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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 6
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Lamm, Albert: Vor neuen Bildern Max Liebermanns
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0245

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MAX LIEBERMANN, BLUMENBEETE

AUSGESTELLT IM VERLAG BRUNO CASSIRER, BERLIN

alt geworden", sagte er, „und mich beschäftigt
bei meiner Kunst nur noch eines: das Göttliche."
Das war die einfachste Metapher für eine innerste
Angelegenheit, so fühlte man, über die zu reden
ihm nicht liegt. Leiser und zwangloser kam der
andere Satz nach: „Mir ist das ganze Gezänk so
gleichgültig geworden. Das Treiben der Menschen
— was geht mich das noch an"?

Und nun erzählte er weiter; Gedanken über die
Malerei, von denen Einzelheiten er öfters äußert;
aber es war ein erschütternder Ton darin wie ein:
„Wir haben das Ziel nicht erreicht, und die Men-
schen lassen es uns nicht erreichen; niemals wer-
den wir zu ihnen reden können, keiner versteht
uns." Er sprach von der Rangliste der Zeichner des
neunzehnten Jahrhunderts, wie sie vor ihm sich
darstellt. Zuerst der größte nach Rembrandt: Dau-
mier. Dann „eine ganze Weile nichts"; und dann
Menzel. „Menzel hat in der langen späteren Periode
seines Schaffens keine Liebe zu den Dingen ge-
habt. Es ist scharf, interessiert, geistreich; aber er

fügt sich trotz aller Kraft; und er ist lieblos." Und
dann aus diesem Munde: „Die Liebe ist alles in
der Kunst. Ohne Liebe kann man nichts malen.
Man kann keinen Grashalm malen, wenn man ihn
nicht liebt."

Und dann bäumte es sich in ihm auf, und er
sprach Dinge aus, die zu wiederholen niemand ein
Recht hat. Auch die Sprache nicht hat. Aber wer
ein paar Jahrzehnte lang mit dem öffentlichen
Kunstgeschwätz sich nicht verständigen konnte,
den konnte diese Aussprache glücklich machen.

Das neunzehnte Jahrhundert entwickelt die
große Tragödie alles Künstlertums, in deren Peri-
petie wir augenblicklich stehen. Am neunzehnten
Jahrhundert ist nur eines echt: die Rationalisierung
des ganzen Lebens, wofür alle anderen Werte ge-
opfert werden. Die seelische wie die geistige Er-
ziehung wurde unter Zwecke gestellt. Alle see-
lischen Lebenswerte wurden gefälscht und ver-
giftet, um vom Innersten heraus das ganze Men-
schenwesen nur vom realen Erfolg und von der

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