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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 10
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Ahlers-Hestermann, Friedrich: Fritz Friedrichs 1882-1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0427

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gegen Akademien in dieser Zeit gewiß berechtigt war, hatte
uns allerdings in diesem Sinne und im Format seiner gleich-
falls mit Recht geliebten Biedermeiermaler so projektiert
und sah nicht ohne Mißtrauen die Aufregung, in die uns
die großen Werke der Franzosen versetzten, die Cassirer
damals fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Hamburg
zeigte, eine Erregung, die unterstützt wurde durch seinen
Widersacher Thomas Herbst, der von den Taten Delacroix'
und der Fontainebleauer berichtete wie von Sagen einer
größeren waffenklirrenden und helmbuschglänzenden Vorzeit.
AuchMeier-Graefe trugdazubei; seine Entwicklungsgeschichte
der modernen Kunst mit ihrem hinreißend jugendlichen
Rhythmus wurde von uns verschlungen wie ein Roman. Fried-
richs war die stärkste logische Intelligenz unter uns, von
grausamer Denkschärfe gegen sich und andere, womit sich
eine spielende literarische Phantasie verband, die sich in
Witz und Ironie äußerte. So hielt er uns alle in seinem
Bann, obgleich er nicht der „glänzend Begabte" des Kreises
war (das war Nölken), im Gegenteil, er quälte sich sehr mit
seinen Arbeiten, suchte, verdarb, verwarf. Er war keineswegs
jene typische Erscheinung der Ateliers, die, frühreif und
virtuos, von den Kollegen bestaunt, meist auch zu frühem
Verdorren bestimmt sind oder das entsetzliche Leben des
verkannten Genies führen müssen, großsprecherisch, sich und
andern zur Last. Es wär nie etwas „Kunstmalerhaftes" an
ihm. Ein großer Charakter war er, der sein schweres Leben
und Leiden wie etwas Selbstverständliches getragen hat, nie-
mals einen Kompromiß geschlossen, sich vor niemandem
gebeugt, keinen Erfolg angestrebt und als wertsetzend an-
erkannt hat, eisenstirnig, einsam und unbestechlich den Blick
auf das große, vorschwebende Ziel gerichtet. Eine Atmo-
sphäre von Reinheit, ja von menschlicher Größe umgab ihn,
und er war für uns alle so etwas wie ein mahnendes Ge-
wissen. Es war nicht immer leicht, mit ihm befreundet
zu sein. —

Wir waren vier, Nölken, Rosam, Friedrichs und ich. Als
fünfter kam zeitweise der junge Bromberg hinzu, meteoren-
haft, blendend als Mensch und Malerbegabung. Er kam, uns
von Kindheit bekannt, aus dem Fremden und Fernen, aus
jenem München, vor dem Lichtwarck so warnte, hatte dem
Jawlensky- und dem Stefan George-Kreis angehört, war auch
in dem sagenhaften Paris gewesen, kannte mit seinen zwei-
undzwanzig Jahren alles, schien aber, bescheiden und hoch-
mütig zugleich, dem keine besondere Bedeutung beizumessen.
Er war vielleicht der einzige Mensch zeitlebens, dem Fried-
richs sich untergeordnet und dessen Überlegenheit er an-
erkannt hat. Er entschwand uns und starb noch vor dem
Kriege durch eigene Hand. Aber er hatte den Hauch des
Draußen so fühlbar zu uns getragen, daß unsere Unruhe,
unsere drängende Frage: Wie weiter?, sich zu dem Entschluß
verdichtete, nach Paris an die Quellen zu gehen. In Paris,
hofften wir dunkel, würden wir etwas wie die Parole, das
Stichwort der Zeit vernehmen, das, wonach wir uns sehnten:
Ordnung, Gesetz. Denn jetzt, aus der Perspektive von fünf-
undzwanzig Jahren, sieht die damalige Zeit schon ganz klar
und übersichtlich aus, aber damals hießen die großen Er-
folge noch nicht Cezanne und van Gogh, sondern etwa Stuck
und Zuloaga, Klinger und Sascha Schneider, Besnard und
Lucien Simon, Klimt und Zorn usw., alles ungefähr auf

einem Plan. Wie wir uns in Paris zurecht fanden, habe ich
an anderer Stelle in diesen Blättern zu erzählen versucht.

