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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 2
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Heise, Carl Georg: Karl Hofer: zum fünfzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0079

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KARL HOFER, MUZZANO. 1925

MUSEUM DANZIG. MIT ERLAUBNIS DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN

bei einem Künstler gerade unserer Tage wirklich
ein negatives Vorzeichen verdient.

Ein Kultus des Unbewußten, der durchaus
individuellen Seelenstimmung liegt hinter uns. Wir
werden es niemals vergessen dürfen, daß die Epoche
des Expressionismus uns die deutschesten Maler
geschenkt hat und ganz falsch wäre es anzunehmen,
daß Hofer dieser Zeit gleichgültig ausgewichen
sei. Sie hat ihn beunruhigt wie nur einen. Nicht
Zeugnis der Unsicherheit, sondern Beweis für jene
fruchtbarste Unruhe des Suchenden sind die sicht-
baren Schwankungen seiner malerischen Form in
den beiden ersten Jahrzehnten seiner Lebensarbeit.
Erst das letzte Jahrzehnt hat ihm Klärung und
Festigung gebracht. Mag man seines Weges noch
so gewiß sein, erst die zur Bereitschaft gewandelte
Mitwelt zerstört die letzten Hemmungen zu breiter
Entfaltung der eigensten Werte. Hofer hat erst
sich selber gefunden als der Expressionismus ab-
klang. Man könnte auch sagen: er hat sich wieder-
gefunden, denn die neue strengere Bildform wirkt
wie Rückkehr zu den erstaunlich begabten römi-
schen Anfängen, die ihrerseits zurückweisen auf
die beste Tradition deutscher Stilkunst. Frühzeit
und Reifezeit stehen bei ihm unter dem gleichen

Gesetz, wie bei allen großen Meistern, und wie
bei ihnen waren auch bei Hofer die Lehr- und
Wanderjahre länger und härter als beim Durch-
schnittstalent. Vergleicht man etwa ein frühes Bild-
nis wie das der Sammlung Georg Reinhart in Win-
terthur (S. 49) mit dem Bildnis der Mme B., so wird
die Verwandtschaft sehr deutlich. Hier wie dort
die große, klare Form, die sicher geführte Linie
als entscheidender Träger des Ausdrucks, sparsam
in der Bewegung, präzise im Farbklang, mehr ge-
baut als gewachsen, beherrscht und doch innerlich
bewegt. Das alles ist im späten Bild vom Zufälligen
gereinigt, eindeutiger geworden, überzeugender.
Diese Läuterung aber vollzog sich in bewußter,
experimentierender Arbeit. Zum Talent trat ein
Höchstes hinzu: die geistige Bewährung.

Damit aber ist, so scheint mir, der Grübler, der
Unzufriedene, aufs glänzendste gerechtfertigt. Nur
dann kann ein Wissen um die Geheimnisse der
Form schädlich werden, wenn es ungenügendes,
halbes Wissen ist, wenn die schöpferische Arbeit
beunruhigt wird durch mehr gefürchtete als bewußt
herausgeforderte Kontrolle des Intellekts. Unsere
Zeit, die unsere Bewußtseinskräfte so bewunderungs-
würdig ausgebildet hat, fordert deren Nutzbar-
 
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