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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 6 (Juni 1926)
DOI Artikel:
Kornmann, Egon: Kunsterziehung und exakte Kunstwissenschaft
DOI Artikel:
Hils, Karl: Ein Jahr gestaltender Arbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0131

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heuke verstanden und durch Abzelchnen geübk wird,
steht durchaus im Dienske des nakurwissenschafilich-
kechnischen Denkens, ebenso wie das „erscheinungs-
gemätze Darstellen", das stch mehr oder weniger
vollkommener perspekkivischer Projektionsmethoden
sMessen, Msieren usw.) bedient. Den Mahstab für
dieses Zeichnen — für seine „Richtigkeit" — gibt
dos optlsche Durchdringungsbild, und nicht die Ein-
heit der Gestchtsvorstellung, der die künstlerische
Form enkskammk. Aber auch auf die Führung dieses
Unterrichtes werden die Erkenntnisse der Kunstwissen-
schaft nichk ohne Einflutz sein: denn eine klare Ein-
sicht in das Wesen der künstlerischen Arbeit wird
dieses kechnische Zeichnen — dessen Berechtigung
natürlich bestehen bleibt — klar von dem Zeichnen
trennen, das im Dienste der Kunsterziehung steht.
Diese betden Arten der Bildgestaltung: die künst-
lerische, die als Verwirklichung einer geistigen
Einheik des Borgestellken eine Vergeistigung der
Form schafft, und die außerkünstlerlsche,
die etn Abbild gibt, einen mehr oder weniger voll-
kommenen Querschnitk eines vom Auge empfangrnen
Llchtstrahlenbündels; diese betden grundsätzlich ver-
schiedenen Arten können nicht scharf genug unker-
schieden und voneinander getrennt werden. An chrer
Vermischung hat die Kunst seit der Renaisiance. und
ganz besonoers seit dem 19. siahrhundert immer
wieder gekrankk. Deshalb wird eine sachliche
Kunsterziehung, die auf das wesenkliche bildender
Kunsk eingestellk ist, auch hler von der Klarheit ge-
winnen, die alle aus dem nakurwissenschafklich-
mathematischen Denken stammenden Kunst-Surro-
gate svor allem Perspekkive) als hemmend für die
eigentlich schöpferische Leistung der bildenden Kunst
erkennt, und wird sie in das Gebiet makhematisch-
technischer Arbeik verweisen.

Und nicht zuleht wird auch sede Ark von Werk-
unkerricht eine neue Stellung im Arbeiksunkerricht

der Kunsterziehung erhalten und die starke Vorherr-
schafk dss Bleistiftes zu seinen Gunsten brechen. Denn
die.Einsicht in die Ällgemeingültigkeit der künstle-
rischen Erkenntnisse verwischt die Grenze zwlschen
„darstellendem" und „schmückendem"' Zeichnen, zwi-
schen „freier" und „angewandter" Kunsk. Ob die
Vergeiskigung der Form angewandk wiro auf „Ra-
tur" oder auf Werke von Menschenhand, auf Ge-
räte, Bauwerke, Schrift, das kann nur die Richkung
ihrer Enkwicklung bceinflussen, aber ihr Wesen und
die Art ihrer Leistung bleioen für alle Gebieke die-
selben. Aus solcher Einsicht wird auch in der Kunsk-
bekrachkung eine einseitige Bevorzugung der „frelen"
und „Hohen" Kunst einer skärkeren HeranziehuNg der
„angewandten" Kunst weichen müsien.

