Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Auktionsnachrichten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0151

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EL GRECO,
UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS
VERSTEIGERUNG
MARCELL v. NEMES

108:82 cm. 175000 gulden

MEISTER DER „MADONNA DEL
BAMBINO VISPO". DIE JUNGFRAU
MIT DEM KIND UND ENGELN.
VERSTEIGERUNG
MARCELL v. NEMES. 45 :50 cm

72 ooo gulden

LUCAS CRANACH D. A.
PARISURTEIL
VERSTEIGERUNG
MARCELL v. NEMES

104:72 cm. 52000 gulden

auch bei der Versteigerung der kostbaren Golddosen ge-
legentlich zu Riesengeboten verleitete. So war der Preis
einer Dose mit Miniaturmalereien von Blarenberghe, die
auf 25000 geschätzt war und 36000 Mark eintrug, sicher
übertrieben, zumal es sich keineswegs um das schönste Stück
der Sammlung handelte. Von den Gobelins erreichte den
höchsten Preis, wie zu erwarten war, die Boucher-Tapisserie,
blieb aber mit 115000 doch noch um 35000 Mark unter der
Schätzung zurück und ist gewiß nicht zu teuer bezahlt. Die
Folge der Konstantins-Teppiche nach Entwürfen von Rubens
erreichte ebenfalls mit insgesamt 103000 Mark bei weitem
nicht den Taxpreis. Übrigens gehört diese Folge ebenso wie die
Sitzmöbelgarnitur aus dem Besitz des Eugen Beauharnais,
die mit 60000 Mark teuer verkauft wurde, zu den nachträg-
lich beschlagnahmten StückenJ über deren Schicksal die Ge-
richte noch werden entscheiden müssen.

Von den Gemälden mußte der Nikolas Maes, auf den
die meisten Hoffnungen gesetzt waren, zurückgezogen wer-
den. Die Madonna des Cima da Conegliano, die in drei
Exemplaren vorkommt — eines davon hängt in der Ere-
mitage, hier handelte es sich also um eine wirkliche Du-
blette —, erzielte 55 000 Mark, wie überhaupt die Bilder im
allgemeinen erstaunlich hoch bewertet wurden. Unverständ-
lich war es, warum drei mäßige französische Supraporten
mit spielenden Kindern auf 23000 Mark stiegen. Ein wenig
anziehendes Herrenporträt von Leondro Bassano erreichte
10000 Mark. Solche Preise werden nur durch die Suggestion
eines Namens erklärt, der bei der angeblichen Provenienz
aus der Eremitage so wenig seine Wirkung verfehlte wie
im Monat zuvor bei der Versteigerung der Sammlung Six.

*

Die Sammlung Six und die Sammlung Nemes waren die
beiden großen Schlager der Herbstsaison, mit denen die

Firma Mensing dem Ruf ihres Hauses Ehre machte. Die
Versteigerung der Sammlung Six war eine kunsthändlerische
Sensation. Der Name, der mit der Erinnerung an Rem-
brandt eng verknüpft ist, ließ alle nationalen Instinkte der
Holländer erwachen, und obgleich die Bilder keineswegs aus der
Sammlung des berühmten Bürgermeisters stammten, sondern
erst von späten Nachfahren erworben waren, wurde die Pro-
venienz in der Preisrechnung mit hohen Summen einkalkuliert.

Der Name Nemes hat nicht einen solchen Klang. Der
ungarische Sammler ist einer der leidenschaftlichsten Lieb-
haber, einer der sichersten Kunstkenner und zielbewußtesten
Käufer. Aber er besitzt nicht den ungeheuren Reichtum, der
seinem unermeßlichen Kunsthunger entsprechen würde. Er
richtet fürstliche Wohnungen als großartige Museen ein, er
kauft Schlösser und verwandelt sie nach seiner Phantasie in
mäzenatische Residenzen. Aus Leidenschaft für die Malerei
wurde er schließlich selbst Maler, und wie er für alles, was
er anfaßt, ein besonderes Talent beweist, so ist er sogar
talentvoll als Maler. Talentvoll, aber nicht schöpferisch. Und
vielleicht liegt hier auch die Schwäche des Sammlers, den das
Sammeln mehr interessiert als die Sammlung, das Aufbauen
mehr als das fertige Gebäude.

So wurde Nemes zum Marchand-Amateur. Es wäre falsch,
ihn einen Kunsthändler zu nennen. Aber er ist ebensowenig
auch ein reiner Kunstsammler. Nicht aus dem Grunde allein,
weil er gezwungen ist, zu verkaufen, um wieder kaufen zu
können, sondern weil sein Temperament ihm keine Ruhe
läßt, weil er Bewegung braucht, die Sensation des Kaufens
sowohl wie die des Verkaufens. Es gibt darum nicht eigent-
lich eine Sammlung Nemes. Es gibt viele Sammlungen dieses
Namens und keine. Die erste, die ihn berühmt machte, die
einmal unter Tschudi in der Münchener Pinakothek ausge-
stellt war, wurde 1913 in Paris versteigert. Nun ist wieder

iz4
 
Annotationen