Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

DOI Heft:
Heft 3 (März 1926)
DOI Artikel:
Merwart, Fritz: Denkmalpflege, Heimatschutz und künstlerische Erziehung
DOI Artikel:
Frantzen, W.: Fastnachtspuppen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0073

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
66

Auch der Bortrag Prof. Wicherks über „Die
Farbe im Skadtbild" entfesselte eine lebhafte De-
batte und führte ganz von selbst zu allgemein kunst-
erzieherischen Gedanken.

Die künstlerischen Gefahren der neuen Farben-
bewegung wuröen vom Haupkvorkragenden mehr her-
vorgekehrt, als andere für gut fanden. Allgemein
anerkannt wuröe, dah öie neue Vorliebe für leb-
haftere Farben nicht aufzuhalten ist in ihrem Sieges-
zug. Der Gegensatz zwischen den mehr volkstüm-
Uch Empfindenden, die auch starke Buntheit ertra-
gen, unö öen mehr aristokratisch auf eine zartere
Farbenskala Eingestellten wird wohl immer bestehen
bleiben. Die Mahnung zur wohl abgewogenen Far-
bigkeit anstelle willkürlicher Buntheit hatte aber doch
allgemeine Berechtigung.., Denn es ergibt sich auch
hier die Erkenninis, dah nur ein künstlerisch empfin-
dender Mensch in der Praxis befriedigende Lösungen
finden wird: die rein handwerkliche Fähigkeit ge-
nügt öeshalb nicht, weil uns feste überlieferte For-
men fehlen und die Bedingungen an verschiedenen
Orten immer wieder andere sind. Also ergibt sich
eine starke Unterstützung unserer Arbeitsziele: Das
Bolk, der Schaffende wie der Geniehende, alle müssen
künstlerisch erzogen werden, um solche scheijnbar
einfachsten Aufgaben wie den farbigen Anstrich eines
Hauses befriedigend lösen zu können.

Einen werkvollen Einblick in die Praxis der Siche-
rungs- und Wiederherstellungsarbeiten an grotzen
Denkmälern der Kunst gab zuletzk der ausführltche
Lichtbildervorkrag des Münsterbaumeisters von Frei-
burg über die Arbeiten am Freiburger Münster.

Alle diese Dinge blieben nicht trockene Erörterung.
Denn man brauchte nur aus dem ehrwürdigen Kauf-
haus, wo die Sitzungen stattfanden, herauszutreten,
und stand gleich vor dem ehrwürdigsten Denkmal
mittelalterlicher Kunst, dem herrlichen Münster, und
auf Schritt und Tritk bot die alte,Stadt Freiburg
Beispiele und leider auch Gegenbeispiele für alle
Kapikel der Denkmalpflege.

Und was an Anschauung etwa noch fehlte, wurde
durch die wohl vorbereiteten Studienfahrten nach
Stätten alter Kunst in der Umgebung Freiburgs
reichlich nachgeholt. Bon Alk-Breisach mik seinem
auf der Höhe ragenden Münster blickten wir über
den Rhein in das uns jetzt leider verschlossene ge-
liebte Elsatz hinüber, dessen Kunstdenkmäler uns
durch einen Bortrag des frllheren Bezirkspräsiden-
ken von Unter-Elsaß, jehigen Regierungspräsidenten
Pauli (Poksdam) in ihrem ganzen Reichtum in die
Erinnerung gebracht worden waren. Durchs Höllental
ging dann die Studienfahrt nach Donaueschingen mit
seinen erlesenen Schätzen mittelalterlicher Malerei
(Meister von Meßkirch — der ältere Holbein) und
den Kostbarkeiten alter Buchkunst in der berühmten
fürstlichen Bibliothek — nach Sigmaringen, nach
Konstanz, nach der Reichenau, nach Meersburg,
Ueberlingen, Goldbach, Birnau, Heiligenberg und
Valem mit ihrer Fülle der historischen Erinnerungen
und der edelsten Kunstdenkmäler.

