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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Zola, Emile: Edouard Manet: Vorwort zum Katalog der Manet-Ausstellung im Jahre 1884
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0056

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EDOUARD MANET, DER BÄRENFÜHRER. RADIERUNG. UM 1868

NACH DEM EINZIGEN BEKANNTEN ABZUG DER SAMMLUNG MOREAU'NELATON

dann der unüberlegte Streich einer Amerikafahrr, verlorene
Jahre in Paris, ein vorübergehender Aufenthalt im Atelier
Couture, ein langes und mühseliges Suchen der eigenen
Persönlichkeit. Es scheint, als habe er erst begonnen,
klar zu sehen, nachdem er mit jedem Zwang gebrochen
hatte. Seitdem hielt er sich rückhaltlos an die Natur
und kannte fortan keinen anderen Lehrmeister. Übri-
gens war er ein echter Pariser, der die Gesellschaft leiden-
schaftlich liebte, von feinster und geistreicher Eleganz, der
herzlich lachte, wenn ihn die Zeitungsschreiber als einen
zigeunerhaften Malerjüngling schilderten.

Im folgenden Jahre, 1867, entschloß sich Manet, da seine
Bilder in der Weltausstellung nicht aufgenommen wurden,
trotzdem eine Gesamtausstellung seiner Werke zu veranstal-
ten, und zu diesem Zweck ließ er sich in der Avenue de
l'Alma einen Holzbau errichten. Die Anzahl seiner Werke
war damals schon bedeutend, und man konnte schon dort
die Fortschritte des Malers zur Freilichtmalerei verfolgen,
die er später zu einer solchen Vollendung brachte. Die ersten
Bilder, wie z. B. der Absynthtrinker, waren noch an die
Ateliertechnik, an die nach bestimmten Regeln verteilten
schwarzen Schatten gebunden. Dann kamen die erfolg-
reichen Bilder: „der Spanische Sänger", der ihm eine ehren-
volle Erwähnung eingetragen hatte, „das Kind mit dem De-
gen", ein Bild, das man ihm später unaufhörlich vorhielt.
Diese Bilder waren gute, solide Malerei, die keine sehr per-
sönliche Note zeigten. Aber der Maler, der nur bei dieser
Manier hätte zu bleiben brauchen, um glücklich und mit
Medaillen und Orden geschmückt zu leben, wurde zu sei-
nem Unglück von seinem Temperament in den Strudel einer

ununterbrochenen Entwicklung" gerissen, und so kam er, viel-
leicht gegen seinen Willen, aber einem Zwange gehorchend,
zu der „Musik in den Tuilerien", in der Ausstellung Martinet,
zu dem schrecklichen „Frühstück im Grase", zu der „Espada"
und zum „Majo" des Salon des Refuses des Jahres 1863.
Von diesem Augenblick an war der Bruch vollständig: es
begann ein zwanzigjähriger Kampf, dem der Tod allein ein
Ende machen sollte. Aber welche Ursprünglichkeit, welche
hinreißende Neuheit war in diesen Bildern der Avenue de
TAlma vereinigt! In der Mitte einer Wandeinfassung thronte
jene küstliche „Olympia", die im Salon von 1865 die Er-
bitterung der Pariser aufs höchste getrieben hatte. Und da-
neben sah man den „Pfeifer" in der Heiterkeit seiner Far-
ben, den „toten Torrero", ein prachtvolles Stück Malerei,
„die Straßensängerin", so richtig und fein im Ton, „Lola de
Valence", vielleicht das seltenste Kleinod des ganzen Saales,
die so bezaubernd in ihrer Fremdartigkeit wirkt! Und dabei
habe ich noch nicht die Seebilder erwähnt, unter denen „der
Kampf des Kearsage und der Alabama" mit erstaunlicher
Wahrheit hervortrat, die Stilleben, ein Lachs, ein Kaninchen,
Blumen, die selbst von den Gegnern des Künstlers für Werke
ersten Ranges erklärt wurden und den klassischen Stilleben
unserer französischen Schule an die Seite zu stellen waren.

Diese selbständig veranstaltete Ausstellung entfachte mehr
denn je den Zorn der Kritik gegen Manet. Es brach eine
Flut von Schmähungen und Wirzen aus; er litt noch nicht
sehr darunter, wenn sich auch allmählich eine berechtigte
Ungeduld seiner bemächtigte. Dieser aufrührerische Maler,
dem das Leben in der Gesellschaft ein Bedürfnis war, hatte
immer von einem Erfolg geträumt, wie er in Paris erblühr,

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