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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 9 (September 1926)
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Explosion!: ein Unterrichtsbeispiel zu dem Problem: "Künstlerische Mittel und Werkstoffe
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Kolb, Gustav: Bildungsfragen im Württembergischen Landtag
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0203

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180

beim Schneiden aus der schwarzen Papierfläche her-
aus der Fall ist, insbesondere, wenn bei lehterem ein
weitzer Pappdeckel als Schneideunterlage benüht
wird. Wie leuchtek und funkelt doch schon ein ein-
facher weitzer Fleck inmikten der schwarzen Fläche,
wie anregend ist er, und wie ganz von selbst seht er
sich-ZUin Bildrand in Beziehung.
sBei der Einleitung der Aufgabe kommen wir
überein, datz bei dem bildhaften Gestalken einer Ex-
plosion es sich letzten Lndes um das Sichtbarmachen
von Kräften handelt, die von einem Punkt aus, zu-
nächst mit ungeheurer Wuchk ausstrahlen und nach
dem Bildrand hin allmählrch verebben. Damit war
auch gleichzeitig der Angelpunkt gegeben, von dem
aus am besten die Arbeit in Angriff genommen wer-
den mutzke. "s.

Was in den Parlamenten über Bildungsfragen
gesprochen wird, sollken wir nicht unbeachtet lassen.
Solche Erörterungen beleuchten blitzarkig unsere
Kulkor- und Blldungskragödie, die darin besteht, daß
die einzelnen Wertgebieke der Kultur sich so ver-
vollstänoigt haben, oaß sie Selbstzweck geworden
stnd und daß auch das reichbegabteste Individuum
nicht mehr das Kulturganze überlchauen kann
(Simmel). Daraus zumeist folgt wohl auch, „daß
die Krafk der Verarbeikung unserer. Kultur und
ihrer Güter in einer grotzen lebendigen fortreihen-
den ewigen Zdee im Grunde heuke fehlk, überhaupt
unsrer heutigen Bildung im grotzen und ganzen ab-
handen gekommen ist. (Staakspräsident und Kult-
mlnister a. D. v. Hieber im Württ. Landkag, 5. 11.
1925.) Deshalb mangeln wir der Einheik unseres
Bildungswesens und Bildungsideals, wovon schon
die babylonische Verwirrung in der Auslegung des
Begriffes „Btldung" zeugk. Daß es unter dlesen
Umständen heute unmöglich ist, eine allgemeingül-
tige Reform des Schulwesens durchzuführen, weil
die verschiedenen Wertgebieke wie Wissenschafk,
Technik bel ihren Forderungen nur sich selbst sehen,
darüber belehrte uns Ministerialrak Richerk, der
Schöpfer der preußischen Schulreform, bei seinem
Vortrag in Dresden. Er erzählte uns auch, wie
Vertreker der Wissenschaft chr Recht geltend machen:
„Nur aus dem Geiste der Wisienschaft, und zwar
der retn inkellektualistischen Wisienschaft können
wir Deutschland wieder aufhelfen." Mer lächelte
damals nicht ob solcher „Einseitigkeit". Doch was
führke der eben genannke Dr. v. Hieber kürzlich im
Württ. Landtag aus?: „Das Zlel aller höheren
Schulen mutz nach wie vor wisienschaftliche siugend-
dtldung, und zwar wisienschaftlich im strengsten Sinn
des Workes, sein und bleiben. 5ch bekenne mich
unumwunden zu dem, was man Znkellekkualismus
der PSdagogik und im Lehrplan heitzt (mit gewisser
Einschränkung natürlich) aber grundsätzlich. Ein
streng wisienschaftlicher, gewisienhafter Ilnkerricht
wirkk immer zualeich nicht blotz intellektualistisch,
sondern auch ethisch, wirkk gemüts- und willens-
bildend... Zur wisienschaftlichen Bildung gehört vor
allem die sprachlich begriffliche Schulung des Zer-
gliederns und Üebersetzens. Alle Aenderungen im
Lehrplan oder in den Stundenkafeln, alle Verkür-

Weiterhin verbok die Eigenark des gewählten
künstlertschen Mittels ganz von selbst ein Hängen-
bleioen an Einzelheiten, ja diese fast Lberhaupt, und
führke (weil nichk von auhen an den Schüler heran-
getragen) zu individuellen, rhythmischen und dekora-
kiven Lösungen, die als Gesamkleistung durchaus
befriedigend war.

