Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Neue Arbeiten Rudolf Grossmanns
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0420

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
RUDOLF GROSSMANN, LANDSCHAFT AUS BADEN-BADEN

so vor sich hin; ein großer Zug ist nie zu spüren.
Dafür legt er in seine halb zufällig entstehenden,
in seine etwas amateurhaft anmutenden Arbeiten
eine eigene Liebe (mit leicht diabolischen Zügen),
einen nicht erzwungenen, sondern natürlich ge-
wachsenen Geschmack, eine feine und kluge Kultur,
einen Esprit ohne jede Geistreichelei und ein zwar
schwankendes, im Gelingen aber ungemein künst-
lerisches Gefühl für die Materie. Großmanns Kunst
hat Nerv ohne nervös zu sein. Sie tritt vor den
Betrachter ein wenig leichtsinnig hin, ein wenig
ODenhin; dahinter aber ist ein Arbeitsernst am
Werk, der mehr wert ist als das stiere Arbeiten
nach Tendenz und Weltanschauung. Sehr klug ist
Großmanns Kunst, doch hält sich diese Klugheit
zurück; und sie ist sogar noch liebenswürdig, wo
sie grimassiert. In Wahrheit travestiert Großmann,
vor allem als Zeichner, immer irgendwie seine
Modelle, er zieht sie ironisch lachend herab und
gibt sie dem Spott preis; aber er ist nichtsdesto-
weniger in die Erscheinung verliebt. Er kann das An-
mutige grotesk, das Groteske aber auch anmutig
machen. Ein Eulenspiegel steckt in ihm; und ihm
ist alle Unschuld dieser neckenden Gestalt eigen. Kein
großer Gestalter, sogar ein etwas dünnes Naturell;
aber ein reiner und ein echter Künstler. Ein künstle-
rischer Mensch in jeder Lebensregung. Das verleiht
ihm den Wert, und nicht nur einen Seltenheitswert.
Amüsant alsKünstler und alsMensch.Wo Großmann-
Anekdoten erzählt werden, da gibt es Gelächter.

Eines Tages nahm Hans Purrmann sich Groß-
manns an; er erklärte ihm die Ideen von Matisse
und lehrte ihn Grundzüge eines modernen Koloris-
mus. Großmann begriff schnell und klug. Uber
Nacht wurde er ein Kolorist im Diminutiv. Das
aber veränderte das Wesen seiner Malerei im
Grunde nicht im geringsten. Er fährt fort seine
kleinen Bilder zu malen, zu stricheln, hier mit
einer zarten Wahrheit zu überzeugen, dort durch
merkwürdig schlagende Formen und Farben zu
überraschen, zu frappieren, und an anderen Stellen
wieder im Ungefähr zu verharren. Seine dünne
Malerei sieht aber ängstlicher aus als sie ist, sie
bleibt spontan, sie bewahrt stets den ersten Eindruck
und ist selbst im Mühsamen leicht. Wenn er das
Modell gut kennt, meistert er selbst das größere
Format, was das hier abgebildete Damenbildnis be-
weist. Die Dargestellte will vielleicht nicht viel da-
von wissen; doch die Kunst läßt es entschieden
gelten. Es kommt öfter vor, daß Menschen — vor
allem die, die auf „Würde" halten — Großmann
zürnen, wenn sie sehen, was der Zeichner, der
Maler, der Kunstschriftsteller aus ihnen gemacht
hat. Sie haben Unrecht. Dieser Unwille spricht
mehr für als gegen Großmann. Er beweist, daß
getroffen worden ist.

Ganz unerwartet begann der Maler vor einiger
Zeit auch zu modellieren. Kleine Köpfe, die er
leicht bemalt, einen Hund, einen Affen und der-
gleichen. Es wäre lächerlich, Großmann auf Grund

\

RUDOLF GROSSMANN, BLICK AUS DEM BERLINER ATELIER

391
 
Annotationen