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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 2 (Februar 1926)
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5. Internationaler Kongreß für Zeichen- und Kunstunterricht
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Herrmann, Carl: Die Tragik des Zeichenlehrerstandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0047

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dah er seine Kräfte einzig den derark unter Kont-
rolle stehenden Lehrfächern zuwendet und für das
hievon unberührte Zeichnen keinerlei Anstreng-
ungen aufbringt,

daß daher, wo sie nicht bereits Geltung hat, eine be-
hördliche Anerkennung von Prüfungen auch für
das Zeichnen zu verlangen ist,
im Hinblick endlich auf die wichtige Rolle des Zeichen-
Unterrichts in der Erziehung, sowie auf seine wei-
teren Nutzanwendungen im Höheren Unterricht, wie
im Leben überhaupt,

stellt der Kongretz den Antrag:

dah der Zeichenunkerricht nicht länger als neben-
sächliche und außerhalb des normalen Studiums
liegende Fertigkeit oder gar als bloße Liebhaberei
betrachtet werden dürfe, sondern daß er für alle
Klassen obligatorisch sei, und daß er,
in gleicher Weise wie die übrigen Lehrfächer, einen
wesentlichen Bestandteil des Programms jeder
Klasfe bilde,

dah das Zeichnen als Prüsungsfach bei den jähr-
lichen Schlußexamen zur Geltung komme und daß
eine zeichnerische Prüfung vorgeschrieben werde
für alle die verschiedenen Studienabscklutz-Examen
Maturität, Zeugnisse, Ausweise, Diplome),
daß auf allen Schulstufen die Prüfungsnoten im
Zeichnen nach Borschrift, ii^, einheitlicher Meise
und gleichwerttg denen anderer Lehrfächer erteilt
werden sollen.

Thesen zu Frage IX.

Welch« tzilfsmilkel zur Pflege des Gefühls fiir
bildende Kunst fiehen der Erziehung, außer dem
Zeichnen, noch zur Berfilgung?

Der Kongreß beanlragt:

es möchten sich die Erzieher bemühen, dem Kinde,
fchon von üessen zartester Iugend an, den Schön-
heitssinn zu wecken, indem sie es auf die Natur-
schönheit aufmerksam machen, ihm Achkung vor

und Liebe zu den schönen Dingen einflößen, und
durch mitempfindenden und bedachten Hinweis ihm
die Kunst nahe bringen;

es sollen die sämtlichen Bestrebungen, das Kunft-
verständnis des Bolkes zu heben, jede mögliche
Förderung erfahren, da es nicht bloß zur Ber-
mehrung des Wissens beikrägt, sondern auch 'U
tieferen Einsichken führt und wahre Lebensfreude
schafftr

es seien freie und koskenlose Führungen durch alle
öffentlichen Sammlungen und Museen zu veran-
skalten:

es möchken sowohl ländliche wie städtische Schulen
diese unentgeltliche Einrichtung im Rahmen ihres
Lehr-Programms und der verfügbaren Zeit ständig
benutzen:

es möchken auch Lehrlinge, Studenken, Angestellte
und Arbeiter solcher für sie besonders vorgesehe-
ner Führungen teilhafkig werden:
es möchten zum Besuch geschichtlicher Denkmäler
besonders ausgebildeke Führer zur Berfügung
stehen: ^

es möchke die Kunstgeschichte, sowie deren Stellung
und Wert im Leben zum Gegenstand von Kursen
der großen öffentlichen Schulen ffür Knaben und
Mädchen) gemacht werden;
es sei in den llnkerrichkskursen für Lrwachsene auch
die krikische Würdigung der Kunst zu berücksichti.
gen: ' .7,

es sei an die Provinz-Museen, Kunstschulen, techni-
schen Anstalten und öffentlichen Schulen jeder Ärt,
unter gewissen Bedingungen und durch eine ent-
sprechende Dienststelle, eine Sammlung von Gegen-
ständen und Bervielfältigungen, Lichkbildern und
kinemakographischen Silmen M leihen, dezlehungs-
weise unter denselben in Zirkulatton zu setzen:
es sei eine internationale Dienststelle einzurichlen,
zwecks Auskausch unker den verschtedenen LSn-
dern, sowohl von solchen Kunst-Lehrmitteln oder
Schülerarbeiten, als auch von Zeichenlehrern und
Schülern.

Die Tragik des Zeichenlehrerstandes

Wenn ein Stand wie dieser, der in Preußen, nicht
viel über 1000 Mitglieder zählt, einer allgemeinen
Zersehung enkgegengeht, so kann man sich zunächst
sagen, datz sein Schicksal in der allgemeinen Oeffent-
lichkeik wohl kaum Teilnahme erwecken wird im Hin-
blick auf so vtele verlorene und verfehlte Eristenzen
in unserm deutschen Baterlande. Was sich durch-
sehen will, muß heute eine ganz andere Geschlossen.
heit und Stoßkraft besitzen. Für so kleine Ver-
einigungen hat man vielleicht ab und zu ein williges
Ohr, meist aber ein bedauerndes Achselzucken. Aoer
in der Frage der Zugenderziehung kann und darf
man nicht stillschweigend darüber hinweggehen.

Das Sparsamkeitsprinzip, das von jeher im preu-
hischen Schulwesen besonders vorherrschend und aus-
schlaggebend war, ließ es zu, datz an den höheren
Schulen nicht gleichwertig vorgebildeke Lehrkräfte
die gleiche Unkerrichts- und Erzieherarbeit zu leisten
hatten. Man stellte begabte und geeignete Bolks-

schullehrer an, die sich meistens noch besdndere Quali-
fikakionen durch ein erweitertes Studlum erworden
hatten. An und für sich haben chre Leistungen den
Schulbekrieb ntcht geschädigt: es kann im Gegenteil
angenommen werden» daß sie stch gut bewährten, zu-
mal sie doch eine gewisse Auslese aus dem Bolks-
schullehrerstande bildeten. Doch ste waren billtger
und daher mit Recht unbequeme Aonkurrenten ber
Philologen. Nach der gehaltlichen Einstufung richtete
sich das Ansehen bei Mitarbeitern und Schülern.
Auch päßte die Vorbildung nicht zu den Standes-
bettrebungen üer Phllologen und ihrem Berlangen
nach einem einheitlichen Lehrerstand: kurz und guk,
man rückte wett ab von den lästigen Mltarbeltern
Das war umso leichter, so lange man noch diese
Skellungnahme durch die scheinbare „Minderwertig-
keit" der einzelnen von den seminartsch gebildeten
Lehrern erteltten Anlerrichtsdtsziplinen, wte Zelchnen,
 
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