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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 3 (März 1926)
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Bosse, Heinrich: Zeichengemäße Betrachtungen über Schulreform und Zeichenunterricht
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Gahlbeck, Rudolf: Nochmals: Der Expressionismus: Entgegnung auf die kritische Studie (von F. H. L. Hartmann-Bremerhaven)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0068

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61

Miffens und Könnens, um den erziehlichen Aufgaben
auch nur einigermaßen gerecht werden zu können.
Andererseits sind die Anforderungen des Lebens in-
folge Spezialisterung der Berufe an das Wiffen und
Können des Schülers fask ins Ungeheure gewachsen
und noch stetig im Skeigen begriffen. Die vorwiegende
Berücksichtigung der einen von beiden Notwendig-
keiten kann nur auf Kosten der andern gefchehen
und ein Forkschritt auf der einen Seite bedeutek
gleichzeitia einen ebenso grohen Rückschritt auf der
andern. Um dieser Schwierigkeiten Herr zu werden,
wird schließlich nichks anderes übrig bleiben, als das
gesamte Schulwesen anders zu organifleren. Prak-
tisch denke ich mir die Sache ekwa so, daß dem bis
jeht aeschaffenen Unkerbau (Grundschule) noch weitere
vier stahre zugewiesen werden müßten. Aufgabe für
diese ersten acht stahre wäre dann lediglich Allge-
meinbildung und dafür reicht eine viel geringere
Stoffmenge aus, als sie augenblicklich in den Lehr-
plänen für diese Schuljahre zu finden ist. Dann

folgk die Berufswahl, und dem erwählten Berufe
entsprechend der Besuch einer Schule, die auf den
Beruf bzw. das Leben vorbereiket, also lediglich
Kennknisse vermittelk. Da sich der Schüler bereiks
für einen bestimmken Beruf enkschieden hat, ist es
ohne weiteres möglich, auch hier eine Ueberbürdung
zu vermeiden. Ob man diese Schule nun so gewinnk,
daß man alle höheren Schulen in eine Reihe von
Spezialschulen auflöst, oder die bestehenden höheren
Schulen mit einer größeren Anzahl wahlfreier Un-
terrichtsfScher ausstaktet, die je nach Bedarf kombi-
nierk werden können oder müssen, ifi dabei von
unkergeordneter Bedeutung.

Aber Schulreform läßt sich nicht machen, sie muß
aus den Bedürfnissen der Zeik herauswachsen und
alsdann wird unsere Schule, wie jeder gesunde Or-
ganismus, im weiteren Berlauf der Entwicklung ganz
von selbst all das aufnehmen, was ihre Lebens-
funktionen fördert und das ausscheiden, was die-
selben hemmt.

Nochmals: Der Expresfionismus

Entaeanuna auf die kritische Studie svon F. H. L. Hartmann-Bremerhaven)
von Rudolvk Gablbeck-Sckwerin.


„Die Erscheinung ist vom Be-
obachker nichk losgelöst, vielmehr
in die Individualikät desselben
verschlungen und verwickelt."

„Was originell ist, trägk immer
die Gebrechen des stndividuums
an flch." (Goethe)

Der Aufsatz „Der Expreffionismus" v. Harkmann
im 1. Hest des neuen stahrgangs enkhält etnige Wider-
sprüche und Fehlschlüffe, die nichk unerwiderk bleiben
können, zumal es stch um Punkke handelk, auf die es
m. E. gerade ankommk, wenn man den Kern des
Expreffionismus annähernd begreifen will. Es genügk
nichk die Gegenüberstellung zum stmpreffionismus,
wenigstens nicht in der vorgenommenen Meise. Man
muß stch darüber klar sein oder doch werden, daß der
Zmpr es s io n ismu s den „Abfall desMen-
schen vom Geiske" bedeuketz daß das Auge des
stmpreffionlsten sich fast ausschließlich pastiv ver-
hielt, ohne zu antworten, d. h.: Das Sehen (in seiner
ganzen Bedeutung) hielt d a auf, wo es am wichtig-
sten wird, für die schöpferische Gestaltung nämlich.
Wir sehen, um Goekhisch zu reden, sowohl „mit den
Augen des Leibes als auch mik denen des Geistes".
Für welche Ark des Sehens aber der Künstler stch
entscheidek, davon hängk für ihn, wie für eine ganze
Epoche, alles ab.

Der stmpreffionist sah und siehk mit den „Augen
des Leibes". „stch selbst war als solcher garnicht
mehr vorhanden, ich war lediglich die Summe
alles dessen, was ich sah", sagt Barrss („dtais
moi-mems je ir'sxistslo pius, j'ätuis simplsmsut 1s
somws äs tout es gus js vozmis") und kennzeichnek
damlk in nicht zu übertreffender Weise den 3m-
preffionismus, diese Malweise, die gänzlich autzer
Acht ließ, daß wir „Ausgeburk zweier Welten flnd"
und stch in unserm Auge „von außen die Welt,
von innen der Mensch" spiegelt. 3e weiter nun

aber ein Pendel nach der einen Seike hin ausschlägt,
um so heftiger muß die Gegenbewegung werden.Äls
sich der stmpreffionismus in der lehten Ausbeukung
seiner Mögllchkeiken gewiffermaßen überschlug, mußte
daher notgedrungen ein Neues erstehen: das wac der
Expreffionismus. Mkr haben ihn also aufzufaffen
als eine Bewegung, die flch vom „Hlnaus bticken
abwendek, dem „Hinein-, d. h. Znstchblicken", zuwen-
dek, als eine Bewegung, der außerdem durch das
ungeheure Geschehen des Welkkrieges ein unerhörter
Nachdruck verliehen wurde. 3m stnnersten über-
drüffig einer Kunst, deren „Rezept" — namenkkich
seik der Pariser Meltausstellung 1900 — zur Binsen-
wahrheik geworden war, „stieg nun mit aller Gewalt
das heiße Berlangen empor", wie dec Derfaffer sehr
treffend sagt, aber nicht nach „Komposttlon", sondern
nach dem Sehen mtt den Augen des Gelfies- Hier
liegk unserer Ueberzeugung nach der Kern der Sache,
welcher ist: Die völlig veränderke GiN-
stellungde s S chaffendenzuseinerU m -
welt. Er verhält fich nichk mehr leidend, ein-
saugend, reprodukkiv, sondern akkiv, in Wahrhett
schöpferisch. Deshalb ist es durchaus verfehlt,
wenn man versucht, einem Kokoschka durch Hinweis
auf die Benuhung von Spiegeln und Reflektoren
bekzukommen, ein Hinweis, der die Form, nicht aber
den Inhalt berührt. Ilm ihn aber ringt der Ex-
preflionist i n neuer Form, er will allerdings „das
Wesen erfassen, hjnter die Oberfläche schen!"
„Das ist natüclich irrig!" schreibt der Berfaffer.
Keineswegs, Herr Berfasser! Natürlich itrig
schon garnicht, höchstens für Sie persönlich. Däs
Mittel, das zur Erhärtung dieser Bchaupkung und
ihres merkwürdig kühNen Bewetses „weil es un°
möglich ist" herangezogen wird, ist in Wahrhett so
verfehlk, daß es stch eiäenklich erübrigt, es zu wtder-
legen. (Man sollte stch nebenbei endlich darän ge-
wöhnen, das Mork „unmöglich" kunlichst zu ver-
mejden.) Es heißt ha: „Man beschaue doch einmül
 
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