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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0123

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UriMkrgrr Irilung


KreisverkiiilSigungsblatt für oen Kceis Heidelberg unb amtiiches Äerkiiiibiguugsblalt fiir die Amts-- unS Amts-
GerichtSbczirke Heidelbcrg uud Wieslach uud den Amtsgerichtsbezirk Neckargemiind.

N» 2S. Krettag, 3 Z-ebruar 18KL.

Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch für die Monate
Fedruar und März mit 42 Kreuzern abonniren
bü allen Postanstalten, den Boten und Zei-
lungsträgern, sowie der Erpedition (Schiff-
gasse Nr. 4).

^ Zum neuen Schulgesetz.

Bei den öffentlichen Besprechungen des Schul-
gesetzes ist besonders auch derStellungdes Lehrers
zum Religionsunterrichte Erwahnung geschehen,
u. die Meinungen darüber, ob u. wie weil er sich
daran zu betheiligen habe oder nicht, gehen zum
Theil sehr weit auseinander. Die Vertheidiger
der Confessionsschule, die großentheils aus
Geistlichen bestehen, würden es begreiflicher
Wcise am liebsten sehen, wenn, wie bisher,
dem Lehrer der ganze Religionsunterricht, etwa
mit Ausnahme des systematischen Theiles des-
sclben, wie er gewöhnlich im Confirmandenun-
terricht vorkommt, zugesprochen würde, damit
dcr Geistliche so wenig als möglich durch die
Schule belastigt werde, aber doch, eben der
Ueberwachung des ReligionsunterrichteS wegen,
Fug und Recht habe, sich in das Schülwesen
cinzumischen und dasselbe zu beherrschen. Die
Freunde der Communalschulen dagegen wollen
dic Lehrcr grundsätzlich gauz von dem Religions-
unterrichte befreit wissen und lctzteren ausschließ-
lich dem Geistlichen überwiesen haben, was frei-
lich dem Prinzip und Wesen der Communal-
schule vvllkommen entspricht, aber sich mit dem
Geiste des vorliegenden Gesetzes nicht verträgt
und auch kaum ausführbar ist. Dieses Gesetz,
welcheS zwar die Schule als Staatsanstalt be-
trachtet und sie unter StaatSaufsicht steüt, will
aber doch, indem sie den Neligiousunterricht als
obligatorisch für die VolkSschule erklärt, das
Band zwischen dieser und der Kirche nicht völlig
zerrcißcn, sondern letzterer cinen gebührenden
Anthcil an Lehre, Aussicht und Leitung geben.
Grundsätzlich, vermöge der der Kirche eingc-
räumten Selbststänoigkcit, muß zwar das Gc-
setz den Religionsunterricht der Kirche zuspre-
chcu; abcr es hindert diese nicht, einen Theil
davou auch dem Lehrer zu übertrageu, und
macht eS in diesem Falle letzterem zur Pflicht,
sich der Erfüllung dieses Austrages zu unter-
ziehen. Viele, und unter diesen namcntlich
einige Stimmsührer in der Freiburger Zeitung,

