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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 9 (September 1926)
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Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0212

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189

nen werden von ihnen lithographiert oder in Holz
oder Linoleum geschnitten und dann auch sämtlich
in der Schule gedruckt. Znteresse und Freude der
Kinder an solchen Uebungen müssen sehr rege sein,
wie aus verschiedenen, dem Kongreß vorgewiesenen,
derart illustrierten Büchern erflchtlich ist. Da die
zahlreich eingelieferten Kinderzeichnungen im Klas-
senwerk unmöglich alle verwendet werden können,
fertigen die Schüler vielfach noch eigene Bücher an,
die auch bezüglich Kunstschrift und Einband tüchtige
Leistungen aufweisen. Strenges Zurückwetsen alles ^
Üeberflüssigen in Entwurf und Ausstattung führt zu
einer erfreulichen Einfachheit und bewahrt vor eitler ^
Einbildung. -

Auch von den slavischen Skaaten wäre im Zü-
sammenhang mit unserem Thema mancherlei zu
sagen; es mühte zu weit führen.

Während so in allen fortschrittlichen Schulen die
hohen Erziehungswerte einer praktischen Beschäfti-
gung mit Material und Werkzeug nach Möglich-
keit der künstlerischen Ausbildung der Iugend nuh-
bar gemacht werden, geschieht bei uns in dieser
Sache immer noch zu wenig. Wie ganz anders
eifrig würde doch da und dort gearbeitet werden,
wenn auch nur etwelche Ausführungsmöglichkeit
eines gemachken Entwurfes geboten wäre, die dessen
wirkliche Brauchbarkeit ja erst erweisen würde und
für Lehrer und Schüler äußerft anregend wirkeiz
mühte. Auch ist einleuchtend, dah eine allgemeinere
Pflege des vereinigten Zeichen- und Handarbeits-
unterrichks zugleich eine wirksame Gewerbeförderung
bedeukek, auf die unser auf Qualikätsarbeit angewie-
senes Land besonders eifrig achten muß.

Der „Zeichenlehrer" und der
„Zeichenunterricht" von ehedem*

Aus dem alken Bonner Penal in der Bonngasse
steigen mir da einige heitere Bildchen auf:

Eine erste Stunde auf dieser humanistischen Bil-
dungsstätte war zusällig die Zeichenstunde. Der
Lehrer war der am Belderberg praktizierende Licht-
bildner Philipart; die ergebenen Schüler gaben
ihm den Titel „Professor", und den nahm er ohne
Widerspruch entgegen. Der alte Herr, im alten»
glänzenden Gehrock, mit ergrautem, wildem Haar
auf dem sehr gelichteten Schädel und über den Lip-
pen, mit einem schwarzumränderten Kneifer auf
der markanten Nase, trug seine Zeichenvorlagen in
einer riesigen Mappe: in dieser lag als unzertrenn-
liches Attribut des Magisters der Riedstock. Dieser
gewaltige Mann bekrat dann die Sexta A, tinks
im Parterre nach hinten. „Tag, Herr Professor!"
könten ihm über 50 Knabenstimmen hell enkgegen.
„Tag, 5hr Saujungen!" antworkeke derb aber herz-
lich Herr „Philipaht". „Tag, Herr Professor", rief
da plötzlich ein scharfes Stimmchen noch einmal ganz
allein! „Tag, Frih, biste wieder do?" — Der Schü-

* Anmerkung der Schristleitung.

Dieso „Erinnerungen eines Dr. I. Kaufmann, Bonn entnehmen
wir der Zeitung »Unser Land", BlStter für Heimatkunde, Gene-
ral-Anzeiger fur Bonn «nd Umgebung. Man könnte herzlich
lachen über solche Leschichten, wenn ste nicht auf das Ansehen
unseres Standes heute noch drückten und wenn es nicht selbst
in den SchulbehSrden Leute gäbe, die den alte» Zeichenunter»
richt wieder herbeiwünschen, wetl die Schüler heute ntcht mehr
.rtchtig zeichncn lernen* und weil das Handwerk und die Tech»
nik rezeptives KSnnen d. h. nur eine gewiffe Handaeschicklichkeit
bedürfe. Das wurde bei dem früheren Strich-kopter-Ieichenunter-
richt allerdings erreicht.

