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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 11
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Glaser, Curt: Pariser Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0483

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Punkt erreicht. Die Pariser Händler moderner Malerei —
zu der die Werke der Impressionisten längst nicht mehr
zählen, sie werden teurer und teurer — klagen über stok-
kenden Geschäftsgang. Das Tempo hat sich verlangsamt.
Das bedeutet eine Gefahr. Denn wenn der Abfluß stockt,
droht bei dem ständig gleich großen Zufluß neuer Ware
eine bedenkliche Stauung. Man denkt an die verstopften
Straßen der mit Autos überfüllten Stadt Paris, in denen der
Verkehr sich heute bereits durch seine eigene Dichtigkeit
aufzuheben beginnt.

Nach außen hin war den jüngsten Versteigerungen mo-
derner Kunst noch nichts von dieser drohenden Stagnation
anzumerken. Die Preise hielten sich auf der nun schon
gewohnten Höhe. Nur daß allerdings das erregende Moment
sensationeller Überraschungen fehlte. Ein paar Beispiele
mögen es zeigen.

In der Versteigerung der Sammlung eines Engländers
am 29. Mai erzielten Bilder von Matisse und Bonnard die
höchsten Preise. In tausend Frank gerechnet, zahlte man für
Stilleben Bonnards 63 und 59, für ein Damenbildnis 60, ein
Mädchen in der Badewanne 78,5, ein Interieur mit einer
Schneiderin 100. Ein Gartenbild von Matisse stieg auf 107,
eine Landschaft auf 64,5. Pariser Ansichten von Marquet
brachten 21 und 25,6, ein Interieur von Vuillard 40,3, eine
Gouache von Rouault 13,8, eine Flußlandschaft von Sisley
110. Billig sind noch die kleinen Ölstudien von Renoir, die
für 6—9, im Höchstfalle 20 zu haben waren. In einer anderen
Versteigerung am 6. Juni brachten Bilder der Laurencin
14—15, Straßenansichten von Utrillo 10, 15 und 19, ein
Frauenkopf von Derain 7, ein Bild von Dufy, der neuerdings
sehr geschätzt und hoch (bis etwa 40) bezahlt wird, 10, Land-
schaften von Marquet 3 bis 11. Die Sammlung des Malers
ZoubalofF, die am 30. Mai bei Georges Petit versteigert wurde,
enthielt nur wenig hervorragende Stücke. Sie war sehr reich
an Arbeiten Baryes, von dem ein Aquarell 29, charakteristische
Tierbronzen 43, 53 und 73 brachten, während die Preise für
weniger bedeutende Stücke bis auf 6 hinuntergingen. Ein
Marmor von Rodin, eine Danaide, halb im Stein, kostete
übrigens nur 76. Sehr hoch war der Preis für eins der schmalen
Stilleben von Braque, das 50 brachte, ein kubistisches Stil-
leben von Juan Gris kostete 10, eine Architektur von Leger
15, Aquarelle von Signac 1,5 bis 3,4.

Mit der Sammlung Gustave Cahen, die in drei Abteilungen
versteigert wurde, und der Sammlung Emile Straus kam eine
außerordentlich große Zahl von Aquarellen und Bildern Bou-
dins zum Verkauf, die zum Teil erstaunlich hoch bezahlt
wurden. Besonders beliebt sind die Strandbilder mit reicher
figürlicher Staffage. Man sieht in diesen Bildern eine Art
Fortsetzung der Gesellschaftsbilder des Dix-huitieme und be-
ginnt sie demgemäß zu bewerten. Es wurden bei Straus
Preise von 132 und 148 für solche Bilder, bei Cahen sogar
160, 205 und 325 bezahlt, während die Seestücke mit etwa
30 bis 70 bewertet wurden. Aquarelle des Künstlers kamen
bis auf 6. In der Sammlung Straus wurde eine prachtvolle
Bisterzeichnung Fragonards mit 500 am höchsten bewertet.
Blätter solcher Qualität, die heute nur noch selten auf den
Markt kommen, sind das höchste Ziel der reichen Sammler

