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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 12 (Dezember 1926)
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Braig, Adolf: Neue Wege im Zeichen- und Kunstunterricht
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Rothe, Richard: Weg und Abweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0276

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244

Mit der Bemerkung: „Wenn auch der Wert des
darskellenden Zeichnens nach der Nakur an einer
Stelle anerkannt wird", stellt H. meine Bewer-
kung des Naturzeichnens in eine Beleuchkung, die
sich schon der Finsternis näherk. Und ebenso mutz der
Leser aus U.s Darlegungen den Eindruck gewinnen,
als sollte dem Nakurzeichnen der Untergang bereitet
werden. Und doch ist den beiden Fachgenossen aus
dem Lehrplanentwurf bekannt, daß darin von der
Meiten bis zur lehten Klasse dem Zeichnen von
Naturgegenständen neben dem Zeichnen aus der Vor-
stellung sein Recht bewahrt geblieben ist. Dazu heiht
es tn den einleitenden Erklärungen: „Das Natur-
zeichnen steht besonders in den miktleren und höheren
Klassen neben dem Zeichnen aus der Vorstellung.
Es wlll zur Erkenntnis der Wesensgehalte in den
Dingen und ihrer Erscheinungsformen anleiten. Dazu
bedarf es scharfer Beobachtung und gewandter Dar-
stellung. Das Naturzeichnen ernährt Gedächtnis und
Vorstellung und bewahrt das Vorskellungszeichnen
vor der Enkarkung in spielerisches und gehalkloses
Getue. Es ist im Lehrplanentwurf nur mit wenig
Beispielen belegk worden, wetl durch die Vorschrift
der Schulordnung schon eine reiche Ueberlieferung
für alle Stufen geschaffen ist."

Im lehken Blatt beriefen sich 1l. unü tz. ein-
mükig auf eine Aussage Dürers, die mit besonderem
Bedacht gewählt tst, um das Werk der Niederwer-
fung zu krönen. Dürer hat die Morke niedergeschrie-
ben: „Dann wahrhaftig steckk die Kunst in der Na-
tur, wer sie heraus kann reißen, der yat sie." Da-
mit glaubt man unser Schicksal besiegelt zu haben.
Man muß Dürer aber besser kennen, um unserer
Sache mit seinen Worten belzukommen. Denn es
hieße dieien Großen und seine Zeit nur im halben
Lichte seyen, wenn man nichk auch ein Wort bei

thm suchen und finden wollte das nach der anderen
Richtung weist und so erst den ganzen Dürer vor
uns hinskellt. tz. hat es gegen den Schluß seiner
Darlegungen hin zwar vorgebracht, aber in verstüm-
melter Form und, wie der Leser leicht sehen kann
in völlig einseitiger und entstellender Auslegung'
Darum ist es billig geboten, daß wir, um die wahre
Art und Fulle aller künstlerischen Nakur zu bezeich-
nen, dieses andere Dürerwort in seiner wahren Fas-
sung anschließen: „Dann ein guter Maler ist in-
wendig voller Figur und obs müglich wär, daß er
ewiglich lebte, so hätte er aus den lnneren sideen,
davon Plato schreibk, allweg etwas Neues durch die
Werk auszugießen." Wer wird sich daran nichk
ebenso herzlich freuen wie am ersten Wort?

