich nur am
Rande des Arbeits- und Machtbereichs des Werkbunds:
Vorbedingung ist die Vertiefung unserer ganzen Welt-
anschauung durch eine Revision der Rangordnung der
Werte, wie sie nur im Zusammenhang mit einer Neubegrün-
dung unserer Gesellschaftsordnung erreicht werden kann.
Nur auf einem so gefestigten Grunde kann die „gestal-
tende Arbeit" so gedeihen, wie es dem Werkbund als Ziel
seines Strebens vorschwebt.
Und doch, — nichts wäre falscher und verhängnisvoller,
wollte der Werkbund deshalb resignieren und alles der
Zeit überlassen. Er ist als Kampfbund gegründet worden
und weiß genau, daß es immer seine Aufgabe bleiben
wird, zu kämpfen. Freilich ist sein Kampf immer von beson-
derer Art gewesen: es war weniger ein Kampf gegen
einen Feind als für eine Sache. Den Feind hat er nur an-
gegriffen, wo sich dieser den Bestrebungen des Werkbun-
des aktiv entgegenstellte, — in kluger Beschränkung, denn
er wußte wohl, daß seine Kraft nicht dazu reichte, um alles
das zu vernichten, was anderen und wie er sagen durfte
niedrigeren Sinnes war. Wo er im einzelnen diesen Kampf
doch wagte, da hat er sich Niederlagen geholt. Aber er
hat viel da erreicht, wo er mit dem Mittel der Ausstellungen,
der sonstigen Propaganda und der persönlichen Über-
redung für seine Ideen eintrat und so den Kräften, die in
seinem Sinne wirken, zur Geltung verhalf. Und niemand
wird sagen dürfen, daß die Möglichkeiten dieses Kampfes
heute schon erschöpft sind.
Im Gegenteil, — der Kampf ist heute wieder nötiger als
je, und er muß aktiver geführt werden als seit langem.
Die Vernichtung des Dessauer Bauhauses*) zeigt die Größe
der Gefahr: wenn auf diesen ersten Schlag weitere folgen,
so kann es geschehen, daß ein großer Teil des bereits Er-
reichten wieder aufgegeben werden muß und die wertvoll-
sten und stärksten schöpferischen Kräfte, die Deutschland
auf dem Gebiete der Werkbundarbeit besitzt, lahmgelegt
werden. Um das zu verhindern, muß der Werkbund aller-
dings alle Kraft zusammennehmen, will er nicht sich selber
aufgeben.
Wer hat den Schiag geführt und gegen wen ist er gerich-
tet? — Es sieht so aus, als seien die Beweggründe rein po-
litische gewesen. In Wirklichkeit haben alle bürgerlichen
Parteien im Dessauer Stadtparlament für die Vernichtung
des Bauhauses gestimmt, und was die Begründung anlangt,
so arbeitet sie mit Argumenten, die sämtlich älter sind als
die Partei, die sich ihrer allerdings mit einer Leidenschaft
und propagandistischen Gewalt bedient, die früher in
Deutschland unbekannt war und diesen sonst etwas abge-
griffenen, in ihrer bürgerlich-reaktionären Gesinnung ver-
alteten Argumenten eine ungeahnte neue Schlagkraft ver-
liehen hat. So müssen wir uns wohl oder übel mit diesen
Argumenten, die man längst erledigt glaubte, noch einmal
auseinandersetzen.
Dies ist nicht leicht, — nicht etwa weil die Argumente so
stark, sondern weil sie schon so oft widerlegt sind. Ist es
wirklich notwendig, zum hundertsten Male zu versichern,
daß die moderne Baukunst nichts mit dem Bolschewismus
zu tun hat? Der Nachweis ist schon oft geführt worden,
*) — das ja nun allerdings, wie man sich freut zu hören, als unab-
hängiges Unternehmen in Berlin wiederersteht.
