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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 1 (Januar 1926)
DOI Artikel:
Reinke, Oskar: Verborgene Kräfte im Zeichen- und Kunstunterricht
DOI Artikel:
Ohlrich, Bruno: Das Kunstblatt der Jugend
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0022

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1?

Natur sich zu den leichkbeschwingten Formen ent-
wickelt, verlangen verschiedene Ntaterialien schwer-
wiegende und anderssprechende Ausdrucksgesehe,
deren Erkenntnis keine sklavische Naturnachahmung
zulassen. Hier können wir leicht auf den mathema-
tischen Grundformen aufbauen und durch Vergleiche
mit den bestehenden Kunstwerken das Empfinden
klären und zum schöpferischen Gestalten leiten. Die
Zugend erkennt alsdann leicht, dah ntcht die Kunst
neue Stile schafft, sondern datz der Stil sich seine
Kunst schafft.

Wenn wir berücksichtigen, dah unsere Zugend
neben dem künstlerischen Schaffen ein Verlangen
nach klärender Deutung hat, dann können wir un>ere
Arbeit wie folgt gliedern: 1. Einführung und Ent-
wicklung, 2. Einzeljtudien, 3. Erkenntnisse, 4. Uebungs-
aufgaben, 5. Einzelbesprechungen im engen Anschluh
an die Aufgabe, 6. Hinweise auf bisherige Kunst-

werke, 7. die lineare Darstellung, 8. das künstlerische
Problem, 9. der freie Vortrag (Lichtbild). Wer als
Zeichenlehrer nur mit den Talenten operiert, läßt
die Masse der Unbegabten verkümmern. Nur wer
die Gesamtheik der Schüler durch zielbewutzte Ar-
beitsmethoden und unter Freiheit der individuellen
Veranlagung leitek, der verhindert, Latz der Schüler
nur ein Werkzeug und der Lehrer der eigentliche
Schöpfer ist.

Wie aus der Natur ein tieferes Walken zu uns
spricht, wie in einem Hause, ob alt oder neu ebenso
dessen Seele unser Empfinden insgesamt beeinflußt,
so kann auch der Zeichen- und Kunstunterricht auf
methodischer Grundlage die verborgenen seelischen
Kräfte auslösen und wecken. Zu dieser Erkenntnis
kommt der Zeichenlehrer, sofern er als Künstler ünd
Lehcer die notwendige Veobachtungsgabe und das
erforderliche Lehrgeschick besihk.

Das Kunstblatt der Iugend ^

Erwiderung auf dle krillschen
Von Bruno

Betrachkangen. (Voelker)
Oblrich. V

Der Verfasser der kritischen Betrachtungen ist von
dem Glauben an die Autorität des Lehramts tief
durchdrungen. Dies ist seine eindringiiche Klage:
„Dürfen wir sie (die öugend) unbejorgt sich neben
uns stellen lassen?" Fürchtet er für die Würde des
Lehramts? Nein, er fürchtek für die Moral, für die
künstlerische Nioral der 2ugend. Er fürchtet, datz
unter der Zugend ein „Artistentum" ausbrechen
könnte, ein „Ueberbietenwollen" und „Auchsokönnen
wie andere", jchlechthin gesagt, ein unedler Wettbe-
werb. Er fürchtet das nähe Beieinander von
Lehrendenund Lernenden, wie er die
Dinge ansieht und erwartek davon Ileberhebung und
Korrupkion des jugendlichen Geistes. Er fordert, datz
die uralte Schranke zwischen Lehrern und Schülern
nicht autzer acht gelassen werde, entweder Schü-
ler oder Lehrer — wo liegt der Schwerpunkt?,
so lautet seine Fräge.

