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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 8 (August 1926)
DOI article:
Riemerschmid, Richard: Wege und Irrwege unserer Kunsterziehung
DOI article:
Frantzen, W.: Architekturbetrachtung und Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0170

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151


Das unmittelbare Ueberkragen der Naturform auf
das Kunstwerk skeht dem Schuler nie, vielleicht dem
Meister zu, der beurteilen mag, wo er's braucht. Zur
Regel soll es gemacht werden, datz nie das Naturvor-
bild, auch nicht die genaue Abschrift nach dem Natur-
vorbilö und die zu gestaltende Arbeit zu gleicher Zeit
im Bereich des Auges sein soll. Manche behalten
bei dieser Nötigung, das Naturvorbild ihrer Bor-
stellung anzueignen und von da aus erst als etwas
Eigenes wieder herauszugehen, viel, manche recht
wenig, nur dies und das. Ieöer behäli aber genau
das, was ihm fatzbar ist, was ihn erregt. Was er
nicht behalten kann, das ist nicht etwa nur unwichtig.
Nein, das s o l l er nicht bringen, das ist gerade das,
was er nicht bringen soll. Nur die Form ist wert-
voll in öer Kunst und hat mit ihr etwas zu tun, die
sjchtbarer Ausöruck der unsichtbaren inneren Erregt-
heit ist, und nur so entsteht ehrliche, echte Arbeit . . .

Zn öiesem Zusammenhang ist ein Fehler zu er-
wähnen, der, in der besten Absicht sicherlich, oft ge
macht wird. Auf die Meisterwerke aus der Zeit
höchster Entfaltung der einzelnen Persönlichkeitrn
wird hingewiesen als auf die wahren Borbilder und
es wird nicht darauf geachtet, datz zu den Anfängern
die Anfänge am eindringlichsten und verständlichstrn

sprechen, datz die frühen Entwicklungen die besten
geeigneten Borbtlder sind und datz in den Anfangs-
zeiken sich die gültigen Regeln für eine Entwicklungs-
reihe festlegen, während in den späten Zeiten der
Reife und Ueberreife die grotze Persönlichkeit, ihre
eigenen Gesetze aufstellt, um sie selbstherrlich zu be-
folgen oder umzustohen. Zmmer sind doch d i e Bor-
bilder die brauchbarsten und fruchtbarsten, die dem
Lernenden das Erreichbare zeigen, nicht das Ilner-
reichbare, das Begreifliche, nicht das Unbegretfliche.
Es steckt auch hier eine Spur von Unehrlichkeit. Gar
viele, — und zwar Lehrer sowohl wie Schüler, —
mützten doch, wenn sie ganz ehrlich wären, zugeben,
datz sie vor einem Rembrandt, Dürer, Lionardo nicht
viel anderes spüren als ein etwas unbehagliches
Bewundern, während es ihnen so recht wohl wird
vor einem feinen Stück naiver Bauernkunst. Frucht-
bar ist aber allen ein frohes Erfassen, ein beglücktes
Sich-Aneignen . . . Beispiele, die aus der „Bauern-
kunst", aus „primitiven Zeiten" geholt sind, sind auch
deshalb als Borbilder oft vorzüglich brauchbar, weil
hier handwerkliche und seelische Grundlagen und
Ausgangspunkte leicht erkennbar sind, weil das
Natürliche, Selbstverständliche noch unverhüllt ist.

Architekturbetrachtung und Werkstatt

W. Franken - Grona«.

(Siehe Kunstbeilage)

Die Architektur ist diejenige unler den bildenden
Künsten, die in der Hauptsache einer praktischen
Zwecksetzung unterworfen ist. Ergeben sich Plastik
und Maleret als Erzeugnisse einer gewissen Ilnge-
bundenheit der Phantasiekräfte, so ist die Architek-
tur in erster Linie eine Frage der Aaumbildung und
Notwendigkeit. Die mehr oder minder organisch-
konstruktioe Lösung dieser Frage stellt im Verein
mit der Stilbildung dekorativer Einzelheiten den
künstlerischen Wert eines Baues dar. Bon diesem
Standpunkt der praktischen Raumlösung aus haben
sich die Archikekturen aller Bölker und Zeiten ent«
wickelt und von ihm aus schafft auch ganz besonders
betont die moderne Kunst.

