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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 1 (Januar 1926)
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Stiehler, Georg: Vom ''wissenschaftlichen'' Zeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0010

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essierke und Nichtinteressierke notwendig ifi im Zn-
tereffe des Gesomkzieles und der Gesamtstruktur des
Menschen, die jedem ein gewiffes Maß der Höhen-
entwicklung gibt, so auch beim freien Zeichnen, das
die schauenden, fühlenden und gestaltenden Kräfte
(sachlich wie künstlerlsch) des werdenden Menschen
enkwickelk, damit er nichk als Bildungstorso hinein-
ragk in die Kulturlage. Nichk um der Berufe
willen, die freies und gebundenes Gefialten brau-
chen,istdasfreie Zeichnenin erster Linie zu
treiben, sondern um der wichtigen Entwicklung der
GestaltungskrSfte (sagen wir nicht
schöpferisch-künstlerische KrSste), die die
höhere Schule bisher in Denkschland, hesonders
Mikkel- und Norddeutschland im Gegen-
satz zu Süddeutschland und außerdeutschen Kultur-
staaten arg vernachlSssigk hatte.

And da kommk mitten in die Entwicklung eines
Neuen, Notwendigen, lebendig Frischen in die Re-
form der höheren Schulen der schroffe Vorstotz
der Mathematiker gegen das freige-
stalkende Zeichnen an den höheren Schulen! —
Wir sagen darauf: Mathemakik notwendig
für alle, im Zntereffe der Persönlichkeits-
entwicklung und der Kulturlage, kroh
durchschnikklich mittlerer, teilweise
sogar mangelhafker Leistungen der
Schüler HSHerer Lehranstalken und der nachweislich
selkenen wirklich mathemakischen Be-
gabungen!

Freigestalkendes Zeichnen notwen-
dig für alle im Hinblick auf die Persönlichketts-
entwicklung, des gesamten Bildungszieles und der
Kulkurlage, bei durchschnittlich mikklerer Lei-
skungsfühigkeit aller und selken vorhande-
ner künstlerisch schöpferischer Begabung! — Der
Vergleich würde bei ernster objekkiver Antersuchung
taksSchlich zugunsten des freigestaltenden Zeichnens
ausfallen. Das Moment der Arbeiksfreude
über flchkbare Gestalkung innerer Gefühle ganz dabei
ausgeschaltet!

Im ffahre 1923 flnd die Lehrplüne der Makhe-
makiker von einer Kommisflon aufgestellk und im
Februar 1924 vom Reichsverb. d. Makhem. ange-
nommen worden. Nirgends ist eine Fühlungnahme
mit dem Reichsverband der ak. geb. Zeichenlehrer zu
spüren. Zn Preußen krat im 3uli 1922 die neue Ord-
nung der Prüfung für das künstlerische Lehramt an
höheren Schulen in Kraft. Das dürfke der Kommlsflon
nicht enkgangen sein. Zn Z 9 derPrüfungsfor-
derungen stehk unker Zeichnen e): Linear-
zeichnen: „Fertigkeik im gebundenen
Zeichnen, Vertrautheit mik der male-
rischenPerspektiveundSchatkenkon-
ktruktion, mik dem projektiven und
dem perspektiven Darstellen von Ge-
räten, GebSuden und Gebäudekeilen,
mit der Aufnahme von Gelände und mik
dem Werkzeichnen." Ferner zu o) besonders:
„Der Bewerber muß nachweisen, daß er sich beson-
ders mik dem freihändigen und geometrischen
Aufnehmen von Bauten und Bauteilen seiner
Heimat oder seines Skudienortes eingehend be-
schästigk hat."

Die Mathematiker suchen nun in ihren VorschlS-
gen Verbindung mit den Lehrern der Naturwiffen-
schaften, der Geographie herzustellen, nichk aber mit

dem akademisch gebildeten Zeichenlehrer, der auf
Grund seiner Fakultas im Linearzeichnen (siehe Prü-
fungsforderungen) dem Mathemattklehrer mindestens
gleichwettig vorgebildet ist, den Lehrern der Nakur-
wissenschaften und Geographie aber, sofern ste nichk
Mathemattk studiert haben, nach der Vorbildung
voraus ist. Ein notwendiges Maß allgemeiner Bil-
dung aber befltzk der Zeichenlehrer durch sein Matur
oder Seminarabikur, auch werden in Zukunfk ver-
schiedene Zeichenlehrer eine Zusakvrüfung in den
nokwendigen wiffenschastlichen Disziplinen nach-
weisen.

Auf Grund der Einstellung des ganzen
Mannes aber nach der Seike des linearen,
flächenhaften, plastischen und werk-
technischen Geskaltens, auf den Zeichen-
vorgang in allen seinen Ausstrahlungen, ifi in
ersker Linie der Zeichenlehrer an den
höheren Schulen berufen,den Ilnker-
richt im sachlichen freien und gebunde-
nen Geskaltenzu übernehmen: denn auch
der Mathematiker ist den Skoffen aus Physik, Geo-
graphie, Technik (und Kunst!) dem Zeichenkehrer
gegenüber nickk voraus, wenn er nichk biese Gebieke
als Skudiengebieke gekrieben hak. ' .

3n Zukunft muß man sick eben daran gewöh-
nen, bei der Zusammenarbeitder Lehrer
an höheren Schulen, die es bis setzt
noch nicht gibt, auch den Lehrer des Ge-
skalkungsunkerrichksim ffnkereffe der Sache
und des Schülers als durchaus gleichberechtigt heran-
zuziehen.

In Bayern verzichtek man an den höheren Schulen
auf die makheMakische Zuspitzung des „wiffenschast-
lichen" Zeichnens. Das technische Zeicknen
liegt dort, wie oben schon erwähnk, in den HSnden
der Zeichenlehrer und ist mehr gerichtek nach der
prakttsch technischen und archltektonischen (elementar)
Seiks. Bei der Berufung auf süddeutfche Verhälk-
niffe scheint dem AiV. d. Math. das ganz enkgangen
W sein.

Auch die enge Verbindung mit der
Praxis, der Technik hak der Zeich enleh -
rer jeht und spüter mehr als jeder andere Lehrer
voraus, da jeder Zeichenlehrer als H a u p t -
fakulkas Werkunterrichk wählen muß. So-
wohl in den prakttschen Arbeiten wie der Werkzeich-
nung hak er in Papp-, Metall-, Aolzarbeiten reife
Arbeiken vorzulegen, so daß große Gebiete des wissen-
schaftlichen, sagen wir flnngemäßer des kechntschen
Zeichnens und Ges 1 altens von chm geforderk
werden. 3n diesem Ümfang ist weder der Lehrer der
Machemattk, noch der Geographie, noch der Natur-
wiffenschasten vorgebildek.

Auf Grund dieser wirklichen Lage zeigt-ie
Denkschrist der Machemakiker keinen objekttven
Sinn für taksächliche VerhSltniffe, die die ganze
Einstellung gründlich beeinfluffen rnußke, so datz die
Aeußerung gegen das Frechandzeichnen ünd die
einseittge „wiffenschastliche" Zuspitzung für deutsche
„Machemakiker" als zu leichk befunden erfcheinen
muß.

Zu einzelnen Punkten:

Die Aufgabe.

Sie muß das formale und materiale Ziel vonein-
ander krennen. Wie lautek das Schild? „Wiffen-
 
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