Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929
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Heft 7
DOI Artikel:Steinbart, Kurt: Richard Scheibe zum 50. Geburtstag
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RICHARD SCHEIBE, AFFE. BRONZE
der geformten Masse und dem Umriß gebracht
und ist die Kontinuität der gewünschten Ansicht
gewahrt. Während aber früher das Blockmäßige
der fast architektonisch gefühlten Figur im Vorder-
grunde der Bemühungen stand, so daß zum min-
desten eine Hauptansicht vorherrschend blieb, ge-
langte Scheibe im letzten Jahrzehnt stetig zur drei-
dimensionalen Rundung der Skulptur. Und damit
gleichzeitig zu solcher Präzision des Organischen,
daß die frühen Arbeiten erfolgreich überholt er-
scheinen. Die zahlreichen köstlichen kleinen Bron-
zen und Terrakotten von Affen, Bären, Hunden,
Pferden legen Zeugnis davon ab, wie mit Hilfe
einer scharfen Beobachtungsgabe die Massen ab-
gewogen und aufeinander bezogen sind. Die ma-
lerische Oberflächenbehandlung, in der Gaul Mei-
ster war, ist bewußt vermieden. Fast jedem Auf-
trag ist Scheibe gerecht geworden. Seine bekann-
testen öffentlichen Arbeiten: das Denkmal für die
Gefallenen der Höchster Farbwerke und das Denk-
mal zum Gedächtnis Friedrich Eberts an der Pauls-
kirche zu Frankfurt a. M. bieten eindeutigen Auf-
schluß über die erstrebte und erzielte Lösung.
In Höchst eine Huldigung an die Toten, indem
— ein selten schöner Gedanke — der Wiederbe-
ginn der Arbeit durch die mächtige Figur des
Arbeiters, der den Ärmel des Kittels hochgestreift
hat, zum Ausdruck gelangt; in Frankfurt eine
nackte, sehnige, männliche Gestalt, die einen Arm
hoch emporhebt, als heische sie Gefolgschaft. Kein
billiges Attribut erschließt von außen her den
Sinn, nichts Psychologisches spricht aus Miene
und Haltung, nur die plastische Form ist Leiter
und Träger inneren Gehaltes. Diese höchste Sach-
lichkeit rührt an Bestrebungen Jüngerer; sie wirkt
nur reifer und abgeklärter als deren mehr pro-
grammatische Leistungen.
Möge Scheibe in der eingeschlagenen Rich-
tung, unbeirrbar von der Tagesmeinung, seine Be-
gabung noch an mancher Aufgabe erproben und
sich in der Werkarbeit die geistige Intensität er-
halten! Das würde die Erfüllung seiner Lebens-
aufgabe und unserer Hoffnungen bedeuten.
RICHARD SCHEIBE, STEHENDER KNABE. BRONZE
*75
der geformten Masse und dem Umriß gebracht
und ist die Kontinuität der gewünschten Ansicht
gewahrt. Während aber früher das Blockmäßige
der fast architektonisch gefühlten Figur im Vorder-
grunde der Bemühungen stand, so daß zum min-
desten eine Hauptansicht vorherrschend blieb, ge-
langte Scheibe im letzten Jahrzehnt stetig zur drei-
dimensionalen Rundung der Skulptur. Und damit
gleichzeitig zu solcher Präzision des Organischen,
daß die frühen Arbeiten erfolgreich überholt er-
scheinen. Die zahlreichen köstlichen kleinen Bron-
zen und Terrakotten von Affen, Bären, Hunden,
Pferden legen Zeugnis davon ab, wie mit Hilfe
einer scharfen Beobachtungsgabe die Massen ab-
gewogen und aufeinander bezogen sind. Die ma-
lerische Oberflächenbehandlung, in der Gaul Mei-
ster war, ist bewußt vermieden. Fast jedem Auf-
trag ist Scheibe gerecht geworden. Seine bekann-
testen öffentlichen Arbeiten: das Denkmal für die
Gefallenen der Höchster Farbwerke und das Denk-
mal zum Gedächtnis Friedrich Eberts an der Pauls-
kirche zu Frankfurt a. M. bieten eindeutigen Auf-
schluß über die erstrebte und erzielte Lösung.
In Höchst eine Huldigung an die Toten, indem
— ein selten schöner Gedanke — der Wiederbe-
ginn der Arbeit durch die mächtige Figur des
Arbeiters, der den Ärmel des Kittels hochgestreift
hat, zum Ausdruck gelangt; in Frankfurt eine
nackte, sehnige, männliche Gestalt, die einen Arm
hoch emporhebt, als heische sie Gefolgschaft. Kein
billiges Attribut erschließt von außen her den
Sinn, nichts Psychologisches spricht aus Miene
und Haltung, nur die plastische Form ist Leiter
und Träger inneren Gehaltes. Diese höchste Sach-
lichkeit rührt an Bestrebungen Jüngerer; sie wirkt
nur reifer und abgeklärter als deren mehr pro-
grammatische Leistungen.
Möge Scheibe in der eingeschlagenen Rich-
tung, unbeirrbar von der Tagesmeinung, seine Be-
gabung noch an mancher Aufgabe erproben und
sich in der Werkarbeit die geistige Intensität er-
halten! Das würde die Erfüllung seiner Lebens-
aufgabe und unserer Hoffnungen bedeuten.
RICHARD SCHEIBE, STEHENDER KNABE. BRONZE
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