daß diese Baukunst älter ist als die russische Revolution
und entstanden in hochkapitalistischen Ländern, — dort
allerdings alsAusdruck nicht nur einer neuen künstlerischen,
sondern auch einer neuen sozialen Gesinnung, dadurch
geschichtlich von größter Bedeutung, weil noch niemals in
der Geschichte der Baukunst ein Stil so stark von sozialen
Gedanken her bestimmt gewesen ist. Man mag dies als
einen Beweis dafür nehmen, daß der soziale Gedanke ge-
staltende Kraft schon in einer Zeit zeigte, in der er nach
außen eben erst zu wirken anfing, — aber darin ein Zei-
chen einer gefährlichen umstürzlerischen Gesinnung zu
sehen, zeugt doch von einer etwas merkwürdigen Geistes-
verfassung. Und wer durch die Tatsache beunruhigt wird,
daß die neue Baukunst „internationalen" Ursprungs ist, der
vergißt, daß nicht nur jener soziale Gedanke an den ver-
schiedensten Orten gleichzeitig, wenn auch in ganz ver-
schiedener Form, emporkam, sondern auch die technischen
Grundlagen des Bauens heute überall ungefähr die glei-
chen sind, so daß naturgemäß die Bindung an den Boden
geringer ist als früher. Diese Tatsache läßt sich nicht aus
der Welt schaffen, und jeder Versuch, durch künstliche
Mittel der Angleichung die Kluft, die die Gegenwart von
dei Vergangenheit trennt, zu verbergen, ist vom Übel. Auch
frühere Zeiten haben sich nicht darum gekümmert, wie das
Neue sich an das Alte anschloß, sondern sie haben genau
so gebaut, wie es ihre Gegenwart von ihnen verlangte.
Und wie früher wird auch heute wieder der Boden, ohne
daß wir davon wissen, seine geheimnisvolle Macht bewäh-
ren, — wie ja auch bereits die ersten Anzeichen einer na-
tionalen Differenzierung für den geschulten Blick deutlich
zu bemerken sind. (Dies wird jedem klar, der die sehr ver-
dienstliche Zusammenstellung moderner Bauten aus 26 Län-
dern betrachtet, die Alberto Sartoris unter dem Titel „Gli
Eiementi deli' Architettura Funzionale" bei Ulrico Hoepli in
Mailand herausgegeben hat.) Man muß bedenken, daß
das, was bisher an Bauten dieser Art entstanden ist, die
ersten Anfänge des neuen Stils darstellt, — immerhin aber
lassen Bauten wie das vielbeachtete „Haus Tugendhat"
deutlich genug erkennen, welche Möglichkeiten geistigen
Ausdrucks schon heute bestehen. Diese Möglichkeiten zu
entwickeln, das ist die Aufgabe, deren sich der Werkbund
anzunehmen hat. Denn es bleibt keine Wahl mehr: die
Frage, ob dieses Bauen nicht nur eine vorübergehende
„Mode" bedeutet, ist längst entschieden. Daran kann
auch Herr Schultze-Naumburg nichts mehr ändern.
Man muß diesen Namen, der einst auch bei ernsten
Menschen einen guten Klang hatte, hier nennen, nicht nur
deshalb, weil sein Träger bei der Vernichtung des Bau-
hauses entscheidend mitgewirkt hat, sondern auch weil er
aktiver als irgendein anderer in den Kampf gegen all das,
was den Werkbund angeht, eingegriffen hat. Sein Buch
„Kunst und Rasse" ist schon vor sieben Jahren erschienen,
und wenn auch der Vortrag „Kampf um die Kunst", den er
vor einigen Jahren in vielen Städten gehalten hat, auf allen
Seiten mehr Ablehnung als Zustimmung erfahren hat, bis
weit in sehr „konservative" Kreise hinein, so wird er doch
heute noch als Broschüre verkauft, so daß er wohl als
Zeugnis einer heute sehr mächtigen Anschauung anzusehen
ist. Die Oberflächlichkeit, mit der hier sehr populäre An-
schauungen „begründet" werden, erschwert eine sachliche
Auseinandersetzung um so mehr, als die Frage, um die es
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Rande des Arbeits- und Machtbereichs des Werkbunds:
Vorbedingung ist die Vertiefung unserer ganzen Welt-
anschauung durch eine Revision der Rangordnung der
Werte, wie sie nur im Zusammenhang mit einer Neubegrün-
dung unserer Gesellschaftsordnung erreicht werden kann.