Weisen die beiden Aussprüche Dürers, wenn man
sie zusammen siehk, auf die wahren Quellen künstleri-
schen Schaffens hin, so darf man doch nicht vergessen,
daß sie aufeinander angewiesen stnd und eine ohne
die andere versiegen müßte. Wir wollen und kön-
nen aber die Schüler ntcht zu Künstlern machen.
Darum gelten Dürers herrliche Worke nicht unmit-
telbar für unsere Arbeik an der Iugend. Wer es
will, mag aber in ihrer Verbundenheit doch etwas
wie ein fernes, hohes Gleichnis sehen für die Wahr-
heit, die auch für unser viel, viel kleineres Tun in
der Schule gilk: wir müssen die Schüler lehren, nach
innen und nach außen zu bltcken. Dürer hat aber
noch ein anderes schönes Wort gesprochen, das auch
Beachtung verdient, weil es seine Wahrheit nie ein-
büßen wird. Darum sehe ich es füglich an den Schluß
meiner Ausführungen: „Dann es muß ein gar sprö-
der Verstand sein, der ihme nik krauek auch ekwas
Weiters zu erfinden, sondern liegt allwegen auf
der alken Bahn, folgt allein Anderen nach und un-
tersteht sich nichken weiker nachzudenken."

Weg und Abweg

Von Richard Rokhe, Wien

Es scheint so als ob stch die große Wandlung im
Zetchenunterrichte, die alle „Wiffenden" fordern und
erwarten, denn doch noch in unseren Tagen vollziehen
sollke. Man erkennt immer mehr, daß Abzeichnen
allein noch lange kein Zeichenunterricht lst und daß
mit der Aufforderung „Ainschauen und Abzetchnen!
noch lange keine allgemein giltige Mechode gegeben
ist: ja daß diese die AuSdrucksfreude des Kindes eher
hemmt als fördert. Man gibt zu, daß auch das Kind
ein Rechk zu fordern hak und daß oer Lehrer dem
Kinde Gerechtigkeit widerfahren laffen muß.

Und kein Kind will aus freien Skücken abzeichnen,
so wie es die Schule forderk. Kein Kind leat stch aus
freien Stücken eine Sammlung von Häferln und
Schachteln, von Gips- und Drahkmodellen usw. an,
um darnach zu zeichnen und damik seine freien Stun-
den auSzufüllen. Wohl aber zeichnet jedes Kind aus
freien Stücken „Mannderln" und Tiers, BSume und
tzäuser, Lokomokiven usw. Aier hak die Mechode
anzusetzen und daS weikerzuführen, was daS Kind
bringk. Die Korrekcheit, die der phankasiearme Er-
wachsene vom phantafleretchen Kinde forderk, kann
nkemals ein Maßstab für die Leistung des Kindes sein.
Wtr dürfen vom Ktnde nichk alles auf einmal ver-
langen, wir müffen ihm Zeik zur Enkwicklung laffen.

Wir dürfen aber auch nichk in das Gegenketl ver-
fallen und alles ohne weiteres und krikiklos gelten
laffen, was das Klnd bringk. Wir haben nichk psycho-
logische Dokumente zu sammeln, sondern zu unterrich-
ten, d. h. zu fördern, das Schlechte aus dem Wege zu
räumen, das Gute herbeizutragen, Ailfen zu bteken.

Damik ist eigentlich schon der Weg geaeben. Ilnd
alles dies ist elgenklich schon vor vielen Zahren gesagk ,
worden./And trotzdem: es bleibk noch tmmer neu.
Noch immer steht die Frage auf der Tagesordnungr
Aat das „Zeichnen nach der Nakur" dem „Schaffen
aus der Vorstellung" vorauszugehen oder tst der um-
gekehrke Weg der beffere, der richkige? Noch immer
wird behauptek: Nur- „nach der Natur" lernk man
sehen und zeichnen?^

s^Diejenigen, dte' so fragen und so behaupten, die
iwiffen nicht, daß eigentlich nur der phokographische
Apparak genau nach der Äatur zeichnen kann, «nd
sogar der machk es falsch. Er nimmt eS mit der Per-
spekkive nichk ganz genau. Und nun erst gar der
Mensch, der ein ganz anderes Auge hak als dieser
„Korrekte" Apparak, und außerdem noch eine Seele
dazu. Damik, daß man „nach der Nakur zeichnek",
lernk man noch lange nicht zeichnen, tnSbesondere,
wenn man unker Nakur ganz absonderllche Dknge
 
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