Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Dormoy, Marie: Jacques Doucet
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0263

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HENRI ROUSSEAU, DER SCHLANGENBESCHWÖRER

SAMMLUNG DOUCET. MIT ERLAUBNIS DER D.D.A.

seine Sammlertätigkeit; sie haben seiner Persönlichkeit den
Stempel aufgedrückt.

Schon in früher Jugend zeigte sich seine Vorliebe für
die geistigen Werte. Als er eines Tages in der Umgebung
von Saint-Germain spazieren ritt, sah er einen Maler vor
seiner Staffelei sitzen. Da das Bild, an dem er malte, ihn
interessierte, erkundigte er sich nach dem Preis.

„300 Franken."

„Das ist nicht teuer."

„Jeder sagt das," antwortete der Maler in mürrischem
Ton, „aber kaufen will keiner."

„Doch, ich will kaufen", sagte ohne eine Sekunde des
Zögerns Jacques Doucet.

Der Maler war Raffaelli.

Dieser allzeit wache Spürsinn, der auf Seltenheiten fahn-
det, diese Sammlerleidenschaft führte Jacques Doucet dazu,
alles aufzustöbern, was mit dem achtzehnten Jahrhundert in
Zusammenhang stand, zu einer Zeit, da das große Publikum
von der Existenz solcher Dinge noch nichts ahnte. So schuf
er eine einzig in der Welt dastehende Sammlung, deren
Pracht noch in vieler Gedächtnis lebt.

Als Rahmen für diese Schätze erbaute er sich in der Rue
Spontini ein Palais ganz im Geschmack des achtzehnten Jahr-
hunderts, das nun all diese seltenen und unvergleichlichen
Möbel und Kunstwerke beherbergte. Eine stolze Sammlung!
Sie umfaßte nicht weniger als neun Chardins, unter denen
sich „Le faiseur de chäteaux de cartes" und „Die Seifen-
blasen" befanden; elf Werke von Hubert Robert mit dem
„Park von Saint-Cloud", den „Wäscherinnen", dem „Brand
der Oper"; sechs Fragonards, sieben Guardis, den Porträts
des Herzogs und der Herzogin von Alba von der Hand Goyas;
die Bildnisse des Herrn und der Frau Blondel dAzincourt

von Perronneau. Von La Tour elf Pastelle,
unter denen sich die Porträts von Duval de
l'Epinoy, vom Marschall de Belle-Isle und von
Grimod de la Reyniere befanden, von Perron-
neau den Grafen de Bastard, Abraham van
Robais, Jacques-Charles Dutillieu. Daneben
Gouasches von Beaudoin, Zeichnungen von
Fragonard und Watteau, die ganze Folge
der „Hochzeitsfeierlichkeiten für Marie-An-
toinette" von Moreau dem Jüngeren, sowie
das hochmütig lässige Bildnis der Mlle Du-
fresne von Prudhon. Die Plastik war durch
zehn Clodions und mehrere Houdons ver-
treten, unter denen die Porträts seiner Töch-
ter Sabine und Claudine durch ihre Anmut
die Blicke der Beschauer fesselten.

Diese Sterne erster Größe waren von vie-
len anderen umgeben, die zwar nicht so glän-
zend waren, aber immerhin einen hohen
Kunstwert besaßen. Und unter diesen Meister-
werken standen Wunderdinge der Kunst-
tischlerei und der Marketterie, die die Na-
men Roentgen, Leleu, Riesener und Carlin
trugen.

Abgesehen aber von dem hohen Niveau
und mehr noch als durch ihren eigent-
lichen Wert wurde diese Sammlung zu einem
Unikum durch das vollendete Stilgefühl, mit dem sie an-
geordnet war. Nicht allein der Besitz von Werken, die die
größten Namen zieren, ist entscheidend, auch ihre Anord-
nung spielt eine wichtige Rolle: das eine Kunstwerk darf
das andere nicht beeinträchtigen, ein jedes muß in seinem
vollen Glanz erstrahlen, ohne jedoch seine Nachbarn zu ver-
dunkeln. Und diese Vollendung des Arrangements fand man
in der Rue Spontini, wo man wirklich das Gefühl hatte, bei
einem großen Herrn der Regence-Zeit zu Gaste zu sein, wo
jeder Gegenstand so zu seinem Recht kam, als lebte man
in den Zeiten des Schachbretts, der Lichtputzschere, des
Trictracs usw.

Einige Jahre später entschloß sich Jacques Doucet, teils
aus persönlichen Gründen, teils weil seine aktive Natur
mehr Befriedigung darin findet, Neues zu schaffen, als etwas
Abgeschlossenes zu genießen, seine Sammlung zu verkaufen

Diese Auktion wuchs zu einem großen Pariser Ereignis
an; zum erstenmal mußten die Plätze dafür reserviert wer-
den. Einige Tage vorher hatte der Bankier Loewenstein,
dessen mysteriöser Absturz aus seinem Flugzeug in den Kanal
kürzlich so großes Aufsehen erregte, ein Gebot gemacht,
das Palais und die Sammlung en bloc zu erwerben, was aber
von Jacques Doucet abgelehnt wurde.

Am Tage der Auktion, die bei George Petit stattfand,
sah man in dem Saale alles vereinigt, was in Paris als Samm-
ler oder als Kunstliebhaber Namen hatte. Es herrschte eine
fieberhafte Erregung, und die Gebote stiegen auf bis dahin
unerhörte Summen. Es war ein so sensationelles Ereignis,
daß die Zeitungen an erster Stelle darüber berichteten, und
bis in die Dachkammern stieg die Wundermär, daß das Por-
trät der Duval de l'Epinay von Latour, das auf 300000 frc.
geschätzt war mit 600000 frc. verkauft worden sei, daß eine

234
 
Annotationen