An den Lehrer, der die Kunsterziehung im Sinne
eines lebendigen Ärbeiksunterrichkes leiken will, wer-
den hohe Anforderungen gestellt. Nur wer musika-
lisch ist, sollke doch Musikunkerricht erteilen, Klavier-
spielenkönnen allein kuk es nichk. Wer Kunsterzie-
hung leiken will, muß lebendiges KunstverstSnd-
nis haben. „Darstellenkönnen" — und sei.es noch so
gewandt, — genügt dazu nichk. lind esW noch ein-
mal zu wiederholen, datz alle wiffenschafkliche Elnsicht
in das Mesen der künstlerischen Leisiung das eigenk-
liche Erlebnis der künstlerischen Letstung' so wenia
übermitkelu kann wie kunsthlstorisches Wtffen, datz
sie vielmehr dieses Erlebnis voraussetztr datz
aber solche Misienschafk, die auf die Sache — d. i.
»us das spezisifche Wesen der bildanden Kunst
gerichkek ist, oie beste Einsichk blekek für eine Methode
oes Ilnterrichkes. Sölche Kunstwisienschafk setzt —
ich wiederhole es — Künstlerisches Empftnden und
künstlerische Fähigkeiten voraus, und ist dabei doch
gleichzeikig strenge und schwere Wiffenschaft. Aber
diese Vereinigung ist es gerade. die dem Zeichen-
lehrer die Skellung gibt, die ihm zukommk, als dem
Führer zu einem der höchfien Güter der Kulkur.

Es war wlrklich anregend, die FrühjährSausstellung
von Schülerarbeiten der Wilhelms-Realjschule zu
besuchen. Schon der Treppenausgang war durch
große, farbenreiche und kecke Buntpapierarbeiken
luflig geschmückk. Beim Eintritk in die Ausstelluag
fchauken von der Wand herab Dutzende vpn Schüler-
köpfen, Selbstbildnisie von solcher Frische und Ehr-
lichkeik, datz man spürte, hier weht Frühlingsluft. Auf
den Tischen hatke sich eine Zerde seltsam gestalketer
Holzvögel, Pferde, Elesanken verfammelk. Der Ge-
stalkungstrieb der Schüler hatte sich hier im Holz un-
gehemmk enffalken dürfen. Die formschafsenden Kräfte
seines rhythmischen Empfindens gewannen in diescn
Gestalkungen einen beglückenden Ausdruck. An an-
derer Etelle wurden Holz- Und Linolschnitke gezelgk,
von denen einige in unsern Abbildungen sich selber
vorstellen. Aber nicht nur das GefÜylsmätzigs und
das dekorative Empfinden wurde gepflegt, sondern
auch das streng sachliche, struktive Darstellen nach un-
mitkelbarer Anschauung fand hier Raum.

GerSte.Umdrehungskörper, Architekturkeile, Pflan-
zen waren in sachlicher Weise streng strukkiv darge-
stellk. Hier konnte der Schüler nichk hinker elner
billigen Schattlerung ein mangelndes Formstudium
verbergen, sondern in klarer einfacher Linie mutzte

Ein Iahr gestattender Arbeit r, v

an der MUHelms-Realschnle ln Sknffgark. ^ ^

er zeigen, dätz er die WachSkümS- und BlldungSge-
setze ln den Natutförmen und dle Konstrukkions- und
Funkkionsformen in den Geräken und Gefäßen genau
deobachket hak, um mik den etnfachfien gegebenen
Mikteln zu bildmäßiger Darstellung zu gelangön. Den
Darstellungsmitteln in bezug aüs dle jeweillge Brauch-
barkeit war iu allen Ärbeiken besonders nachae-
gangen worden. Hatte der Besucher das Gefühl,
daß in diesen Räumen Ler Enkfalfung der Gestal-
kungskräfke ln keiner Weise Zwang angekan würde,
so konnke er andererselks erleben, däß der Lehrer
dieser Schüker, Studlenrak Heimo Schöllkopf, elne
Sutzerst strenge »nd wohlaufgebäuke planmätzlge Ar-
beik im Auge häk. ffn folgendem ist dtes näher «us--
gesührt.

1. DaS Gefialken als Kuustuukerrlcht.

L Phankasiemäßiges Gestälten
gefühlsbekonter Skoffe.

Das bildhafke Darstellen äls Ausdruck lm engeren
Sinn. ' „

Der Schüler soll eigene Erlebnisse, die er an be-
stimmten Stoffen sz. B. Märchen, Sage, Geschichte)
empfangen hak, bildhast ausdrücken.
 
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