in Paris. Eine Preparation Latours für ein Voltaire-Porträt
kostete 245. Verhältnismäßig hohe Preise wurden auch für
Monet bezahlt. Zwei Landschaften brachten 203 und 265,
ein Stilleben 281. Ein Aquarell von Daumier, eine der be-
liebten Gerichtsszenen stieg auf 150, ein Pastellbildnis Re-
noirs auf 60. Die Versteigerung Cahen brachte außer der
großen Boudin-Sammlung eine über 200 Nummern zählende
Sammlung von Zeichnungen und Aquarellen Monniers zum
Verkauf, die wohl die Aufnahmefähigkeit des Marktes etwas
überstieg. Der Höchstpreis war 26 für eine Darstellung des
Joseph Prudhomme. Im übrigen waren Preise von 10 schon
die Ausnahme, etwa 1 — 3 die Regel. Unter den Bildern
Cahens ragte das Bildnis einer jungen Frau von Courbet her-
vor, das mit 345 hoch bewertet wurde. Seestücke von Monet
kosteten hier nur 70 und 110, eine Frau im Garten 260,
ein Obstbaum von Renoir 320, eine Zeichnung von Daumier
mit drei Köpfen 35, aquarellierte Zeichnungen von Gavarni
8 bis 11.

Das Hauptereignis der Saison war aber erst die Verstei-
gerung der Sammlung des verstorbenen Direktors des Petit
Palais Henry Lapauze mit ihren reichen Beständen an Werken
Ingres'. Man begann mit kleinen Studien, die billig, zum
Teil merkwürdig billig fortgingen. Als aber das erste von
den wundervollen Bleistiftporträts an die Reihe kam, stieg
das Interesse, es wurde mit 40 zugeschlagen. Das späte
Bildnis der Frau Gonse, das auf nur 30 geschätzt war, stieg
auf 122, das Porträt Lorinier von 1834 war nur auf 20 ge-
schätzt und brachte 190, das Porträt des Fräulein Dubreuil
45, ein Herrenbildnis 58, ein Damenbildnis 118, die Com-
tesse de Segur-Lamoignon 141, Madame Mottez 165, Lady
Bentinck 205, Herr und Frau Ramel, ein spätes Blatt von
1855, kostete 125. Der Louvre erwarb das herrliche Studien-
blatt für das türkische Bad um 51, das Aquaiell mit der Ge-
burt der Musen um 143 und die ungewöhnliche Pinselzeich-
nung der Schwestern Harvey um 52. Von den Gemälden
wurde, wie zu erwarten war, das schöne Bildnis der ersten
Frau des Meisters mit 715 am höchsten bezahlt, das Porträt
des Bildhauers Lemoyne brachte 370, das reizende, merk-
würdig nazarenerhafte Bild des Paolo und der Francesca
nicht mehr als 78, wie auch die gemalten Studien, die den
Beschluß der Versteigerung bildeten, nur kleine Preise, Zwi-
schen 43 und 18, erzielten. G.

*

In dem Auktionsbericht des vorigen Heftes waren durch
ein Versehen die Ergebnisse der Versteigerung der Samm-
lung Lob auf Caldenhof ausgeblieben. Wir tragen hier
die wichtigsten Preise nach: Die sechs Fragmente des
Liesborner Altars konnte das Museum zu Münster für
70000 Mark erwerben, das ebenso den Altarflügel des Johann
Koerbecke für 17000 und das Pfingstfest des Conrad von
Soest sowie zwei Tafeln aus der Nachfolge dieses Meisters
für 20000 und 40000 Mark ersteigerte. Die Marienkrönung
Conrads von Soest ging für 60000 Mark in Privatbesitz über.
Das kleine Männerbildnis des jüngeren Ludger Tom Ring
brachte 16000, das Flügelaltärchen mit den Stifterporträts
von Barthel Bruyn 36000 Mark.

SIEBENUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ELFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 15. JULI, AUSGABE AM 1. AUGUST NEUN-
ZEHNHUNDERTNEUNUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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