Friedrichs aber konnte nicht mitkommen, er mußte zu
Hause bleiben, weil die Mittel fehlten. Er bekam nun „brief-
lichen Unterricht" von uns dreien, er schickte auch seine
Aktzeichnungen an Nölken, und der sandte sie ihm mit
Korrekturen zurück, die seine bei Henri Matisse neuerwor-
benc Weisheit enthielten.

Die kleine Auswahl von Bildern in der Gedächtnis-
ausstellung, die vor dieser Periode entstanden sind und die
sich als Jugendarbeiten charakterisieren, zeigt nur die ver-
hältnismäßig reiferen Ergebnisse, während das Ringen jener
Zeit meist in den mißglückten Arbeiten steckte. So sehen
wir respektable Figurenbilder, deren Motive dem häus-
lichen Kreise entnommen sind und die nicht nur dadurch
an Kalckreuth etwa gemahnen. Das Suchen nach dem Far-
bigen ist noch mehr von außen darauf getan als vom Bild,
von der Leinwand her koloristisch entwickelt. Die Land-
schaften spiegeln die ersten Entzückungen vor Sisley wieder.
Es fehlen dagegen die merkwürdigen Ausflüge ins Rem-
brandthafte oder Versuche wie die lebensgroße, mit ungeheu-
rem Farbaufwand gemalte Ermordung des Agamemnon. Diese
Zeit reicht von den Studienjahren bei unserm gemeinsamen
Lehrer Siebelist (1902—1905) — der Zeit voll glücklicher
Tage unter dem Glasdach des Ateliers wie vor spiegelnden
Flüssen, vor strohgedeckten Bauernhäusern, auf Kuhweiden
in praller Sommersonne und abgeernteten Feldern im schwer-
farbigen Herbst — von diesen Studienjahren bis 1910 etwa,
als die Nölkenschen Korrekturen und damit die Suche nach
dem „modernen Mittel" begann. Friedrichs wird hart, hart
auf den klaren trockenen Bildern und hart gegen sich selbst.
Es war eine hygienische Maßnahme, die ihre Frucht ge-
tragen hat, und diese sah dann freilich ganz anders aus als
die spröde und nicht sehr wohlgestaltete Knospe. Im Jahre 1912
kam er selbst für ein paar Wochen nach Paris. Das einzige
Mal. Er fühlte sich dort sehr glücklich, war aber gar nicht
überrascht, er konstatierte eigentlich nur die Identität der
Wirklichkeit mit seinem Vorstellungsbilde. Seine Intuition
hatte das Richtige geahnt, das Wertvolle erkannt.

Das Leben war für ihn nicht milde gewesen, und er
hat bis an sein Lebensende nie auch nur eine beschei-
dene materielle Sorglosigkeit gekannt. Thomas Herbst,
der sein Talent früh gewittert hat, hatte versucht ihn in
die Gesellschaft als Porträtmaler einzuführen, was lauter
Katastrophen ergab. Diese — gutgemeinte — Quälerei, die
nutzlose Verteidigung seiner künstlerischen Idee gegen die
unausgesprochene Forderung des Auftraggebers, hatte auf
Friedrichs solchen Eindruck gemacht, daß er später niemals
mehr einen Auftrag angenommen hat. Bald nach den glück-
lichen Tagen in Paris fiel ihn die Krankheit — ein Lungen-
leiden — das erste Mal mit aller Härte an. Kaum war er
leidlich genesen, da brach der Krieg aus. Rosam, derjenige
von uns, der kraft seines logisch-kritischen Denkvermögens
und seiner überwiegend farbigen Begabung Friedrichs am
nächsten gestanden hatte, fiel schon im ersten Kriegsjahr,
Nölken dann später, wenige Tage vor dem Waffenstillstand.
Friedrichs wurde unbegreiflicherweise als Arbeitssoldat nach
Polen geschleppt, mußte schwer krank und von Ungeziefer
zerfressen zurücktrausportiert werden und lag lange Monate

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