Nur auf einem so gefestigten Grunde kann die „gestal-
tende Arbeit" so gedeihen, wie es dem Werkbund als Ziel
seines Strebens vorschwebt.
Und doch, — nichts wäre falscher und verhängnisvoller,
wollte der Werkbund deshalb resignieren und alles der
Zeit überlassen. Er ist als Kampfbund gegründet worden
und weiß genau, daß es immer seine Aufgabe bleiben
wird, zu kämpfen. Freilich ist sein Kampf immer von beson-
derer Art gewesen: es war weniger ein Kampf gegen
einen Feind als für eine Sache. Den Feind hat er nur an-
gegriffen, wo sich dieser den Bestrebungen des Werkbun-
des aktiv entgegenstellte, — in kluger Beschränkung, denn
er wußte wohl, daß seine Kraft nicht dazu reichte, um alles
das zu vernichten, was anderen und wie er sagen durfte
niedrigeren Sinnes war. Wo er im einzelnen diesen Kampf
doch wagte, da hat er sich Niederlagen geholt. Aber er
hat viel da erreicht, wo er mit dem Mittel der Ausstellungen,
der sonstigen Propaganda und der persönlichen Über-
redung für seine Ideen eintrat und so den Kräften, die in
seinem Sinne wirken, zur Geltung verhalf. Und niemand
wird sagen dürfen, daß die Möglichkeiten dieses Kampfes
heute schon erschöpft sind.
Im Gegenteil, — der Kampf ist heute wieder nötiger als
je, und er muß aktiver geführt werden als seit langem.
Die Vernichtung des Dessauer Bauhauses*) zeigt die Größe
der Gefahr: wenn auf diesen ersten Schlag weitere folgen,
so kann es geschehen, daß ein großer Teil des bereits Er-
reichten wieder aufgegeben werden muß und die wertvoll-
sten und stärksten schöpferischen Kräfte, die Deutschland
auf dem Gebiete der Werkbundarbeit besitzt, lahmgelegt
werden. Um das zu verhindern, muß der Werkbund aller-
dings alle Kraft zusammennehmen, will er nicht sich selber
aufgeben.
Wer hat den Schiag geführt und gegen wen ist er gerich-
tet? — Es sieht so aus, als seien die Beweggründe rein po-
litische gewesen. In Wirklichkeit haben alle bürgerlichen
Parteien im Dessauer Stadtparlament für die Vernichtung
des Bauhauses gestimmt, und was die Begründung anlangt,
so arbeitet sie mit Argumenten, die sämtlich älter sind als
die Partei, die sich ihrer allerdings mit einer Leidenschaft
und propagandistischen Gewalt bedient, die früher in
Deutschland unbekannt war und diesen sonst etwas abge-
griffenen, in ihrer bürgerlich-reaktionären Gesinnung ver-
alteten Argumenten eine ungeahnte neue Schlagkraft ver-
liehen hat. So müssen wir uns wohl oder übel mit diesen
Argumenten, die man längst erledigt glaubte, noch einmal
auseinandersetzen.
Dies ist nicht leicht, — nicht etwa weil die Argumente so
stark, sondern weil sie schon so oft widerlegt sind. Ist es
wirklich notwendig, zum hundertsten Male zu versichern,
daß die moderne Baukunst nichts mit dem Bolschewismus
zu tun hat? Der Nachweis ist schon oft geführt worden,
*) — das ja nun allerdings, wie man sich freut zu hören, als unab-
hängiges Unternehmen in Berlin wiederersteht.
