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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 2 (Februar 1926)
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Herrmann, Carl: Die Tragik des Zeichenlehrerstandes
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T., R.: Die schönste Postkarte: Kinderpädagogik beim Rundfunk
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0050

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Fremükörper im UnterrichtSbetriebe der höheren
Scholen dazustehen und zwar jetzt unter erschweren-
den Ümständen. öenn früher bestand noch die Hoff-
nung auf das zu erstrebende Ziel, heute ist auch diese
qeschwunden. Lin klägliches Feilschen um Brosamen
hat begonnen. Eifersüchteleien und Klagen über un-
gerechtfertigte Zurücksehungen häufen sich. fieber-
bafkes tzaschen nach dem reltenden Strohhalm, der
diesem oder jenem beschieden wird. Aber nichts hörk
man von stolzem, grostzügigem und ehrlichem Be-
kennen, was uns bedrückt und was unserer llugend
frommt.

Noch halten wir unschätzbares Gut in ^inseren
Händen. Wir können es pflegen und ausbauen.

auch im neuen Geiste. Doch man befreie uns von
dem enkwürdigenden Hemmschuh und gebe uns die
Möglichkeit eines harmonischen Zusammenarbeitens
in einem einheitlichen Lehrkörper zum Wohle der
Zugend. Das kann nur geschehen durch die voll-
kommene Gleichstellung. Dann haben die Ueber-
gangsbefiimungen erst Sinn. Sollte auch hier und
da ein unverdientes Matz von Wohlwollen einen
treffen, die Gefahr ist nicht so groß, als wenn der
größere Haufe in Hoffnungslosigkeit und Verbitte-
rung dahinstirbt, um einer glücklicheren Generation
einst Plah zu machen.

Weihnachten 1625.

Karl Herrmann, Herford i. W.

Die schönste Postkarte

KiuderpSdagogik beim Rundfunk.

Datz das Amt einer Kinderkante beim Rundfunk
nicht nur ein schweres, sondern, wenn es gut geführk
wird, auch ein recht dankbares ist, das bestätigen die
Erfolge, die mit den Samstag-Kindernachmittagen
beim Süddeutschen Rundfunk erzielt werden. Aus
der Praxis heraus hat stch folgender Grundsatz als
der wichtigste herausgeschält: Gebt demKinde
Anregungen und BeschSftigüngen!
Mit Rätseln allein ist es nicht getan, es gibt noch
hunderterlei andere Dinge, mit denen man die
Kinder erfreuen und an sich fesseln kann. Dem-
jenigen, der mit Kindern umzugehen verstehk, wird
man es nicht erst zu sagen brauchen, welche Mitkel
hier dienlich sind, und im entgegengesetzten Falle
dürften aber auch alle guten Aatschläge erfolglos
sein. Der Außenstehende mag über mänches viel-
leicht den Kopf schütteln, da er kaum mehr fähig ist,
sich in die kindliche Psyche hineinzudenken. Wenn
man aber die kleinen Deranstaltungen näher be-
trachtet, ernsthaft überprüft, dann zeigt es sich, wie
ungemein wertvoll und anregend solche Dinge auch
für den Erwachsenen sein können. Dafür ein
Beispiel:

Das Gretle von Strümpfelbach, wie sich die
Kinüertante des Süddeutschen Aundfunks zu nennen
beliebt, kam ausden Einfall, die Kinder zu bitten,
ihr die schönste Postkarte zu schicken, die Üe fänden.
Lasien wtr alle die Zufälligkeiten und Hinderniffe
sachlicher und finanZieller Art beiseike und bekrachten
wir den Einlauf der zahlreichen Postkarten, so er-
weist sich folgendes. Die Kinder waren mit spon-
taner Begeisterung dabei, das Schönste für ihr
Gretle auszuwählen. Aesthetische Prinzipien bei der
Beurteilung anzuwenden wäre völlig verkehrt, denn
das Kind hat nicht den gebildeten Geschmack der
Erwachsenen. Bon hundert Postkarten werden kaum
ein Dutzend der Kritik des kunftverständigen Men-
schen standhalten. Der Begrtff schön geht beim
Kinde soweit das Aesthekische in Bettacht kommt, im
großen ganzen nie Lber das Durchschnittsniveau
hinaus, das die breite Masie hat. Der naive Mensch
und vor allem daS Kind ist vor allem sachlich und
auf den Znhalt eingestellt und dabei auf das Wesent-
liche und auf den unmittelbaren, elementaren
Lindruck.

Am meisten wurden Postkarten mit Land-
schaften bevorzugt. Beim näheren Zusehen merkt
man, dah hier irgendwelche Ferien- und Ausflugs-
erlebnisse elne grotze Rolle dadei spielen, und soweik
den Kindern eine Wahl möglich war, gaben sie üen
Karten, welche dey stärksten und umfasiendsten Aus-
druck vermitteln, den Borzug. Datz farhige, ja stark
farbige Karten besonders berückstchtigt wurden, mag
nur nebenbei bemerkt werden. Sogenannte 3deal-
landschaften, ungefähr im Stile Rüdisiihtis konnte
man nur sehr selten finden, obgleich Liese aus dem
Postkartenmarkk sich immer noch breit vordrängen.

Der Zahl nach folgen dann Karken mit Klnder -
bildniss en, die gewöhnlich recht sütz und senti-
mental sind, wosür aber das Kind noch kein Ber-
ständnis hat, im Gegenteil, es glaubt, datz das Nette
und Zierliche, Liebe und Herzige geratze hier am
stärksten wiedergegeben sei. Damik mag wohl be-
kundek werden, datz dem Kinde der eindeutige un-
mittelbare Ausdruck in alleich recht ist: Das
Genreblld wird im gleichen Matze bevorzugt,
vor allem, wenn ste im Sttle der Kaulbach- oder
Paul Hey-Postkarten gehalten stnd oder wenn ste
sehr lustig, sehr heiter und sehr drollig stnd. Ernste
Katten, womöglich mit religiösem Znhalt waren
elten. Das Kind brängt eben zum Frischen, Fröh-
ichen, zum Naturhaften, deswegen auch etliche
Blumen- und Tierbilder. Wenn sogenannte Kunst-
postkarte n gewählt wurden, so waren es solche,
dte durch die Künstlernamen LudwigRichter, Schiestl
usw. charakteristett sind. Bei den Mädchen kynnte
man eine Borliebe für Lied- und Märchenillustration
wahrnehmen. Sehr viel machk stch der Wunsch gel-
tend, mit dem Empfänger in starkere Beziehung zu
treten, das geht wenigstens äus den heiteren Rand-
bemerkungen hervor. Ileberhaupt ist die Kinder-
korrespondenz so ungemein von Fröhlichkeit ge-
tragen, datz die alte Dame durchaus recht hat,
welche der Kindertänte fölgenden Spruch üder-
mittelte:

Willst Du glücklich sein im Leben,

Trage bei zu andrer Glück,

Denn die Freud', die Du gegeben,^—
Kehrt inS eigne Heim zurück. / R. T^
 
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