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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 8 (August 1926)
DOI Artikel:
Frantzen, W.: Architekturbetrachtung und Werkstatt
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Petersen, Benno: Die Reklame und der Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0171

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nalen Einstellung bekommt, die für das Sehen dieser
Stufe so charakteristisch ist.

Die Abbildungen greifen aus der Sammlung zwei
Kirchentypen heraus: eine Langhausbasilika (6. Zahr-
hundert) und einen romanischen Dom der ottonischen
Zeit. Die genauere Entwicklung de'- grotzen Raum-
verhältnisse wird an Photographien und Rissen be-
obachtet und skizziert. Sie zeigen die primitive Grund-
form der Basilika mit der Apsis, von der wir hier
am Orte als Beispiel eine einfache hölzerne Bap-
tistenkirche besitzen, die Erweiterung der Schiffe,
der Apsiden, Borbauten und isolierten Türme, die
unorganische Einbeziehung des Priesterbezirks tn das
Mittelschiff, als höhere Form der Lösung die An-
lage des Querschlffes mit der logischen Vierung, die
neue Kreuzform der ersten ottonisch romanischen
Dome mit den Kreuzgewölben und den Bierungs-
türmen, Berdopelung der Hauptaltäre usw.

Auf diese anschauende, skizzierende und werkarbei-
tenöe Weise mit dem Ziel der Bereinfachung wird
der Schüler befähigk, aus der verwirrenden Biel-
lälkigkeit der Architekturen die ruhige Haupksache
herauszufinden. Erst nach dieser Behandlung der
großen Raumprobleme wird die architektonische
plastische und malerische Einzelheit des Stils ins
Auge gefaht, die Bildersammlung studiert und in
den einzelnen Exemplaren bestimmt.

Der Zeichenunterricht bietet eine günstige Ge-
legenheit, um die Schüler in expressiver Steigerung
das Typische einer langgestreckten Basilika, eines
geschlossenen burgähnlichen Domes und einer form°
geiockerten schebenden Kathedrale ausdrücken zu
lassen. Die Modelle sind rückbezüglich im rational
perspektivischen und gebundenen Zeichnen zu be-
nutzen. .

Die Reklame und der Zeichenunterricht

Bon Benno Petersen, Lübeck.

Ist die Reklame ein Kunsterziehungsstoff? Hat die
Reklame bemerkenswerte Beziehungen zur Kunst,
wenn ste abhängig ist vom Zeitgeschmack, von Zu-
fälligkeiten, von materialistischen Geflchtspunkten?

Ein bedeukender Fachvertreter gibt eine beachtens-
werte Antwort: „Die Reklame wird zur Kunst und
Wisfenschaft, wenn sie mit ethischen Mitteln die
Wahrheit verkündet.'M

Daß unser gesamkZs heutiges Wirtschaftsleben
immer mehr von dem ständig bedeutender werdenüen
Faktor der Reklame beeinflußt wird, ist dem Be-
wohner einer größeren Stadt eine bekannte Tatsache.
Bom frühesten Alter an bis zur Entlassung aus der
Schule haben die Erscheinungen der Reklame auf
die llugend eingewirkt in einem Mahe, daß der Er-
zteher die Hände nicht in den Schoh legen oder die
Sache mit Geringschätzung übersehen darf! Durch
geschickte Anpceisungen werden bei den stets wachsen-
den Ansprüchen Bedürfnisse geweckt, für die eine
Notwendigkeit oder ein Wert weder vorhanden noch
erwiesen ist. Als in den Zeiten steigender Inflation
die ösfenklichen Berkehrsunkernehmen: Reichsbahn,
Post, Straßenbahn Geld brauchten, wurde jedes freie
Fleckchen zu Aeklamezwecken vermiekek. - Wer ge-
dächte nicht der Ueberladung der Straßenbahnwagen
mit Aeklame innen und auhen, die meist wahl- und
geschmacklos nebeneinander, übereinander angebracht
wurden. Briefkästen, Postaebäude, Postautos, Bahn-
höfe — alles stroht von Schildern, stroht von Riesen-
plakaten. 2n den Straßen wird unser Auge jede
Minute, jede Sekunde von Schlldern, Plakllten,
Ladenfenstern, Lichtreklame usw. in Anspruch ge-
nommen. Der Anzeigenkeil der Zeitungen und Zelt-
jchriften nimmt einen immer größeren Raum ein.
Dabei arbeitet die Werbepsychologie so außerordenk-
lich geschickt, daß selbst der stch gegen alle Lockungen
immun Glaubenoe der Suggestion unkerliegt. Zn
irgend einer kleinen menschlichen Schwäche wird ihn
der werbende Geschäftsmann zu fassen kriegen.
Schließlich weiß aber der gebildete Erwachsene, wie
weik er gehen darf, seine Bedürfnisse zu befriedigen
und wird die richtige Wahl treffen. s Der Gefahr,
der Suggestion der Reklamemittel, der sich in teil-
weise geschmacklosester Weise die Geschäftswelt im

