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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0519

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umrissen und der trockene Stoff einer Bildentlehnung Tisch-
beins hin und her gewendet. Die Polemik gegen Dvofäk
über Cimabue würde man, als nachgedruckt, lieber vermissen,
da sie den bedauerlichen Eindruck allzu scharfer Worte von
beiden Seiten hinterläßt.

Zu den überaus lebhaften und ganz eigentümlich be-
zwingenden Reizen des Buches gehört ein sprachlicher Aus-
druck, der an Reinheit, Reichtum und Schmiegsamkeit seines-
gleichen sucht, eine erarbeitete Meisterschaft, Zeugnis größ-
ten Verantwortungsgefühls und wunderbaren Schönheitssinnes.
Diese Reden und Aufsätze sind ein Buch von tiefem humanen
und künstlerischen Wert, das ein Recht hat, von vielen ge-
lesen zu werden. Werner Hager.

Karl Garzarolli-Thurnlackh: Die barocke Hand-
zeichnung in Osterreich. Amalthea-Verlag, Wien 1928.

Bruno Grimschitz: Die österreichische Zeich-
nung im 19. Jahrhundert. Amalthea-Verlag, Wien 1928.

Zwei österreichische Kunsthistoriker, der Direktor der
Landesgalerie in Graz und der Kustos der Osterreichischen
Galerie in Wien, haben uns zwei wertvolle Bücher ge-
schenkt, die sich gegenseitig ergänzen und die österreichi-
sche Zeichnung des achtzehnten und neunzehnten Jahrhun-
derts als ein genetisches Ganzes erkennen lassen. Garzarolli,
ein feiner Kenner des achtzehnten Jahrhunderts und Bio-
graph des Kremser-Schmidt, schreibt auf Grund seiner lang-
jährigen Forschungen die Geschichte der österreichischen
Barockzeichnung, die er aus dem Gemeinsamen des Zeit-
stiles in ihrer besonderen Eigenheit herausarbeitet. Das
österreichische Barockproblem der Malerei und ein Grund-
riß ihrer Geschichte werden gegeben, Stellung und Bedeu-
tung der Handzeichnung (Nach-Natur-Komposition-Bild-Vor-
lagezeichnung) festgestellt, um zur Kunst- und Künstler-
geschichte der Handzeichnung vorzudringen. Den Stilwandel
der religiösen Dekoration zum Freiluft- und Lichtraum, zu
Illusion und tektonischer Rationalisierung begleitet die Werk-
zeichnung als der feinste Seismograph des Kunstgeistes. Der
schwer erkennbare Eigenwert der durch flämische, süddeut-
sche, italienische Induktion und durch nordische Säkularisation
bedrohten Kunst der österreichischen Gegenreformation wächst
aus dieser Fein- und Kleinforschung doch hervor. Unschätz-
bar sind die beiden letzten Kapitel, die den Zeichencharakter
der einzelnen Künstler von Pock bis Brand mit Hilfe von
118 Abbildungen besprechen und in alphabetischem Künstler-
verzeichnis den Werkkatalog und die Literatur für die ein-
zelnen Künstler geben. Damit ist dieses klar geschriebene,
schön gedruckte Buch zugleich ein Nachschlagewerk, wie wir
es leider für die deutsche Barockzeichnung noch nicht be-
sitzen.

Den Weg gleichsam fortsetzend zeigt Grimschitz in seinem
klug und fein geschriebenen Buch, wie das österreichische
Problem tief in das neunzehnte Jahrhundert hinein das heim-
liche Barock ist, das als zweites und drittes Barock in seiner
sinnlich-blühenden dekorativen Anmut die Zeichnung wie das

Aquarell auflockert und trotz mancher Zwischenspiele (Naza-
renertum und Realismus) immer wieder in barocker Spiege-
lung flämischer oder italienischer Art aufersteht und im or-
namentalen Linienwesen der Wiener Sezession verklingt. Die
einzelnen Kapitel gliedern diesen Weg mit feinster Einfüh-
lung in Blatt und Stil: Füger und der Klassizismus, das bür-
gerliche Barock, die Entdeckung der Landschaft, der naza-
renisch-romantische Kreis, der altwiener Realismus, die west-
liche Orientierung, historisierende Monumentalkunst, der Aus-
klang des Jahrhunderts. Die Verengung dieser Kunst aus
dem Universalen des Barock in den lokalen und provinzi-
ellen Kunstcharakter, die zunehmende Abwehr der Induk-
tionen aus Frankreich und Deutschland, die Sfammesart als
Stil und Schicksal werden deutlich. Landschaft und Genre
sind die Träger des neuen Realismus, während Bildnis, Hi-
storie und Dekoration den letzten Barockismus in Salon und
Mode tragen. Auch dies bilderreiche, schön gedruckte Buch
bringt viel Unbekanntes und stellt den besten Versuch dar,
eine Geschichte der österreichischen Malerei vorzubereiten.
Für diese Aufgabe scheint uns dieser geistreiche Kenner be-
sonders berufen. Die Berliner Akademie-Ausstellung, die
einige Originale dieser österreichischen Zeichnungen zeigte,
war eine gute Gegenprobe auf diese beiden grundlegenden
Bücher, die wir den Freunden der Zeichnung ganz besonders
empfehlen müssen. Eberlein.

Hans Börger: Von den Tempeln der sizilischen
Griechen. Hamburg 1929. Johann Trautmann Verlag
G. m. b. H.

Alles Gute, was Wilhelm Waetzoldt im vorigen Jahr an
dieser Stelle von den griechischen Reisebüchern Börgers ge-
sagt hat, gilt auch von diesem Buch, das eine Reise durch
die Natur und die antike Kunstwelt Siziliens schildert. Wenn
alle Archäologen so sprächen, mit so viel Sinn für Kunst
und Natur, so undogmatisch verzichtend auf die Verkündi-
gung des alleinseligmachenden griechischen Kunstideals, wenn
alle die Erscheinungen griechischer Kunst so besonnen ein-
ordneten, erklärten und geschichtlich belebten, so gäbe es
keinen Streit. Börger versteht es, auf verhältnismäßig wenigen
Seiten seinen Ruinenstoff lebendig, ja aktuell zu machen,
so daß er jeden Leser angeht. Aus der kurzen Schilderung
von Segosta, Selinus, Girgenti und Syrakus holt sich der
Leser Verständnis für das Wesen griechischer Kolonialkunst.
Aber er macht in der Phantasie zugleich die Reise mit durch
Sonnenbrand, über steinige Gebirge und mit Ausblicken auf
das ewige Meer. Dieses Buch ist das Muster eines kurzen
und kurzweiligen Reiseführers. Es sind alle Forschungs-
ergebnisse darin, aber sie werden nicht dem Fachmann,
sondern dem Kunstfreund vorgetragen. Als Mittler Zwischen
der oft allzu starren Fachwissenschaft und dem Kreis der
lebendig Gebildeten scheint Börger mir unübertrefflich und
ziemlich einzig in seiner Art. Er verstößt damit nicht gegen
die Wissenschaft; denn er handelt mehr als viele anderen
im Sinne Winckelmanns. Karl Scheffler.

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