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„alurähnltchen Malen loszukommen. Als die Pro-
bleme des Llchkes erschöpst, als fle bis zum Ueber-
druh immer wieder den Kreislauf vom Freilichtmalen
über die Malfeuerwerkerei zum Punktsetzen gewan-
dert waren, da stieg das heitze Perlangen nach der
Komposition mit aller Gewalt empor. Nicht nach
der alken Weise einer bescheidenen Umformung, Um-
gruppierung oder Stimmungsmache. Ebenso sehr
hatzte der Zungkünstler die Rückkehr zum Romanti-
schen, Sentimentalen, Znhaltgebenden. Kurzweg sollte
mlt der ganzen Vergangenheit gebrochen werden.
Umstürzlerische Bewegungen, und eine solche ist der
Expreffionismus, vernichten, verneinen das Bestehen-
de und schreiten über Trümmer hlnweg. Sie wollen
ganz Neues gestalken, durchaus von vorn anfangen.
Unterweisung, Ausbildung, Erfahrung haben keine
Geltung. Nakurstudium, Perspektive, Schattenkon-
struktion, Farbenlehre ebensowenig. Der gärende
Gelst der Zeit ist in die Künstler gefahren, er wirkt
sich in ihren Merken aus. Und dieser Zeitgeist wehte
schon vor der polikischen Revolution, das feine Ner-
vensystem der Künstler hatt« ihn sehertsch längft er-
f°ßt.
Das muß man bedenken, will man dem Problem
des Expreffionismus auf den Leib rücken. Der Ku-
bismus und Futurismus flnd Borläufer, eigenklich
sogar Anfänge des Erpreffionismus. Sie fallen zeit-
lich zusammen mit gleichgerlchteten Bestrebungen in
Dichtkunst, Muflk und Plafkik. Wir haben also in
der Malerei nicht eine Einzelerscheinung vor uns,
sondern alle künstlerisch kStiaen sungen Kräfte treibt
derselbe Sporn zu neuen Wegen. Sie verlaffen die
feste Straße des Berstandes, der verstandesmähtgen,
auf Wiffen gegründeken Schaffensweise und ver-
krauen flch dem wilden Gewoge der Gefühle aii.
Wie waren -iese nun beschaffen? Bon der Beank-
wortung dieser Frage HSngt das Endergebnis der
kritischen Unkersuchung des Ekprefftonismus ab.
Blicken wir zurück: 1. Die allgemeine Einstellung der
Menschheit zur Zeik der Gotik: fefkverankerter, un-
angezweifelker Glaube: Machtfülle der Kirche in
wirtschaftlicher, polikischer und dogmakischer Hinflcht:
zunftmäßig bestens zusammengehalkenes, handwerk-
lich hochentwickeltes Gewerbe: Ainlenkung vom Na-
türltchen zum Ueberflnnlichen. Diese Umstände schu-
fen den goktschen Skil. 2. Die allgemeine Einftellüng
der Menschheik zur Zeik der Aenaiflance: Wieder-
aufnahme der Beziehungen zur wnkergegangeüen
Ankike, insbesondere der Römerzetk: Machkfülle des
Bürgertums in den Städken: ein vererbtes gutes
Handwerk: Abwendung vom Ueberflnnlichen. Ge!-
heimnisvollen zum heiter Klaren, zur Lebensbejahung.
Es tst hier nichk der Srk, an Beispielen der Form-
gebnng ond Farbenzusammenstellung zu zeigen, wie
deutlich die MerkMale der jeweiligen Welkanschau-
ung sichkbare Dokumenke bllden, in Skein und Sol,
und Metall. Sonderschristen über Archikekkur und
Kunstgeschichtswerke möge zur Hand nehmen, wer
den intereffanten Zusammenhängen nachspüren will.
Was nun die Gokik groß gemacht hak, das ist die
mnige Vereinigung der Sache mit der Idee, anders
^^.^rückt, des Handwerklich-Konstruktiven mit dem
Geistig-Gefühlsmäßigen. Und ebenso ist es bei der
Rena ffance Ein Unterschied besteht nur insoweit,
^ D°tik flch über voüe -rei Zahrhunderte er-
streckk, während -ie Renaiflance schon nach einem
Zahrhunderk, hauptsächlich infolge einer beispiellolen
Enkwicklung des Berkehrs und der Technik» ihr«
Festigkeit verliert.
Wir sagten vorhin, üaß der moderne Künstler ge-
wollt jede Beeinfluffung irgendeines Borfahrenge-
schlechtes ablehnt, und daß er nichk gewillt tst, Ueber-
lieferung und Ehrfurcht gelten zu laffen. Er will
ganz von vorn anfangen. Er zerstörke die Brücke zur
Bergangenheit. Allerdings nur die zur westeuro-
päischen und Mikkelmeerkultur. Sein Borbild findek
er in den ktndisch-kindlichen Schöpfungen der Natur-
völker. Ueberall sind Anklänge an Zenkralafrlka,
Tahiti, Samoa, Neuguinea usw. in den Werken des
Neuesten zu spüren.
Und wo er kein Vorbild benuht, gretft er mit-
unter zu merkwürdigen Htlfsmitteln älterer und
eigener Erfindung. Z. B. ein gebrochenes Stück
Glas, oder ein gesprungener Kristall läßt beim Hin-
durchschen das Dahinterliegende tn absonderltchest
Formen und in den Farben des Sonnenspekkrumi
erscheinen. Dieser Trlck wnrde vielfach angewendek.