ler: „floh! Herr Professor, minge Batter hätt' mlch
noch ens jonn lohe!" (Fritz P—e war Zweijähriger.)
Philipark nahm die Kreide und indem er auf die
Wandkafel ein paar mächtige Striche zeichneke, sagte
er: „Datt sind wagerechte un datt sinn senkrechte
Strich' — maht die! — 3hr Saujunge!" Da wischken
auch schon die Bleistifte über das rauhe Zeichen-
papier dahin. Da ragte plötzlich ein kleiner, nicht
ganz sauberer Zeigefinger in die Lust, und eine nicht
unbekannte Solostimme rief andauernd: „Herr Pro-
fessor, Herr Professor!" — es war Fritz P—e. „Wakt
willste schon widder, du Saujung?" Fritz: „Ich
mach' die Striche nllk, ich will e Hüsche han." Der
Lehrer: „Wakt, du Saujung, du machs die Striche
nitk?" und mit erhobenem Äiedstock auf Fritz los-
gestürzt. Das ahnke Fritz aber schon und, ehe der
Herr Professor sich dessen versah, war Frih auf's
Fensterbrett eskaladiert und war in den Hof ge-
sprungen. Diesen Vorgang schienen Lehrer und
Schüler als elnen ganz nakürlichen aufzufassen —
man nahm weiter keine Nokiz von Fritzens Ab-
gang. Äach wenigen Minuten schon quiekschte die
Tür — und Fritz krat ein und nahm ungefchoren
wieder seinen Platz ein. Schon fuhr aber auch sein
Zeigefinger in die Höhe und laut und hell erschallte
wieder sein: „Herr Professor!" Der: „Watt willste
nu' schon wieder, du Saujung!?" — Fritz: „Kriegen
ich datt Hüsche jeh?" Da kapikulierte Philipark
und schmih ihm eine Bortage mit einem HSuschen
hin. Schon nach einigen Minuten meldete Fritz:
„Datk soll e Hüsge sein? — Datk iß e „Dr. —
Hüsge": gib enns ne Aadih her!" Bon irgend
einer Seite flog ihm ein Rudiment von Radier-
gummi entgegen, und beim Bersuch, mit dem
Stümpfchen zu radieren, fuhren die vom Phoko-
graphenhandwerk verschmuhten Finger, dies nicht
sauberer machend, über das Papier: „Gib' ens der
Blet!" rief Philipart, und indem er einen zackigen
Strich durch das „Hüsge" fahren ließ, sagte er:
„Doh fährt der Blitz herein!" — Da wär auch die
erste Schul- und Zeichenstunde aus! —

Buchbesprechungen

Anschauung und Denken. Eine psychologisch-päda-
gogische Skudie von Dr. Cl. Bäncker, 3. vermehrte
und verbesserte Auflage. (Berlag Ferd. Schöningh,
Paderborn.) Preis 4,70— Mark. Das Werk lst
auf Grund von Borkrägen entstanden, die der Ver-
fasser bei dem zweiten pädagogischen Kursus des
Bereins für christliche Erziehungswissenschaft in
Dortmund hielt. Die experimenkellen psychologischen
Arbeiten der neueren Zeit wurüen, soweit möglich,
benutzt. Mas ich an dem Buch besonders schätze:
es ist in gulem verständlichen Deutsch geschrieben,
ohne an wisienschafilicher Zuverläsflgkeit «nd Gründ-
lichkeit einzubüßen. Gewiß, eine Sellenheit. Solche
Bücher werüen gelesen und verärbeitet.

Die Gotische BaukUnfi i« Frankreich und Deutfch-
land. Teil I: Die Borstufen ln Nordfrankrelch von
der Mitke des 11. bis gegen Ende des 12. Zahr-
hunderts von Ernst Gall, (Klinkhardt u. Bier-
mann, Leipzig.) Preis 22 Mark.

Wir besthen in „Der Kirchlichen Baukunst des
Abenöländes" von Dehio Und v. Bezolö ein Monu-
menkakwerk, dem unsere Liebe und Bewunöerung ge-
hört und öas jeöer Kunstlehrer kennen sollte. (Sol-
 
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