Sagen wir die Antwort vorweg: Bei üen Schü-
lern! Und wir fragen erstaünt, von welcher Rivalikät
unser so gestrenger Herr Kritiker denn sprichk? Hat
er denn bei uns jemals künstkerische Arbeiten von
Lehrern bemerkt? Wir erinnern uns nicht, solche
gebrachk zu haben. Was bedeutet denn nun der
obe» angeführte Sah? Der Herr Kritlker wird sich
also auf die Aufsätze von Lehrern, soweik solche er-
schienen sind> beschränkt sehen müsien. Und welche
Art von Artistentum erwartek er unter diesen Um-
ständen? Besteht eine Rivalikät zwischen Kunst-
werken (sozusagen) und Aufsätzen? Das wäre, wie
wenn man Pfirstche und Weizen durcheinander dtvi-
dieren wollte! Der Herr Krikiker schlägt selbst eine
Zeitschrist nur mit jugendlichen Arbeiten vor. Dort
besteht für ihn nicht mehr die Gefahr des Artisten-
tums, des Ueberbietenwollens? Oder doch noch?
Warum sagt er uns das dann nichk!

Und dies sei von vornherein gesagt: Wir betrach-
ten die Arbeiken unserer jugendlichen Mikarbelter
sehr, sehr ernsthaft, sozusagen mik voller Hochachtung.
Wtr sagen nicht, daß ste Kunst seien — aber wir
sagen vor allen Dingen auch nichk, daß ste etwa eine
Kunst zweiter Klasje seien. Unser Bestreben ist ledtg-
lich das, die wahrhaft künstlerisch keimkräfkigen Ar-

beiken herauszustellen, uns vom Konventtonellen,
Kttjchigen unü auch vom blotz Artistischen freizu-
halten. Der unedle Wektbewerb, wenn er aljo ver-
sucht werüen sollte, käme bei uns nicht aus seine
Nechnung. Das Artistentum wird notwendig abge-
lehnt werden, und wte der Herr Kritiher ganz ricylig
bemerkt, der betreffende jugendliche Abonnenk wird
uns verlassen, wenn er bet uns mit jeinen Fertig-
keiten kemen Anklang findet und er eben vom
Kunstblatt der Zugeiid nichts anderes erwartet hat.
Wir aber fragen, ist dieser Erfolg zu begrützen oder
nichk? Offenbar ja. Nicht im Sinne des „geschäfts-
tüchtigen" Verlages, aber in 3hrem Sinne, verehr-
ter Herr Kritiker! - ,

Seldstverständlich bleibt llhnen unbenommen, an
der Möglichkeit etner vollkommen richtigen Auswahl
zu zweiseln. Sie könNen, wenn Sie wollen, auch
die Gemälde eines Michelängelo anzweifeln. Wäre
es nicht — nebenbei bemerkt — intereflant, zu
unterjüchen, wie viel „Artiskijches", wieviel „echt
Künstlerisches in lhnen jeweils liegt?

Nun, lm ganzen betrachtek, wir sehen unsere 3u-
gend anders an. Zhnen und uns ist es klar, datz d'ie
iiugend Ausdruck ihres eigenen Schaffens veriangt
und verdient. 3hnen und uns sind die erzieherischen
Vorteile des Selbstschaffens klar. Und wenn wir
einzelne besonders vorzügltche Arbeiten dieses Selbst-
schasfens veröffentlichen, so fördern wir dämit frei-
lich den Ehrgeiz. Wer den'Zweck will, mutz äuch
das Mittel wolien. Der Ehrgeiz aber ist das aner-
kannte pädagogische Prinzip seit altersher. And

können wir den Ehrgeiz der Iugend besier in seinen
angemessenen Schranken halten, als indem wir thm
unmittelbar mit Mahnüng und Anregung zur Seite
stehen. Eben daüurch begegnen wir Ihrem Bedenken
üer Ueberhebung und des fälschen Ehrgeizes. 3mmer
wieder sagen wir es ja der 3ugend, und wir kun das
in jeder nur denkbaren Form, daß es auf die Art
des künstlerischen Anschauens ankomme, auf das echte
künsklerische Gefühl. Wir kun das mit jedem be-
lehrenden Aufsatz, wir tun das mit den Beispielen
alter und juNger Meister, und nlcht zuleht tun wir
das mik den Beispielen, die, aus den Rechen der
 
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