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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 6
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Lamm, Albert: Vor neuen Bildern Max Liebermanns
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0251

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dings nie geglaubt, daß Denken zum Malen viel
nützt, und hat nur die Wege seinem reinen künst-
lerischen Fühlen frei gehalten. Den entscheidenden
Gehalt des Kunstwerks intellektual erarbeiten zu
wollen, in diesen Irrtum konnte er nicht verfallen.
Kunst ist irrational; Kunst geht aus dem ganzen,
intellektual unfaßbaren Menschen hervor, aus seinem
Leben als dem Suchen nach Inhalt und Ziel. Die
Realität zu ändern durch gemalte Predigten, der
Realität ein Absolutes gegenüberzustellen — das ist
für den wissenden Menschen nichts als Torheit.
Kunst ist der Beweis der Freiheit eines reinen
Herzens; diese Freiheit ist um so stärker, je mehr
sie sich bewährt vor einer widersprechenden Um-
welt. Die Kraft der Umwelt in sich überwinden,
dem Widerspruch so überlegen sein, daß man sein
Herz auch in einer Welt sich ausleben läßt, die
von Herz und Innerlichkeit nichts wissen will:
das ist ein Beweis der Kraft. Der innere Mensch

muß ringen mit Gott und Welt, bis das Wunder
der Liebe sich vollziehen kann. Nur von diesem
inneren Zustand hängt die Kraft dessen ab, was
der Künstler schafft. Es ist das Wort Faustens:
Du bleibst doch immer, der du bist — das gilt von
jedem Kunstwerk. Eine innerlich leere Malerschaft
konstruiert vergebens die beweglichsten Bilder; ein
innerlich starker Künstler bewahrte sich am ein-
fachsten. Wem es gelingt, in dieser Welt zu finden,
woran sein Herz mit ganzer Liebe hängt, woran
die Kraft Gottes und die ewige Macht sich ihm
offenbart: aus dessen Werk redet wieder von
neuem das Uberweltliche, Ubermenschliche, von
dem niemand begreift, daß ein armer Mensch es
geschaffen hat. Denn — „diese Welt — ach,
meine Brüder, ihr kennt sie ja!"

So bleibt uns Liebermann ein Führer zum
Höchsten.

MAX LIEBERMANN, GÄRTNERHAUS

AUSGESTELLT IM VERLAG BRUNO CASSIRER. BERLIN

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