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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 5 (Mai 1926)
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Schubert, P.: Der zukünftige Inhaber des künstlerischen Lehramtes an höheren Schulen
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Herrmann, Carl: Zu den künstlerischen Erziehungsfragen der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0104

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94

Darum erwarken auch wir von dem zukünftigen
Zeichenlehrer viel für die künstlertsche Lrziehung und
Ausbildung an der höheren Schule. Äber wir sehen
und wünschen ihn ntchk als etnen unnakürlich wisfen-
schaftlich aufgeblähken Künstler auf Grund einer „un-
gesunden Ueberschätzung intellektueller Eigenschaften",
die aus den Skrohmeyer'schen Sähen spricht, sondern
als einen stark künstlerisch empfindenden Könner mik
gutem Allgemeln- und Fachwissen, dey vor allem die
Liebe zur Kunst und zur 2ügend gletch stark beseelk
und dem die Heranbildung schöpferischer Kräste tm
Sinne eines neuzeitlichen Äunstwillens Lebensaufgabe
ist. Seiner werden stch auch die Philologen nicht zu
schämen brauchen. Das „gründlich Wistenschaftliche"
Lberlasse er ruhtg ihnen, unter denen es ja so viele
ausgezeichnete Wistenschaftler gibt, mtt denen zufam-
men er erreichen wird, was Oberstudiendirektor
Strohmeyer von seinem Ueberzeichenlehrer verlangt.
3m übrigen: f.

Wer leben wird, wird sehen.

Zu den künstlerischen Erziehungsfragen der Gegenwart

Karl Aerrmann- Aerford i. W.

Um grundsätzliche Mitzverständnisse von vornherein hervorragende schöpferische Leistung und bekeuerten,

auszuschaiten, möchte ich betonen, datz wahres Kunst- es käme nicht auf Treue des Raturobjekkes an. son-

schaffen eine innere schöpferische Täkigkeit des Men- dern auf die Tkefe der künstlerischen Empstndungs-

schen bedeutet, daß auch eln Verstehen dieser Kunst kraft. Kurz und guk, auch ich sollke mein Urteil ab-

abhängig ist von der Fähigkeit und der Kraft des geben. 3ch tat nun weiker nichks, als datz ich bas

künstlerischen Empfindens, die ein Mensch sich in sei- Bild, das auf dem Kopfe stand, richstg stellte und auf

nem Entwtcklungsgange erworben hat. Da ein schöp- die Frage der darob entsetzten Sachverständigen auf

ferischer Täkigkeitsdrang bei jedem Menschenkinde in die Oefe zum Aufhängen hinwieS. — Schweigen. 3n

die Erscheinung krikt, so ist es ohne weiteres die demselben Sommer besuchte ich die Ausstellung der

Pflicht des Erziehers, diese Keime nicht verkümmern „Novembergruppe" in der grotzen Kunsthalle am Lchr-

zu lasfen, sondern sie durch sachgemätze Pflege zur 1er Bahnhof. AlS Kuriosum siel mtr unter anderem

möglichsten Entfaltung zu bringen. dort besonders ein Machwerk auf, zusämmengeseht

Zwei Erlebnisse, die allerdings nichk in das Schul- aus Stosfläppchen, Metallreilen, Zeitungsausschnitten
leben spielen, mögen zunächst den Ausgangspunkk zu usw. 3ch hlelt das Ganze für einen schlechten Wih.
den nachfolgenden Ausführungen bilden. Aber htnter mir waren doch noch einige Bewunderer,

Bis zum Zahre ld21 wurde in meiner Provinz- die die schöpferische Krast rühmten.

stadk, dank der rührigen Tätigkeit des hlestgen Ber- Nun zur Sache! Man machk dle afte Zeichenleh-

eins der Kunstfreunde, eine jährliche Ausstellung ver- rerschast, die Lehrpläne, dte Lehrweise, wie ste in

anstaltek, zu deren Belieferung die bekannkesten den letzken drei 3ahrzehnken befianden, für dle Ber-