daß diese Baukunst älter ist als die russische Revolution
und entstanden in hochkapitalistischen Ländern, — dort
allerdings alsAusdruck nicht nur einer neuen künstlerischen,
sondern auch einer neuen sozialen Gesinnung, dadurch
geschichtlich von größter Bedeutung, weil noch niemals in
der Geschichte der Baukunst ein Stil so stark von sozialen
Gedanken her bestimmt gewesen ist. Man mag dies als
einen Beweis dafür nehmen, daß der soziale Gedanke ge-
staltende Kraft schon in einer Zeit zeigte, in der er nach
außen eben erst zu wirken anfing, — aber darin ein Zei-
chen einer gefährlichen umstürzlerischen Gesinnung zu
sehen, zeugt doch von einer etwas merkwürdigen Geistes-
verfassung. Und wer durch die Tatsache beunruhigt wird,
daß die neue Baukunst „internationalen" Ursprungs ist, der
vergißt, daß nicht nur jener soziale Gedanke an den ver-
schiedensten Orten gleichzeitig, wenn auch in ganz ver-
schiedener Form, emporkam, sondern auch die technischen
Grundlagen des Bauens heute überall ungefähr die glei-
chen sind, so daß naturgemäß die Bindung an den Boden
geringer ist als früher. Diese Tatsache läßt sich nicht aus
der Welt schaffen, und jeder Versuch, durch künstliche
Mittel der Angleichung die Kluft, die die Gegenwart von
dei Vergangenheit trennt, zu verbergen, ist vom Übel. Auch
frühere Zeiten haben sich nicht darum gekümmert, wie das
Neue sich an das Alte anschloß, sondern sie haben genau
so gebaut, wie es ihre Gegenwart von ihnen verlangte.
Und wie früher wird auch heute wieder der Boden, ohne
daß wir davon wissen, seine geheimnisvolle Macht bewäh-
ren, — wie ja auch bereits die ersten Anzeichen einer na-
tionalen Differenzierung für den geschulten Blick deutlich
zu bemerken sind. (Dies wird jedem klar, der die sehr ver-
dienstliche Zusammenstellung moderner Bauten aus 26 Län-
dern betrachtet, die Alberto Sartoris unter dem Titel „Gli
Eiementi deli' Architettura Funzionale" bei Ulrico Hoepli in
Mailand herausgegeben hat.) Man muß bedenken, daß
das, was bisher an Bauten dieser Art entstanden ist, die
ersten Anfänge des neuen Stils darstellt, — immerhin aber
lassen Bauten wie das vielbeachtete „Haus Tugendhat"
deutlich genug erkennen, welche Möglichkeiten geistigen
Ausdrucks schon heute bestehen. Diese Möglichkeiten zu
entwickeln, das ist die Aufgabe, deren sich der Werkbund
anzunehmen hat. Denn es bleibt keine Wahl mehr: die
Frage, ob dieses Bauen nicht nur eine vorübergehende
„Mode" bedeutet, ist längst entschieden. Daran kann
auch Herr Schultze-Naumburg nichts mehr ändern.
Man muß diesen Namen, der einst auch bei ernsten
Menschen einen guten Klang hatte, hier nennen, nicht nur
deshalb, weil sein Träger bei der Vernichtung des Bau-
hauses entscheidend mitgewirkt hat, sondern auch weil er
aktiver als irgendein anderer in den Kampf gegen all das,
was den Werkbund angeht, eingegriffen hat. Sein Buch
„Kunst und Rasse" ist schon vor sieben Jahren erschienen,
und wenn auch der Vortrag „Kampf um die Kunst", den er
vor einigen Jahren in vielen Städten gehalten hat, auf allen
Seiten mehr Ablehnung als Zustimmung erfahren hat, bis
weit in sehr „konservative" Kreise hinein, so wird er doch
heute noch als Broschüre verkauft, so daß er wohl als
Zeugnis einer heute sehr mächtigen Anschauung anzusehen
ist. Die Oberflächlichkeit, mit der hier sehr populäre An-
schauungen „begründet" werden, erschwert eine sachliche
Auseinandersetzung um so mehr, als die Frage, um die es
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