waren nun der Meinung, daß der Lehrer da-
durch in die fatale Lage gebracht werde, zweien
Herren dicnen zu müsseu uud somit in eine
Collision von Pflichten zu gerathen; allein
während die zur Berhütung dieses UebelstandeS
gemachten Vorschläge den Lehrer geradezu erst
recht in das Gedränge bringen würden, indem
sie, was er in solchen FLllen zu thun habe,
ihm gleichjam in das Gewissen schieben, so
ent^bt ihn dagegen das Schulgesetz und die
oemselbcn beigegebene Erläuterung der Regie-
rung aller Gewissensscrupel uno Verantwort-
lichkeit, indem sie ihm sein Verfahren genau
vorzeichnete. Der Lehrer ist hiernach angewie-
sen, der vom Staate geordneten Schulleitung
unbedingt zu folgen; und wenn ihm von Seite
der Geistlichkeit Etwas zugemuthet weroen sollte,
was sich mit der Schulordnung nicht verträgt,
es einfach uicht zu thun, sonderu seiner vor-
gesetzten Behörde davon Anzeige zu machen.
Wir sind der Ansicht, daß durch diese Beftim-
mung die wesentlichsten Schwierigkeiten gehoben
sind, die bci der practischen Durchführung eines
Gesetzes, welches bezüglich der Schule die Rechte
deS Staates mit denen der Kirche zu vermit-
teln sucht, sich leicht ergeben können. Erfreu-
lich und ermunternd ist in dieser Beziehung dic
in einem officiösen Artikel der Karlsr. Zeitung
gegebcne Versicherung, welche dahin lautet:
„Wird eine der Kirchenbehörden beim Gebrauch
der ihr zugewiesenen Selbstständigkeit die Jnne-
haltung der ihr als Unterthanen obliegen-
den Pflichten versäumen und verletzt sie dadurch
die Bedingungen, unter denen den Kirchen eine
noch vielfach privilegirte Stellung im Staate
zngewiesen. ist und unter denen sie sich allein
öffentlicher Autorität erfreuen, dann liegt ein
absolut anderer, aber auch einfacher Fall vor,
den die Regieruug ohne allesZucken,
mit unerbittlichster Feftigkeit zu be-
handeln verstehen wird."

* Politische llmschau.

Die halbamtliche Wiener „Abendpost" citirt
mit gesperrter Schrift die Worte des Rund-
schreibens der „Ncuen Preußischen Zeitung" :
„Es steht fest, daß die Einigkeit Oesterreichs
und Preußens Bedingung und Grundlage der
Einheit Deutschlands und daß die Geltendma-
chung und Anerkennnng der realen Machlver-
hältnisse ,der Groß-, der Mittel- und Klein-

staaten der Grundgedanke aller soliden Bundes-
reform sein muß."

Die „Ostd. Post" schreibt übcr die preußischen
Annexionsgelüste: Auf dem Wege, den Oester»
reich bisher gegangen und den wir cs fortwan-
deln sehen, wird eS die Anncxion der Herzog-
thümer nicht verhüten. Alle Vorjätze, alle
diplomatischen Noten der Staatskanzlei wer-
den Preußen nicht mehr aus dem Sattel
bringen, in welchen es gleich dem Löwen auf
dem Nücken der Giraffe in dem bckannten
Gedichte mit seinen Klauen sich fest eingebohrt
hat. Es kann, wenn Oesterreich auf jeinem
Widerspruche beharrt, zu einem Bruch zwischen
beiden zur Zeit alliirten Staaten kommen —
aber dieser Bruch, wenn er nicht einen euro-
päischen Charakler annimmt, wird Preußen die
Beute, in deren Besitz es sich fac'tisch jetzt schon
befindet, nicht entreißen. Dessen sollte man in
der kaiserlichen Staatskänzlei sich bewußt sein
und entweder von vornherein den Widerstand
ausgeben und die „Compensation" sich sichern,
die nach unserer Ansicht vielleicht im Monde,
aber nicht auf der Karte von Europa liegt,
oder seine Vorbereitungen bei Zciten so ein-
richten, daß ein entschiedeneS Veto in letzter
Jnstanz kein ohnmächtiges und kein isolirtes ist.

Jn der Sitzung dcs spanischen Senats vom
31. Jan. erklärte der Juftizminister, indem er
Hrn. Alvarez antwortete, Spanien hcge keine
feindlichen Gesinnungcn gegen Jtalien und es
werde dem Bcispiele der andern Staatcn fol-
gen, wenn die Verlegung der Hauptstadt dem
neuen Königreiche Stabilität verleihe.

Die Nachricht von der Einnahme deS Forts
Fisher durch die Nordamerikaner, so wie die
Friedensgcrüchte brachten in Havre eine Baisse
der Baumwoll-Preise um 30 Prozent hervor;
man meldete starke Fallimente in Rouen, Mül-
hausen u. s. w. Die Seidenpreise steigen.

