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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 10 (Okotber 1926)
DOI Artikel:
Oppermann, Alfred: Kunstbetrachtung und Richtlinien, [1]
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Betzler, Emil: Die Phantasie des Kindes
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0227

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202

Kulturzusammenhänge zwischen den Mlkern" zu zei-
gen. Der Mensch als selbstgesetzliches Wesen, das
allein der Wert aller Werte ist, weil nur der Mensch
imstande tst, Merte zu erleben, nur er imstande ist, die
Welt in sich nachzuschaffen, hat damit keinen Platz
mehr; das Kunstwerk, sein Schöpfer. aus denen wir
im menschlichen Sinne absolute Maßstäbe zu ge-
winnen suchten, wird nun zu einer Rechengröhe mit
der jeder Pennäler operieren soll.

Diese Kunsterziehung geschiehk ge-
gen die Absicht der Kunsterzieher.

Nachdem die ernsthaften und prukkisch tättgen
Kunsterzieher diesen historischen Weg oder besser die-
sen Weg um der Historie willen als am Kunstwerk
vobeiführend erkannk und, wenn ie einmal beschnik-
ten, ihn längst aufgegeben haben, schen wir staunend
ihn in prächkiger via kriumphalis funkelneu qu> r
> durch die RL ziehen. Wer diese Richtung gewiesen
hat, wifsen wir nicht. Wir wollen uns auch nichk mit
"Ser"Frage befassen, ob die breite Maste der Philo-
logen sie einschlagen wird, weil er ihr bequem liegt,
ob dieser Weg angelegk wurde, um dem Philologen
den Zugang zum Kunstgeblek zu schaffen. Dah ein
großer Zustrom von Seiten der Philologen erfolgen
wird, halte ich nicht für wahrscheinlich. Soweit ich
hier sehen kann, kennt der Einzelne die Grenzen
seiner Fähigkeiten und handelt darnach. Zu hoch lie-
gen die Gebiete der Kunst, als daß ein ernsthafter
Menfch stch da ohne weikeres hinaufdrängte. Was
diese drohende „philologische Richtung" der Kunst-
betrachkung betriffk, so sehen wir diese mit aller-
größter Deutlichkeit und Gründlichkeit von jenen
Philologen bekämpft, denen tiefe Bildung und lang-
jährige Arbeit auf diesem Gebiek das Wort erkeilk.
stch rechne dazu auch Friedrich Wahnschaffe, der in
seinem Aufsah fZeikschr. für Deutschkunde 1925 Aefk
5) ebenfalls die historiflerende Einstellung des ganzen
Lehrplans als den schwersten Mangel empfindek.
Wenn er trohdem auf Grund der Arbeitsweife der
modernen Kunstwissenschafk der Kunstgeschichte in
einem neuen Sinne das Mort redet, fo sieht man an
seinen Beispielen, daß chm das Sehenlehren der
Werke als geformter Geist das wesentliche ist, zu

dem der „Geist der Zeiken" nur im Spiegel deS eige-
nen Geistes eine wertvolle Bereicherung liefert. Sol-
cher Gefinnungsgenosien müsien wir uns verfichern,
damit wir nichk über kurz oder lang ein schönes Ge-
fahrk dahinrollen sehen mit breiter Aufschrift „Kunst-
erziehung", aber einen Weg, den wir nicht wollen:
Die Zügel hält der Historiker, der Germanist macht
den Konferenzier: wtr aber, die wir nach den grohen
Worten der Richtlinien glaubken, wenigstens einmal
mit der Peitsche knallen zu dürfen, sehen uns plötz-
lich am Grahenrand und dürfen nicht einmal mit-
fahren.

Wenn der Zeichenlehrer Verständ-
niszeigk,kannerherangezogenwerden.