Künstler eingeladen wurden. Sie kamen der Aufsor- irrungen in dem deukschen Kunstschaffen mit verant-

derung auch gern nach, oft in uneigennützigster Weise. wortltch. Das ist nicht richtjg, «nd Zwar kchon des-

Bei den lehten beiden Ausstellungen war die expres- halb nicht„ weil die Erziehung des Menschen zum

sionistische Richtung sehr stark verkreken. Sie fand richkigen Sehen und Einfühlen stch überhaupk noch,

auch begeisterte und, wie ich selbst als Ausstellungs- nicht in -er Allgemeinheit auswirken konnte. Eher

leiter feststellen zu können glaubte, durchaus urteils- dürfte man annehmen, dah der neuere Zeichenunter-

fähige und nach dieser Richtung hin auch künstlerisch richt der lehken drei 3ahrzehntr die ungeheur« lim-

eingestellle Anhänger. Bon diesen hörte ich zuerst wälzung in der Kunstanschauung heraufbeschworen

und recht oft die Redewendung von der künstlerischen hat. Aber auch das glaube tch ntcht. Dte Gründe^
Einfühlung und schöpferischen Gestaltungskraft. Wäh- dieser Gntwicklung liegen viel tiefer.

rend des Aufhängens der Bilder zur Ausstellung 1920 Die preutzischen SchuleN haben felt ihrem Bestehen
war auch eine Gruppe dieser Sachverständiger zufällig dem Zweig der künstlerischen Enkwicklvng, wke er in

zugegen. Sie sahen eine geöffnete Kiste, in der flch der darstellenden Kunst zum AuSdrUck kvmmt, wenig,

das Bild eines bekannten Expresfiontsten befand, das man könnte sagen Lberhaupt keine Pfleg« angedechen

auf der Rücksette die Bezeichnung: „Die Äilna bei lassem Zunächst fehlke eS fast ausnahmslos an aus-

Smorgon" trug. Ein Gehilfe stellte es auf, und sofort aebildeten Zeichenlchrern: Mstn kannte fi« biS tn die

erhob sich ein lebhafter Streit über den Wert des 3etzkzeit noch nichk an den meisten -er disherigen

Bildes. Einige suchten die Wilna vergeblich und lehn- Leyrerbildungsanstatten. noch vtel weniger an der

ten deshalb das Kunstwerk rundweg ah. Die andern weitaus grötzten Maste der Bolksfchulen, während

dagegen ergingen flch in Lobpreisungen über diese an den höheren Schusen bis bahln dfe unterll«ordn«te

aber auch mit dem Bewuhtsein, für die Aufwärks-
entwicklung der künstlerischen Erziehung der 3ugend
anerkanntermahen unter den genugsam gezeigten
Schwierigkeiken unsere volle Schuldigkeit getan zu
haben. Es ist allen Borkämpfern der neuen Zeichen-
lehrerausbildung eine hohe Genugkuung, dah auf
Grund ihrer Wirksamkeit noch vor dem Erschei-
n e n der „vollakademischen" Zeichenlehrer der Anter-
richt im bildhaften Gestalken aus seiner „Winkel-
stellung", in dte ihn die Philologen gewiesen hatten,
herausgestellt worden ist. So tritt der kommende
Zeichenlehrer ein wertvolles Erbe an, das zu mehren
seine Aufgabe sein wird in dem Mahe, in dem ihm
die Hindernisse beseikigt worden sind, an denen sich
seine Borläufer und Borkämpfer nur zu oft die Seele
wund gestoßen haben. Auch die Zeit ist ihm günstig,
was ihm wieder Professor Segmiller sagen foll: „3n-
mitten der Zusammenbrüche eines materiellen Zeit-
alkers mit seiner ungesunden Ileberschätzung intellek-
tueller Eiaenschaften erkennen wir tn der Gegenwark
die ungeyeure Bedeutung der künstlerischen Er-
ziehung."
 
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