Das im Anfang berührte Gefühl der Ehrfurchk
vor den Leistungen der Bergangenheit wurde fast
übermäßig gesteigert und öfter ergriff einen wohl
das Gefühl der Kleinmut und des Zweifels. Ist un-
sere Zeit überhaupt noch imstande, wirkliche Kunst
hervorzubringen? Können wir die geistige Samm-
lung und die llnnigkeit und Gläubigkeit noch auf-
bringen, die uns überall entgegenkritt? Zedenfalls
bleibt es eine überaus wichtige Aufgabe des Er-
ziehers, dte Kunstwerte der Bergangenheit an sei-
nem Teil pflegen zu helfen und sie dem Bolke nahe
zu bringen, es zu diesen Quellen zu führen als zu
einem Iungbrunnen, aus dem die edelsten Kräfte un-
serer Borfahren noch lebendig hervorquellen.

Mer die Beranstaltungen der Tagung im Einzel-
nen verfolgen möchte, den verweise ich auf den dem-
nächst erscheinenden sienographischen Berichk und die
schon oben erwähnte Zeikschrifk „Denkmalpflege und
Heimakschutz", Berlag Hackebeil, Berlin, Stallschrei-,
berstraße 34—35.

FritzMerwark.

Fastnachtspuppen

von W. Frantzen, Gronau i. Westf.

-und wenn ihr die Bodenkammer, Kram-

ecken und Rumpelschubladen eurer Mukter mal
durchsucht, werdet ihr sicher eine Menge Sachen
finden, die ihr zur Herstellung der Puppen gebrauchen
könnt. Wer aber in den nächsten Stunden am prak-
kischsten, stabilsten und lustigsten arbeikek, dessen Figur
soll in der ganzen Puppenschar die Fahne mik der
bunten 3nschrift „Hier ist Fastnacht!" kragen dürfen.
Und dann wollen wir doch einmal sehen, ob die
Leute, die in unserer Ausstellung umhergehen, nur
vor den Arbeiken der älteren Schüler oder auch in
eurer Abteilung stehen bleiben, wo ihr und die ganze
Unkerstufe in Zeichnungen auf dem Papier eure
Fastnacht feiert!"

3n der nächsten Stunde hatte ich die Bescherung.
3ch kam mir vor wie der Zauberlehrling, der die
Geister gerufen hatte, und sie nun nichk bannen
konnte; denn die Zungens und Mädels kamen in
den Zeichensaal mit einem Krempel, den ich als
Klüngelkerl nicht angenommen hätte. Aus Mappen,
Tornistern und Pappschachteln kramken sie die Beute

ihrer häuslichen Raubzüge aus: Garnrollen, Drähte,
Skahlfedern, Watte, Corsettstangen, Stoffreste, Garn-
und Wollfäden, Zaarnadeln, Astgabeln, Schuhzungen,
Knöpfe und Handschuhfinger. Mir wurde ganz
dumm zumute, als ich daran dachke, daß ich den
Kindern doch helfen müßke, aus diesem Plunder
menschezrähnliche Wesen zu machen. Am die selbst
eingebrockte Suppe vorläufig von rnir wegzuschieben,
gab ich den Aak, sie möchten sich doch erst einmal
in einer Skizze Lber die Konstruktion ihrer Puppen
klar werden. „Das geht auch ohne Zeichnung so iehr
gut, Herr Frantzen, vielleicht sogar noch besser!"

Prost! Ich war also z. D. gestellt! Und während
die kleinen Gesellen arbeiteken, und ich durch das
Fenster in die graue Winterlandschafk sah, hakke ich
Muße genug, um in meiner neuen Lage über Kunst,
Zeichenlehrer und methodische Musterlehrproben nach-
zudenken. V,

Während die kleinen Mädels akkurak schnitken
und säuberlich nahken, enkfalketen die 3ungens Phan-
 
Annotationen