Lxistenz- und Konkurrenzkampf bedient, zu unter-
llegen, ist vor allen Dingen die öugend der Großstadt
ausaesetzt. 3ch denke z. B. an die Sammelwut der
Kinoer, eine von vielen Firmen mit großem Erfolg
ausgenutzte psychologische Erscheinung.^ Wir wissen
alle, noch aus eigener Erfahrung, wie Sammeln
und Tauschen von Liebig-, Garkmann-, Stollwerk-
Bildern, -Schachteln, -Marken und anderew Zugabe-
artikeln die Zungen epidemisch krank machen können.
Die Schule verbietet innerhalb chrer Räume den
Tauschhandel mit diesen Objekten, meist jedoch ohne
Begründung ihrer Wertlosigkeit, meist ohne den
Kindern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, um
diese Triebe in gesunde Bahnen zu lenken. ,/Kie
Reklame ist ein unentbehrliches Kunstmittel unseres
modernen Berkehrs, beruhend auf der Psychologie
unserer Zeit. linser Leben gestatket es nicht, daß
hier eine unüberbrückbgre Klust gähnt. Die erste
Regel der heutigen Propaganda ist einmal unbe-
dingte Wahrheit und sodann Geschmack und Schön-
heit,tte soll durch künstlertsche Gestaltung unser Leben
verklären, sie soll deni starken ästhetischen Bedürfnis
unserer Zeit Rechnung tragen. Wer immer und
immer wleder geschmackvolle Bilder und Zelchen
sieht, der wird mchr und mehr dazu geführt, das
Häßliche zu verschmähen unü das Beoeutungslose
beiseite zu werfen. Die Aeklame ist hlmmelweit ent-
fernt von der Marktschreierei früherer Zeiten. Diese
ist längst überholt und in ihrer Lächerlichkeit gebrand-
markt. . "

/'"Welchen Namen wir der Werbekunst auch gchen:
'„Reklame", „Propaganda", „Revräsentatlon", wer
bedient sich ihrer heute nichk als Miktel zum Erfolg?
Polikik, Handel, Zndustrie, Kunst und Missenschafk,
allesamk können heukzukage nicht ohne Werbemiktel
ausnommen. Fachorganisakiönen haben ihre Zeit-
schriften, fördern ihre Zdeen durch Beranstaltungen,
Filmvorführungen, Borkräge, Tagungen: Schulen
lenken die Aufmerksamkeik durch Feiern, Ausstel-
lungen, Aufsätze und andere Beröffenklichungen auf
flch, der Fachlehrer selbst hat sich der Mühe zu unter-
ziehen, für seine Mekhode Interesse zu erwecken,um
eine Änstellung zu erhalten und vorwärkszukommen.
Es ist nicht zu verkennen, dah das Reklamewesen in
 
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