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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 10
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Ahlers-Hestermann, Friedrich: Fritz Friedrichs 1882-1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0430

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anzuzweifeln. Es wurde dem Zuhörer schwer, sich diesem
Wunsche zu fügen. Denn die letzte Phase des Todgeweihten
war eine fast restlose Hingabe an Renoir; den einsamen,
menschenverachtenden Norddeutschen unter dem Regen-
himmel Hamburgs ließ die Sehnsucht nach des Südens
strahlendem Glanz — den er nie gesehen hat —, in den
saphirschimmernden Zaubergärten des weltfreundlichsten der
großen Franzosen wandeln. Und wenn ihm auch noch manche
trotzdem bezaubernde Leinwand geglückt ist — vor allem
Blumen, Blumen in Fülle, auch ein reizendes Kinderbildnis
mit Puppe —, so darf doch Freundespietät nicht verhindern
zuzugeben, daß hier die von Friedrichs beabsichtigte Haltung
der Nachfolge überschritten ist und zur Selbstaufgabe geführt
hat. Ganz nahe vor dem Ende scheint ihm diese Einsicht
gekommen zu sein, denn in den letzten unvollendeten Lein-
wänden kündigt sich wieder Eigenes an — da kam der Tod.

Friedrichs hatte zumal früher viel geschrieben, aber er
hat letztwillig verfügt, daß der größte Teil der Manuskripte
(darunter ein autobiographisches Romanfragment „Die Zwan-
zigjährigen") ungelesen vernichtet werden solle. In dieser
Zeitschrift (Jahrgang XIX, Heft 10) ist jedoch einmal ein höchst
geistvoller kleiner Briefdialog mit einem — fingierten — jun-
gen Kunsthistoriker von ihm erschienen, wo wir einen über
alle Redespiele hinaus ergreifenden Blick auf den arbeitenden
Maler Fritz Friedrichs tun können. Daher möchte ich die
Stelle hier zitieren:

„Zum Schluß noch eine Definition des Künstlers, die
Dein gedankenloses Genießen von jetzt ab wie ich hoffe
nicht ohne geistige Störung läßt. Ein Künstler ist ein Mensch,
der wie ein Geschundener von einer ganz besonderen Schmerz-
empfindlichkeit ist und mehr Verdruß, Ärger, Pein, Qual,

Folter bis Zum Rasendwerden erduldet als irgend ein anderer.
Um diese Qual, die ihm, wenn er Maler ist, sein Auge be-
reitet, einigermaßen zu paralysieren, umgibt er sich mit im-
mer anderen vermeintlich schönen und wohltuenden Dingen.
Da aber all diese Gegenstände nur anfangs kühlen, lindern,
beruhigen, um ihn dann um so hinterlistiger heimzusuchen,
so spannt er sich schließlich wie zur Beschwörung eine reine
Leinwand auf einen Rahmen. Aber auch da nur kurze Täu-
schung. Um das schnell feindlich werdende Weiß und die
ihn in sich ziehende Leere zu bewältigen, setzt er Flecken
und Flächen in immer neuen Brücken quer von unten nach
oben über diesen Abgrund, neue Flecken, um ihn auszu-
füllen und zu überspannen und immer wieder erfährt er
schlimmere Schrecken, Ängste, Tode, dann wieder halbe
Auferstehungen und Erweckungen, sogar Aussichten, kurze
Lichtblicke, neue Stürze, bis er ermüdet, stumpf gemacht
durch wochenlange Märsche, Angriffe, Rückzüge, Abbrüche,
Neuauf bauungen, fiebernd und gleichgültig dies Feld seiner
Tränen verläßt: das Bild ist fertig."

Nun, das ist keine Rhetorik, so hat er gearbeitet, schon
als Jüngling und bis zu den letzten Pinselstrichen, und ich
halte dafür, daß soviel Hingabe, soviel tiefes Wissen um
die Kunst, daß die Ausstrahlung eines so reinen und konse-
quenten Lebens nicht ohne ein Ergebnis geblieben sein
kann, welches uns einen Hauch dieses seines inneren
Adels vermittelt. So geht dann etwas aus von diesen
Bildern, das nicht nur von einem Wissenden darauf ge-
malt ist, sondern das von jenseits der Leinwand herkommt,
von dort, woher alles kommt, das man wirklich und mit
Recht „Kunst" nennen darf: Aus der reinen Seele eines
echten Künstlers!

FRITZ FRIEDRICHS, KIND MIT PUPPE. 1925

AUSGESTELLT IM KUNSTVEREIN HAMBURG

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