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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 9
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Eberlein, Kurt Karl: Hundert Jahre Berliner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0365

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MENZEL, KUSS UNTER DEM MISTELZWEIG. ZEICHNUNG

MIT ERLAUBNIS VON F. BRUCKMANN A.-G., MÜNCHEN

wertung dieser bedeutenden, wenig geklärten Kunst-
schule. Vielleicht macht die Stadt Berlin doch bald
einmal die Unterlassungssünden gut, die bisher im
Sammelwesen geschehen sind, und vielleicht er-
möglicht auch diese unter Leitung von Prof. Schlich-
ting gestaltete Ausstellung des neu aufblühenden
Vereins die noch ungeschriebene Geschichte der
Berliner Kunst. Ich will zunächst nur die Kunst
der historischen Abteilung überblicken (die Prof.
Kern, Prof. Mackowsky, Frl. Dienstfertig und ich
zusammengestellt haben), denn die inhaltsreiche
moderne Abteilung verdient eine eigene Abhand-
lung. Aus der Fülle der Namen und des Materials
sei hier eine Gliederung dieser Schule versucht,
die trotz mannigfacher zeitbedingter Einflüsse doch
einen eigenen Charakter und Entwicklungen offen-
bart, die für die deutsche Kunstgeschichte wesent-
lich sind.

Schadows Akademie vertrat die Berliner Tradi-

tion des achtzehnten Jahrhunderts mit ihrem
gesunden akademischen Realismus, und Goe-
thes Angriff gegen diese „neue märkische
Ästhetik" und gegen die patriotische Kunst
dieser „wirklichkeitfordernden Kalibane" fand
durch Schadow selbst Erwiderung und Gegen-
beweis. Maler wie Weitsch, Ternite, Kretsch-
mar, Kolbe, Daehling, Hummel zeigen das
sichere Handwerk dieser akademischen Lehre,
die der Bildnistreue auch in der Landschaft
zuneigt. Von Dresden her bringt Friedrichs
romantische Landschaftskunst 1810 nach Berlin
eine erfolgreiche „Induktion", die besonders
Schinkel in seine Bild- und Panorama-
Malerei aufnimmt, an Ahlborn, Schirmer,
Blechen und Gropius vermittelt und auch der
Theaterdekoration zuführt. Die dem Pano-
rama verpflichteteDekorationsmalerei des Gro-
pius bildet nicht nur den in Dresden für die
Romantik gewonnenen Blechen und den Ma-
rinemaler Krause, sondern auch den bedeu-
tendsten Architekturmaler Berlins, Eduard
Gaertner, der den gleichstrebenden Graeb
und Klose wie auch dem späteren Wilberg
weit überlegen ist. Den gleichen, feinen, ein-
dringenden Realismus zeigt der Bildnis-
und Pferdemaler Krüger, der, wie Gaertner
durch Paris gefördert, durch seinen Schüler
Steffeck, den Lehrer Liebermanns, in die
Neuzeit fortwirkte und somit die „Filia-
tion" deutlich macht. Auch die Begasschule, die
neben der Klöber- und Henselschule die besten
Kräfte bildete, übermittelt einen gepflegten Realis-
mus der Bildnis- und Genremalerei. Es ist anregend
zu verfolgen, wie sich in den Berliner Künstler-
familien der Schadow, Begas, Arnold, Hübner,
Meyerheim u. a. gewisse Stiltendenzen fort- und
umsetzen. Gleichzeitig mit der Romantik dringt
das neudeutsche Kunstwesen, das dem modischen
Mittelalter viel verdankt, in Berlin ein und erhält
1819 durch die Deutschrömer Wilhelm Schadow und
Wach eine wirksame Verjüngung. Wach bleibt in
Berlin als Lehrer einer eigenen Schule guter Bildnis-
maler wie Daege, Henning, Hopfgarten; Schadow
aber zieht als erfolgreicher Lehrer mit seinen Ber-
liner Schülern 1826 an die Düsseldorfer Akademie,
deren große Schule durch Geschichts- und Genre-
malerei führend wird, während der Direktor selbst
seiner religiösen Kunst treu bleibt und die Monu-

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