Dieser Sah findet sich zitiert in dem Aufsah des
Kollegen Schuberk (Kunft und Iugend 1926 Aeft 3).
Woher er auch stammen mag, er ist so niederschmet-
kernd, dah die lebhqfkesten Ausführungen über die
kunsterzieherische Tätigkett des Zelchenunterrichks,
den Eindruck nicht aufheben können. Wie kommk es,
daß in den diesbezüglilchen Aufsätzen der Erziehungs-
zeitschriften vom Zl. keine Rede ist? Menn der Ilni-
versitätsprofessor, der zu den höheren Schulen nur
Visnahmswetfß noch Beziehungen unterhälk, den Zll.
nur in der Aschenbrödelstellung seiner Ktndheit sieht,
so ist das zu verstehen. Aber. der Philologe, der
feine Erfahrungen auf diesem Gebieke darlegt, sollte
der nicht in dem Zekchenlehrer seiner Anstalt längst
einen Mikstrebenden erkannk haben? Wahnschaffe
sagt im Beginn seines eben genannken AufsaheS: „Es
ist möglich, daß späker an vielen Schulen dle gesamte
Kunstbetrachkung dem blldkünstlerischen Ilnkerrichk zu-
fällk. Wir werden aber noch lange mit den fetzigen
Berhältnissen zu rechnen habeü." Wenn der Zelchen-
lehrer sich nichk schon lange zum Kernpunkk der Kunfi-
erziehung an setner Anstalt gemachk hak, dann lst es t
natürlich mitzlich, nun die Kunstbekrachkung älleln für
sich in Änspruch zu nehmen. Es wäre nichk unwlchkig,
einmal sachlich festzufiellen, welche Arbeik der Zei-
chenunkerrichk auf dem Gebiete der Kunstbekrachtung
im Bergleich mit anderen Fächern leistek und dieses
Material nach Fragebogen sine ira et studio zu ver-
arbeiten.

(Schluß folgt.).

N

Die Phantasie des Kindes

Bon E. Betzler, Frankfurt a. M.

Das Bild ist die Gestaltwerdung einer Schauung
aus den Bezirken der Phantasie, des Gedächtnisies
und der Beobachtung. Das Bild ist der eingefangene,
eroberte Widerschein unseres Lebens. Alles, was
aus dem Chaos der Erscheinung das Auge des Künst-
lers fesielnd trifft, was aus der Tiefe wacher Erinne-
rung nach Formulierung verlangt, was aus dem un-
ergründlichen Schachl der Inkuikion emporkreibk, ge-
winnt Gestalt, wird Bild kraft seiner Kunst. Ähnlich
schafft das Kind, freilich auf einer anderen Ebene,
ftärker verlagert in die Sphäre des Ilnkerbewußten,
ungehemmt durch die harten Gesehe der Kunst und
ungestörk durch zersehende Reflexion und lähmende
Zweifel. sin Auge und Seele des Kindes spiegelk die
Welt sich noch als Schöpfung, als Einheit, noch als
ein wunderbares, unheimlich-räkselvolles Ganzes.
Staunend stehk das Kind vor dem bekörenden Glanz

!

und der verwirrenden Bielfalk des Lebendigen. Sein
Auge entdecht Blumen, wo wir nur. Oede wisien,
seine Seele erflnnk Poesie, wo wir nur Dürfkigkeik
und Traurigkeit erkennen, seine Phänkäfle verzau-
bert die armseUgsten Kulisien der Nok. Seine Hand,
ungelenk und Keineswegs mächtig der Ausdrucks-
mitkel im Slnne der Kunst, füllk das Bildviereck mtt
kühnen, bizarr verstellken Linien- und Farbgebtl-eii,
in denen dennoch der Rhykhmus des Lebens schwingt.

Es ist in dieser Zeikschrist bereiks so häufig über
die Nokwendigkeik der sorgfamen Pflege der Phan-
kasie im Zeichenunkerrichk geschrieben worden, daß
ich davon absehen kann, erneut darauf hinzuweisen.
sich will aber die Aufmerksamkeik der Kunsterzieher
einmäl lenken auf die verschiedenen Wege und Rich-
kungen, die das Phantasiefchaffen des Kindes ein-
schlagen kann. ' ^ ...
 
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