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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 5
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Glaser, Curt: Vom Markte Neuer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0241

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ein Geschäft gemacht und der Betrieb aufrechterhalten
werden kann.

Man sucht nach den Gründen dieses Zustandes, der sich
in der Zeit nach der Inflation entwickelt hat, und man
findet sie leicht in der nämlichen spekulativen Einstellung
des Kunstmarktes, die in Paris die Hochkonjunktur erklärt.
Während der Inflation blühte das Kunstgeschäft. Neue
Käuferschichten traten auf. Alles spekulierte mit allem,
und so wurde auch die Kunst in den Bereich der Spekula-
tion gezogen. Früher gab es Leute, die sich lediglich zu
ihrem Vergnügen aus dem Überschuß ihres Einkommens
ein Bild kauften, ohne danach zu fragen, ob ihr Geld gut
angelegt sei. Solche Liebhaber gibt es heute nur noch in
ganz wenigen Exemplaren. Man will nicht für Kunst Geld
ausgeben, sondern mit Kunst Geld verdienen. Auf dem
Pariser Markt ist das möglich, weil er von dem Kapital der
ganzen Welt gestützt wird. Auf dem innerdeutschen Markte
ist es schwierig, weil es ihm an Aufnahmefähigkeit fehlt.
Man hat es bei der Versteigerung der Sammlung Stoperan
und auf einer anderen Versteigerung bei Max Perl erlebt,
wie Bilder bekannter Maler zu Spottpreisen verschleudert
werden, wenn sie zu öffentlichem Ausgebot gelangen. Das
Ergebnis öffentlicher Versteigerungen aber gilt vielen nicht
mit Unrecht als der einzige solide Maßstab für die Bewer-
tung von Kunstwerken.

Man sagt, der Markt für neuere deutsche Graphik sei durch
die Auktionen vollständig ruiniert worden. Das ist ebenso
wahr wie falsch. Wahr ist es, daß die Preise durch das
Bekanntwerden der Auktionsergebnisse tief herabgedrückt
worden sind. Falsch ist es, die Auktionen für eine Ent-
wicklung verantwortlich zu machen, die sie nicht verursacht,

sondern nur sichtbar gemacht haben. Man warnt davor,
das Experiment, das mit der Graphik gemacht worden ist,
mit den Bildern zu wiederholen. Aber was würde geschehen?
Es würde ein Zustand öffentlich enthüllt werden, der auch
heute kein Geheimnis mehr ist. Und es ist die Frage, ob
ohne eine Radikalkur wie diese eine Gesundung des Kunst-
marktes überhaupt noch möglich ist.

Es gibt Zwei Methoden, den Wiederaufbau zu versuchen:
die eine ist die vorsichtig konservative, die andere die
schonungslos radikale. Der eine Weg ist der des Kunst-
handels, der wenige Bilder zu möglichst günstigen Preisen
verkauft, der andere ist der der Versteigerung, auf der eine
möglichst große Zahl von Bildern zunächst um jeden Preis
abgesetzt wird. Auf dem einen Wege wird man versuchen,
die Zahl der Bilder, auf dem anderen die erzielten Preise
langsam zu erhöhen. Aber es hat den Anschein, als sei
der Tag nicht mehr fern, an dem der Kunsthandel seine
Möglichkeiten erschöpft haben wird, und an dem man zu
der Radikalkur sich wird entschließen müssen, vor der alle
beteiligten Kreise vorerst noch zurückschrecken.

Auf einem gesunden Markte müssen Nachfrage und An-
gebot sich einigermaßen die Wage halten. Auf dem Markte
neuer deutscher Kunst — sofern man von einem solchen
überhaupt sprechen kann — besteht ein groteskes Mißver-
hältnis Zwischen einem riesenhaften Angebot zu Preisen,
die nur in Ausnahmefällen bezahlt werden, und einer ge-
ringen Nachfrage, die durch übermäßige Forderungen ab-
geschreckt wird. Die Situation ist klar. Hilfe tut dringend
not. Die Nächstbeteiligten werden sich zu entschließen
haben, welchen Weg sie einzuschlagen gedenken.

DER EVANGELIST JOHANNES. AUS EINER BÖHMISCHEN HANDSCHRIFT
DES 14. JAHRHUNDERTS. Kunsthandlung de burlet, Berlin

SIEBENUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, FÜNFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 15. JANUAR, AUSGABE AM 1. FEBRUAR
NEUNZEHNHUNDERTNEUNUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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