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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 2 (Februar 1926)
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Göritz, Hugo: Die große Fläche
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Fritz, Ernst: Offener Brief an Herrn Professor Dr. Kerschensteiner, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0043

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37

von Schulausstellungen, Schulfesten und Schülerauf-
führungen hergestellt werden. Me anfangs erwähnt,
gldt der neue Leyrplan dazu Anregung. Ausstellungen
von Schülerarbeiten und Schulfeste erfordern oft die
Herrichtung grösterer Plakate, die, mit Schrift und
Bildwerk verziert, Gelegenheit zu Arbeiten mit Be-
nutzung der grohen Fläche geben. Festspiele und
Schüleraufführungen verlangen dekorative Arbeiten,
tzintergründe und Kulissen. In unserer Lehranstalt
murden derartige liebungen wiederholt vorgenom-
men. Die Schüler einer Untertertia bekamen im
Arbeitsunkerricht einer Deutschstunde die Aufgabe,
einige behandelte Prosastücke und Gedichte zu kteinen
dramatischen Stücken umzuarbeiten, die bei einer
Schulfeier zur Aufführung gelangen sollten. In der
Borbesprechung mit den beteiligten Lehrpersonen
kamen wir zu dem Entschluß, auf dem Podium der
Schulaula den Bühnenraum mit einem passenden
Hintergrund zu versehen: eine Aufgabe, die in den
Zeichenstunden besprochen wurde und mit gutem Er-
folge zur Ausführung gelangte. Nach dem Bor-
zeigen und Besprechen geeigneter Studien, Skein-
zeichnungen und farbiger Wandbilder wurden von
den Schülern Skizzen in Zeichenblockgröhe gezeichnet.
Dann ging es zur Hauptarbeit. Um nicht zu hohe
Kosten zu verursachen, wurde als Malfläche gutes
graues Packpapier, ein Meter breit, verwendek und
zu einer dem Bühnenraum entsprechenden grohen
Fläche von 3^X4 Metern zusammengeklebk und an
Holzleisten befestigk. Nun wurden die Umriste der
Zeichnung mit Zeichenkohle festgelegt und mit Farbe
nachgezogen: dabei Bekrachkung der Arbeiken der
Kartonzeichner und Hinweis auf die Kartons und
grohen Wandbilder in den Berliner Museen und auf
die Grohzügigkeit der Formen und Farben in diesen.
Als Farben wurden die üblichen Mälerfarben in
Staubform benuht und mit Waster und Slchelleim
verbunden. Die Farbenauswahl wurde auf das
nöktgste Mah beschränkt und von den Hauptfarben
nur blau, rot und gelb, violett und grün in je zwei

Tönen hell und dunkel angewendet. Das dekorative
Bild entstand vereinfacht in Form und Farbe, fast
stilisiert. Die Schüler verhielten sich bei den ersten
Arbeiten zunächst zuschauend und halfen nur bei der
leichteren Formen. und Farbengebung mit. llnter
steter Mitarbeit, Aufsicht und Korrektur des Lehrers
wurde die Fläche gefüllt unb in der für die Zuschauer
mahgeblichen Entfernung das ganze Bild abgestimmk.
Der Erfolg der Arbeit zeigte sich bei der Aufführung.
Erst durch den gemalten Hintergrund nebst Seiten-
wänden wurde zur dramatischen Handlung und KostÜ-
mierung der Darsteller das rechte Stimmungsbild
gegeben. — Eine andere Aufgabe dieser Ark be-
kamen wir zur Weihnachtszeit bei der Aufführung
des von Waldemar Bonsels verfahten Weihnachts-
festspiels. Für den zweiten Teil der Aufführung
muhte ein Hintergrund mit der Umgebung von Bech-
lehem geschaffen werden. Abbildungen aus guten
Lehrbüchern und farbige Wandbilder gaben uns Auf-
schluh über die Gestaltung der Umgebung des Ortes.
Um die Nachtstimmung mik dem Sternenhimmel recht
wirksam zu gestalten, wurden die Grenzen der
Malerei überschritten und die Sterne auf dunkel
getöntem Grunde mik kleinen Goldglanzpapierstücken
aufgeklebk, eine Arbeit, die von den Schülern schon
sechskändig gelöst wurde und in der Wirkung bei
richtiger Beleuchkung nlcht versagte.