Auch in der Schule mutz sich die arbeitsunterricht-
liche Behandlung der Pyramiden, Tempel, Burgen,
Klöster, Kirchen, Schlösser und modernen Zweck-
bauten auf diesen Standpunkt beziehen.

Die Kunstbetrachtung ist ein Unterricht, der auf das
engste mit der Anschauung und der Eigentätigkeit
des Schülers verbunden ist. Die Architekturbekrach-
tung in ihrer Besonderheit soll das, was von dem
jungen Schüler rational verstanden werden kann,
mehr ins Auge fassen als eine abstrakte Kunstbe-
sprechung des subjektiv empfindenden Lehrers, die
leicht zur Phrase wird, und an dem Empfinden des
Schülers ebenso leicht vorbeiredet, es verwirrt oder
gar abtöket. Ein Mort in diesen Dingen naiven
Kunstgenusses zu wenig ist besser als eins zuviel. Das
einzige Mtttel, um dieser Gefahr aus dem Wege zu
gehen, ist, datz man immer wieder den Schüler auf
das Anschauungsmaterial zurückbringt, beobachten
und sprechen lätzt.

Aber selbst eine guke arbeitsunterrichtliche Be--
nutzung von Bildern in der Architekturbetrachtung
lätzt ein sicheres und erlebtes Gefühl im Schüler für

öas Körperliche nicht in dem Matze aufkommen, wie
die Benuhung körperlicher Modelle. 2m Berein mit
diesen sind Bilder allerdings eine wertvolle Ergän»
zung, um stilistische Einzelheiten und den Zusammen-
yang von Architektur und Landschaft aufzudecken.

Nun stnd diese Modelle schwerlich aufzutreiben
und in der Anforderung an besondere methodtsche
Forderungen gar nicht zu bekommen. 2n Anbetracht
des Wertes der Kunstbetrachtung für die harmonische
Bildung im allgemeinen und der Archltekturbetrach-
tung im besonderen noch für die Erztehung zur prak-
tischen Raumkonstruktion hat unsere Werkstatt aus
der Not eine Tugend gemacht, indem sie diese Mo-
delle selbst herstellt. Die Schüler arbeiten sie nach
klaren Werkskizzen ln organisierker Gemeinschaft,
lassen nakürlich alle verwirrenden Einzecheiten autzer
Betracht und beschränken sich auf das Typische der
großen Anlage. Der Anstrich dieser Bauten ist
kräftig und betont und steigert mik verschiedenen
Farben die jeweiligen Raumfunktionen. Diese Mo-
delle werden von geretskeren und älkeren Schülern
für ihre jüngeren Schulaameraden hergestellt, denen
die Abbildung das räumlich körperliche Erlebnis nicht
in dem Mesen vermitkelt wie die plastische Wirklich-
keit. Der Bau solcher Modelle aus kräftiger Pappe
und Holz macht wegen seiner Ahwechselung den
Dungens viel Freude und ergibt auch ganz natürlich
eine organische Bindung von Kunstbetrachtung,
Linearzeichnen, dekorakivem Malen und Werkskatt-
arbeit zum erweitert synthetischen Kunstunterricht.
Diese Arbeit bildek eine rationale Weiterführung der
schöpferischen Bauversuche der Ankerstufe, über die
tzerr Schäffer (Aelzen) vor einiger Zeit an dieser
Stelle einen anregenden Aufsah veröffentlicht hat.
Als Lehrmitkel finden diese Modelle hauptsächlich
ihre Berwendung in den Klassen der Mittelstufe, in
der auch -ie Kunstbekrachkung ekwas von der ratio»
 
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