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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 3
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Glaser, Curt: Courbet und Bruyas
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0119

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GUSTAVE COURBET, BILDNIS ALFRED BRUYAS

MUSEUM MONTPELLIER

Stellung, und er schrieb ihm: „Ich erkenne mich
in Ihnen wieder". Er hätte einem ßruyas nichts
Schöneres zu sagen vermocht, und er forderte
ihn selbst auf, ihm zu dem Bildnis zu sitzen, das
in der Tat wie die Inkarnation seines anderen Selbst
erscheint, das Wunschbild jener Hamletnatur, die
Delacroix in sich selbst verspürte. Es wurde zu-
gleich eines der edelsten Werke der neueren Ma-
lerei, eines Tizian würdig in der leise vornehmen
Haltung und dem schmelzenden Klang seiner
Materie.

Sollte man unter all seinen Bildnissen den wirk-
lichen Bruyas suchen, so möchte man ihn so den-
ken, wie Delacroix ihn gemalt hat. Und doch
war Courbet sein Freund, muß er in dessen Ma-
lerei seine Vorstellung von der „Solution" am
reinsten verwirklicht gefunden haben. Courbet
schrieb ihm in einem Briefe: „Ja, unsere Begeg-
nung war vom Schicksal voraus bestimmt. Nicht
wir sind uns begegnet, sondern unsere ,Solutions'."
Bruyas hatte Courbet eingeladen, ihn zu besuchen,
und im Jahre 1854 verbrachte der Maler mehrere

Monate in Montpellier. Die schönste Frucht der
Begegnung ist das Bild, das den Titel trägt: „Bon-
jour, Monsieur Courbet", unter dem frischen Ein-
druck der sonnenhellen, südlichen Landschaft ge-
malt, in der der Maler von dem Gastfreunde und
seinem treuen Diener bewillkommnet wurde.

Nicht bonjour Mr. Bruyas, sondern bonjour
Mr. Courbet heißt das Bild, und es spricht aus den
Gebärden gegenseitiger Begrüßung der Stolz eines
Künstlers, der von dem Gefühl seiner Bedeutung
durchdrungen ist. Auch dieser berechtigte Stolz,
der Überheblichkeit dünkt, ist Courbet von seinen
Zeitgenossen verübelt worden. Kein anderer ist
so durch alle Gossen der Karikatur gezerrt wor-
den, kein anderer hat so durch seine Persönlich-
keit, schon durch seine äußere Erscheinung, seinen
auffälligen Bart, wie durch seine Werke die Mit-
welt beschäftigt. Als im Jahre 1855 Bilder von ihm
in Frankfurt ausgestellt waren, stand in einem Klub
eine Inschrift: „Hier ist es verboten, von den Bil-
dern des Herrn Courbet zu reden", und in einer
Gesellschaft bei einem reichen Bankier fand jeder
Gast in seiner Serviette einen Zettel: „Heute abend
wird nicht von Herrn Courbet gesprochen."

Kein Wunder, daß in einer Provinzstadt wie
Montpellier der Freund und Mäzen des Malers
vielen Anfeindungen ausgesetzt war und mit der
Schenkung seiner Sammlung wenig Dank erntete.
Champfleury hatte den Sammler im Jahre 185z
besucht und die freundliche Aufnahme mit einem
hämischen Artikel in der Revue des deux mondes
beantwortet, den er in den „Sensations de Joquin"
unter der Überschrift „Histoire de M. T..." noch
einmal abdrucken ließ. Die Sammlung, die Bruyas
seiner Vaterstadt vermachte, läßt merkwürdiger-
weise in ihrer Gesamtheit den ausgesprochenen
Charakter vermissen, den man nach dem Wesen
und dem Schicksal ihres Urhebers, den Verdier ein-
mal als dornengekrönten Christus gemalt hat, ver-
muten möchte. Er hat nicht immer das Beste ge-
wählt. Aber sein Weg führte von Cabanel und
Glaize über Couture und Tassaert zu Delacroix und
Courbet, und dieser Weg spricht für den Sammler,
wie es für den Kenner spricht, daß er als einer
der ersten die Bedeutung Courbets geahnt hat, für
den Menschen, daß er um seiner Überzeugung
willen alle Anfeindungen auf sich genommen hat.
Darum soll, wenn Courbets gedacht wird, auch
der erste Sammler seiner Werke nicht vergessen sein.

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