Wenn man nun bedenkk, daß bei vielen Schüleräuf-
führungen auch der Chorgesang zur Mitwirkung
kommt, so flnd hler drei wlchtige Kunstübungen, die
in den Schulen gelehrt werden, belsammen: Die där-
stellende, dte bildende Kunst und die Mufik und es
ist wohl richtig anzonehmen, datz diese drei Kunst-
übungen bei aller an den Ausführungen Beteiligten
und auch bei allen Zuhörenden glelchmSßig geschStzk,
geachtet und gewertet werden. Darum sollte wohl
gewünscht werden, datz auch aus diesem Grunde das
dekorakive Zeichnen auf großer Fläche tn allen
Schulen Eingang und Forkgang finden möchke.

Offener Brief an Herrn Profeffor Dr. Kerschensteiner, München

Sehr geehrter Herr Professor!

Sie haben während der „Pädagogischen Woche"
in Dorkmund (3.-7. 1. 1S26) bei 3hrem Dortrage
„Ileber den pädagogischen Begriff der Arbeit" unker
Hinweis aus die Ausstellungen von Schülerzeich-
nungen, die neben andern Arbeitsgebieten auch die
schöpferische TStigkeit der Schüler zeigken, mit einem
Scherzwort die Sache abgekan, indem Sie sagten:
„Das Gebiet der „sogenannten" schöpferischen Tätig-
keit ist abgeschöpft."

An 3hren Bortrag schloh sich keine Aussprache an,
es fehlte also die Gelegenheit, 3hrer Auffassung ent-
gegenzutreten. Gefiatten Sie, datz wir sthnen hier-
mit öffentlich auf 3hr öffenkliches Mort erwidern.
Wir haben diese Ark der Beurteilung als verlehend
empfunden, umso mehr, da ein derartiges billiges
Scherzwort uns unpassend erschien in 3hrem Bor-
trage, der rednerisch «nd gedanklich auf sehr hoher
Warte stand und durch innere Wärme und seinen
tiefen ethischen Gehalt jeden Zuhörer fesselte. Ün-
paffend auch deswegen, weil Sie in einem Referake
über den Begriff der Arbeit flch erlaubken die treue

Arbeit und die hingebungsvolle Begelsterung einer
Gruppe von PSdagogen nkcht nur zu verurkeilen,
sondern lächerlich zu machen.

Mir Ohrenzeugen Ihres Bortrages könnken über
3hre abfällige Bemerkung zur Tagesordnung über-
gehen, umsomehr, da Herr Prof. Dr. Zichen-Halle.
der unmittelbar nach 3hnen zu Worte kam, gerade
der Phantafle und den schöpferlschen Krästen im
Schüler kief schürfende Gedanken widmeke. Wir kun
das aber nicht, da wir Zeichenlehrer stets in 3hnen
einen Borkämpfer unserer Bestrebungen erblickten,
einen oft bewährken Führer, dem wir aus freien
Stücken Gefolgschast leisteken. Was ein Kerschen-
steiner sagk, ist nichk die Meinung elnes x-beliebigen
Mannes, sondern die Ansicht eines .Berufenen, auf
deffen Wort Tausende zu laufchen gewohnk flnd.
Gerade deswegen verleht uns Ihre Bemerkung aufs
kiefste. Wir vermiffen in chr die nötige Sachlichkeit
und den nötigen Ernst. Wir wollen in ihr eine red-
nerische Entgleisung sehen, die der Augenblick viel-
leicht enkschuldigen mag. Wer Kerschensteiners Werke
Kennt, kanst unmöglich zu dem ErgebstiS kommen:
 
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