Deutschland.

Karisrrche, 31. Jan. Bekanntlich werden
dermalen von den Gegnern des Schulaufsichts-
gesetzcs sog. wandernde Casinos, d. i. Volks«
versammlungen abgehalten, zu dem Zweck,
Adressen in den von Sr. Königl. Hoheit dem
Grroßherzog in freigebigster Weise gcwährten
Audienzen durch Petitionäre in verschiedcnen
Gruppen und an verschiedenen Tagen möglichst
fortgesetzt üverbringcn zu laffen.

Vorlesungen im Museum.

Samstag, den 28. Ian. vr. Bülow: Ueber !
die gerichttichen Verfolgungcn ber Heren unb Zau-
berer in Dcutschland.

Der Redner hat cS mit einer Zeit zu thun, in
welcker der Aberglaube, der uns heute wohl als
ein ungrfährliches Spiel der Phantafie erschcinen
mag, eine furchtbare Gewalt ausübte, indem er, ?
durch das Gesrtz und die öffentliche Meinung ge-
fvrdert, von dem Kanatismus der Kirche unb deS §
PöbclS getragcn, die Gerichke fich bienstbar machte ?
und ^ausende vyn Unglücklichen crbarmungsloS der ^
Fylter und dem Flammentode überliefrrte. Ueber >
dreibundert Iahre haben die Hercnprocesse in Eu-
ropa gewüthet; die lrtzten Vernrtheilungen find auf
deutscher Erde, 1749 in Würzburg (Mana Re-
nata) und 1782 in GiaruS ausgesprochen und voll-
zogen worden.

Die Hauptanklage wider alle Angeschuldtgte lau-
tete auf schriftlich ober mündlich eingegangencS
Bundniß mit dem Teufel, auf feierlich brsiegelten
Abfall von Gott und dem Lhrislenthum; daher

einrn Fall ermittelt, in dem der Teufel etn Geld-
geschenk gemacht hat, und zwar — von 3 Pfen-
nigen.

Die einzige Folge deS BündnisseS für drffen
Theilnehmer ist die Lust am Bösen um des Bösrn
selbst willen, die völlige Lossagung von allem
Menschlichen; fie find teuflische Wesen geworden,
die nur zum Scheine daS menschliche Antlitz habrn

ist eine Art Rothwehr gegen daS böse Princip in
Menschengestalt; daher der heilige Eiftr, die Er-
barmungSlofigkeit dieser gerichtlichen Verfolgungen.

An den metsten Gegenden DeutscklandS find diese

Iustizmorde häufiger als die Todesurtheile wegen
wirklich begangenrr Verbrechen.

Innerhalb 4 Jahrrn wurdrn in Offenburg 60,
in Bamberg 280, in 9 Iahren im Bisthum Würz-
burg 900, in OSnabrück in einem Jahr 180 Per-
sonen verurtheilt und verbrannt.

Jn Braunschweig hatte Ende deS 16. Iahrhun-
dcrts die Ricktstätte von den vielen Brantpfählen,

barthal drs Engadin trägl ein Sckuttbügel von
ben Hinricktungen derselben Art den Namen Aiiis
Aorti. Die Richter rühmen sich ber Hunderte, die
^ sie dem Tode überliefrrt, und Balthasar Voß in
! Fulba hat das unsterblicke Wort auSgesprocken,

! er hoffe rS biS an sein scligeS Ende noch diS auf
? ein rundes Tausend zu bringen.

Redner theilt nun auszugSweise einen aktentreuen

mit, die 1590 in Rördlingrn stattgefundrn hat,
auf Grund eincs GutacktenS des Stadtschreibers
darüber, „wie sich eine ckristliche Obrigkeit gegen
so viel Unholdinnen zu verbalten dabe, gegen die
 
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