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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 12
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Herrmann, Wolfgang: Alte und neue Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0511

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ein reiches statistisches Material — hervorgehoben, Mängel,
deren Ursprung in einer gewissenlosen, echt amerikanischen
Baupolitik liegt und die, wie Behrendt sehr eingehend zeigt,
letzten Endes auf die besonderen ökonomischen Verhält-
nisse Amerikas zurückzuführen sind. Sie wiederum erst
führten das künstlerische wie städtebauliche Chaos her-
bei. Man lernt die fast vergeblichen Versuche Amerikas
kennen, diesem Chaos zu steuern. Dazu sind Geldmittel
nötig, die Europa nie aufbringen kann. Das Behrendtsche
Buch deckt in objektivster Weise die Fehler aut, aus denen
Europa lernen kann.

Getragen von dem gleichen Verantwortungsbewußtsein
ist eine kleine Schrift des gleichen Verfassers: „Der Sieg
des neuen Baustils." Es wird keine billige Propaganda für
eine neue Kunstrichtung getrieben, sondern in klarer, all-
gemein verständlicher Form gewissermaßen eine Einführung
in die Grundlagen und die Ziele der neuen Baukunst gegeben
— eine Einführung, die durch die vorurteilsfreie Darstellung
auch für den, der diesen Problemen näher steht, lesens-
wert ist.

Wer aber sich eingehender mit den neuen Problemen
moderner Architektur auseinandersetzen will, der muß die
Gestaltungsmöglichkeiten und die spezifischen Eigenschaften
des neuen Baumaterials, des Beton, kennen. Als vorbildlich
ist hier das Buch von J. Vischer und L. Hilberseimer: „Beton
als Gestalter" (Stuttgart 1928) zu empfehlen, das nicht nur
die großen in Beton ausgeführten meist technischen Bauten,
wie Hallen, Brücken, Lagerräume, Silos, in guten Abbildungen
vorführt — und zwar darunter eine große Anzahl neuer, meist
unbekannter Bauten —, sondern auch in einem von Hilbers-
eimer, dem leider in der eigenen Stadt zu wenig beschäf-
tigten Berliner Architekten, verfaßten Text Grundlegendes
sowohl über die Konstruktionsweise des Betons, als auch über
die durch dieses Material bedingte Neue Baukunst vermittelt.

Eine Art Abbildungsband zu der kleinen Einführungs-
schrift von Behrendt stellen die Blauen Bücher des Verlages
Langewiesche dar, deren letzte Bände die „Deutsche Bau-
kunst der Gegenwart" behandeln. Die von Müller-Wulckow
vorzüglich bearbeitete Reihe liegt jetzt vollständig vor. Der
erste Band führte die Bauten der Arbeit vor, die beiden
letzten zeigen die „Wohnbauten und Siedlungen" und die
„Bauten der Gemeinschaft". Die Einteilung nach Stoffgruppen
ist ein glücklicher Gedanke und gerade der letzte Band bietet
mit den in diesem Verlage ja selbstverständlich hervorragend
guten Abbildungen von Krankenhäusern, Schulen, Theatern,
Kinos, Sportbauten, Kirchen, Festhallen reiche Anregung.
DieseBände illustrieren aber auch dieEinsicht W.C.Behrendts,
daß es sich auch heute noch nur um „Etappen auf dem Wege
der Gestaltfindung" handelt, aber allerdings um Etappen, die
den Weg schon klar erkennen lassen.

Schwanken und Unsicherheit auf diesem Wege sind allen
Übergangsepochen eigen. Es wäre darum eine schöne Ge-
legenheit für den Kunsthistoriker gewesen, die Kämpfe, Miß-
griffe und den schließlichen Sieg der Baukunst eines in den

Grundbedingungen unserer Zeit ähnlich gelagerten Jahrhun-
derts zu zeigen. Karl Horst geht in seiner „Architektur der
deutschen Renaissance" (Berlin 1927) an dieser verlockenden
Möglichkeit leider vorbei. Gewiß sind formal die Werke
beider Epochen grundverschieden, aber gerade heute ist ja
auch eine Beeinflussung durch formale Elemente schädlich
(und wohl auch unmöglich), — nützlich ist nur die vom Hi-
storiker nahegebrachte Erkenntnis einer verwandten geistigen
Einstellung. Horst beschränkt sich darauf, die deutsche Eigen-
art dieses Stils darzulegen und seine relative Unabhängigkeit
von Italien, wodurch er im Gegensatz zu vorangegangenen
Schriften steht. Aber trotzdem er wie wohl kein anderer ein
Kenner dieser Baukunst ist, bleibt er doch im Zusammen-
tragen vieler an sich interessanter Einzelfarben stecken, ohne
einen den Laien wie auch den Kunsthistoriker gleicherweise
interessierenden Gesamtüberblick zu geben.

Es mag sein, daß die Vorarbeiten dafür fehlen. Die so-
genannte „Deutsche Renaissance" der achtziger Jahre war
auch für die historische Forschung wenig fruchtbringend.
Dazu kommt, daß diese unglücklichste aller Stilbewegungen
den Geschmack für die echten, alten Bauten verdorben hat.
Wir wären berechtigt, diese Baukunst als nationale deutsche
Kunst zu lieben — wie Horst dies in seinem Buch darlegt —,
sind aber heute noch weit davon entfernt. Ganz im Gegen-
satz zu Frankreich, wo gerade diese Epoche in der Kunst-
forschung ganz besonders gepflegt wird. Allerdings besitzt
die französische Architektur des sechzehnten Jahrhunderts,
getragen vor allem von den großen Schloßbauten, einen mo-
numentalen Zug, der der bürgerlichen deutschen Baukunst
oft fehlt. Ein Werk wie „Les chateaux de la renaissance"
von Francois Gebelin — um nur eines der vielen ähnlichen
in den letzten Jahren in Frankreich erschienenen Werke zu
nennen — besitzt Deutschland nicht. Auf einem hauptsächlich
das Verhältnis der französischen Architektur zur italienischen
und antiken behandelnden Teil folgen die sehr gründlichen
Einzelmonographien aller in guten Lichtdrucktafeln wieder-
gegebenen Schloßbauten. Derartige Werke wären auch in
Deutschland als Vorarbeit nötig, ehe man daran gehen
könnte, eine Zusammenfassung zu schreiben, wie es zweifellos
die Absicht von Horst war.

Renaissanceschlösser, romanische und gotische Dome,
barocke Schloß- und Adelsbauten stehen nebeneinander. Sie
machen, zusammen mit der Landschaft, das Gesicht des Lan-
des aus. Martin Hürlimann gibt in seinem in der Reihe des
Orbis Terrarum erschienenen Buch „Frankreich" auf diese Weise
das Bild unseres Nachbarlandes. Gewiß — auch die Kamera
ist subjektiv und die Bände leiden darunter, daß durch den
Wunsch nach möglichst malerischen Aufnahmen die Gegen-
sätze zwischen den einzelnen Ländern verwischt werden, aber
trotzdem bringt dieses Buch Land und Landschaft näher.
Man lernt das Land Frankreich ein wenig kennen. Und das
ist nötig, um aus Vergangenem Nutzen für das Neue ziehen
zu können. Denn es ist die gleiche Erde und es sind die
gleichen Kräfte, die Altes und Neues hervorbringen.

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