Nur ein Schüler wollke gerne bei seinem gewohn-
ten und geliebken Bleistift bleiben. Er war als Gegen-
beispiel willkommen und bekam seinen Willen.
ZeLach das Ergebnis war mehr als kläglich.

W erscheint fast überflüssig, hinzuzufügen, daß bei
der"nun folgenden Betrachtung der zwei obengenann-
ten Holzschnitte von Hokusai, das Verständnis und
Interesse der Schüler ein ganz anderes war, als wenn
sie chnen etwa im Zusammenhang mit„einer Kunst-
geschichtsstunde gezeigt worden wären. )

zungen des Sprachunkerrichts dürfen nur eintreken,
wenn dringende Anforderungen von andern Mis-
senszweigen vorhanden wären." Von Dr. v. Hieber
erwarketen wir einmal die obligatorische Durchfüh-
rung des Zeichen- und Kunstunkerrichks im Ober-
gymnasium. Innerhalb seiner Auffassung von Bil-
dung ist allerdings für die Entwicklung soicher irratio-
naler Dinge wie Kunst kein Raum. Die Gemüks-
bildung wird ja schon von der Wiffenschaft geleistet.
Oder ist er derselben Ansicht wie jener führende
Philologe, der der preußischen Regierung erklärke:
„Kunst ist ja ganz nekk, aber wenn eine Lakeinstunde
darüber verloren geht, müsien wir doch ernsthaft
prokestieren."

Mik den Ausführungen des Herrn Dr. v. Hieber
vergleiche man nun einlge Proben aus dem eben-
genannken Vortraa R i cherks. der der Kunst eine
hohe erzieherische Bedelltll'ng im Sinne der huma-
nen Persönlichkeitsbildung zuerkennk. Denn er weitz
wohl: „Man mag sagen, was man will: unsere
höhere Schulbildung hat festgestanden im Zeichen
des Intellekkualismus, der Gedächkniskulkur und der
Vorherrschast des Wisiens." Deshalb ist er der
Anfchauung: „Die Zukunfk unseres Volkes als
eines Volkes von Eigenark und Eigenwert hängt
wesentlich davon ab, ob wir unsere siugend die
Lebensformen des deükschen Lebens ästhettsch er-
leben laffen. Und unser Verständnis der anderen,
das die höhere Bildung nichk enkbehren kann, hängk
wieher davon ab, daß wir unser Verständnis messen
und verkiefen an dem ästhettschen Erlebnis ihrer
Eigenart und ihres Sonderwerkes an ihren Kunst-
werken. Hier liegen darum die dringendsten Auf-
gaben der Kunsterziehung, weil die inkellektuelle
Einstellung unserer Äildung bisher hier grundsätz-
lich und gründtich versagk hat: denn gerade die Be-
wußtheik und Reflexion ist für diese Dinge ost
lebensbedrohend..." „Wir wollen die Selbständig-
keit des Urteils, Gemük, Phantaste und Willen enk-
wickeln und machen diese Frage zur mekhodischen
Grundfrage des Ilnkerrichks." „Die Lebenstlefe, den
Herzschlag der Kunst erleben wir nichk in der Form
des Denkens, sondern in jener Tiefe, in der das
Irrakionale in unser Leben eingreift. 5m Ssthett-
schen Erlebnis allein überströmt uns auch die Se-
gensfülle der Helmak, denn nur im Phankafleerleb-

Blldungsfragen im Württembergischen Landtag
 
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