Auch gewölbt oder hchl geschliffene Linsen ergeben
Berzerrungen, auch fle verwandte man als Efels-
brücken zur „KoMpostkion". Der Kunsthallenbesuchsr
wird flch folcher Sachen erinnern; ben Ehrentttel
Kunstwerk vermögen wir ihnen nicht zu verlethen. Wo
Zierake gchildek wurden, Konnken kubkstische Form-
versuche sehr HLbschen orlginellen Flächenschmuck er-
geben, und auf diesem Gebieke ist kaksächlich Neuland
erobert worden (Toorop u. a.). Aber dort, wo eS
sich um Bezwinäung der menschlichen Gestalt oder
der Tierkörper yandelt, stchen wir vor beoenklichen
Erscheinungen. Franz Marcs Turm der blauen
Pferde, seinen Tiger und andere Bersuche sollte
niemand als mchr einschätzen.
Es ist ja ein Borzug der Malerel vor anderen
Künfien, daß schon bloße Andeutungen ästhettsch
wirken können. Bei -er Muflk verstcht niemand
Angedeukekes, Nichkausgeführtes, ebensowenig tn der
Architekkur. Daher kommk es, daß die rohe Zeichen-
oder Malskizze Wert befltzk, man kann etwas in ste
hineinlegen, kann fle flch farbtger vorstellen, kann
ihr aus Eigenem viel oder wenig hinzufügen. DteS
zugegeben, sollte man in den Bersuchen des Franz
Marc nichk mehr sehen als Skizzen zu dekorakiven
Gemälden. Geheimnisvoll versteckte aetfiige Werke
können wtr darln nicht enkdecken, wohl eirie gefühls-
mäßig frei erfundene Linien- Und Farbenführung.
Kokoschka hat daS Menschenantlltz in neuer Wets«
dargestellt. Es gibk küchtige, auf andern Gebieken der
Kunst beschlagene Männer, auch MuseUmsdirekkoren.
die vor jedem Kvkoschka eine Berchmngsverbeugung
machen. Sehen ste nicht, daß der Maler die Doppel-
bellchkung durch Splegel und Refkektoren benutzt, Um
das eigenartige Sviel der Lichker und Echatten,-aS
er liebk, herauszuholen? Gewiß, diese Beleuchkung
hebt dle Fonn, so ^wle wir fle zu schen gewöhnt
b be verflacht Lie Höhen oder verstäilch
überhöht fle, fle vertieft die Tiefen oder verflacht
sie. Sre brlngt Gerlngfagtgkeiken. als da flnd Falten,
Furchen, Hautrunzeln, GelenKe, Knorpelansätze usw.
mehr zum Borschein und verleiket dazu, dem Maler
ein ungewöhnliches Maß guker Beobachkungsgabe
zuzusprechen. 2a, darüber hlnaus gehen manche so-
weit' Kokoschka als einen Tiefscher zu prelken, der
hinter die Oberfläche gucke und das Wesen d«s
Dargestellfen intuitiv erfafle. Das ist nakSrtich irrtg,
„alurähnltchen Malen loszukommen. Als die Pro-
bleme des Llchkes erschöpst, als fle bis zum Ueber-
druh immer wieder den Kreislauf vom Freilichtmalen
über die Malfeuerwerkerei zum Punktsetzen gewan-
dert waren, da stieg das heitze Perlangen nach der
Komposition mit aller Gewalt empor. Nicht nach
der alken Weise einer bescheidenen Umformung, Um-
gruppierung oder Stimmungsmache. Ebenso sehr
hatzte der Zungkünstler die Rückkehr zum Romanti-
schen, Sentimentalen, Znhaltgebenden. Kurzweg sollte
mlt der ganzen Vergangenheit gebrochen werden.
Umstürzlerische Bewegungen, und eine solche ist der
Expreffionismus, vernichten, verneinen das Bestehen-
de und schreiten über Trümmer hlnweg. Sie wollen
ganz Neues gestalken, durchaus von vorn anfangen.
Unterweisung, Ausbildung, Erfahrung haben keine
Geltung. Nakurstudium, Perspektive, Schattenkon-
struktion, Farbenlehre ebensowenig. Der gärende
Gelst der Zeit ist in die Künstler gefahren, er wirkt
sich in ihren Merken aus. Und dieser Zeitgeist wehte
schon vor der polikischen Revolution, das feine Ner-
vensystem der Künstler hatt« ihn sehertsch längft er-
f°ßt.
Das muß man bedenken, will man dem Problem
des Expreffionismus auf den Leib rücken. Der Ku-
bismus und Futurismus flnd Borläufer, eigenklich
sogar Anfänge des Erpreffionismus. Sie fallen zeit-
lich zusammen mit gleichgerlchteten Bestrebungen in
Dichtkunst, Muflk und Plafkik. Wir haben also in
der Malerei nicht eine Einzelerscheinung vor uns,
sondern alle künstlerisch kStiaen sungen Kräfte treibt
derselbe Sporn zu neuen Wegen. Sie verlaffen die
feste Straße des Berstandes, der verstandesmähtgen,
auf Wiffen gegründeken Schaffensweise und ver-
krauen flch dem wilden Gewoge der Gefühle aii.
Wie waren -iese nun beschaffen? Bon der Beank-
wortung dieser Frage HSngt das Endergebnis der
kritischen Unkersuchung des Ekprefftonismus ab.
Blicken wir zurück: 1. Die allgemeine Einstellung der
Menschheit zur Zeik der Gotik: fefkverankerter, un-
angezweifelker Glaube: Machtfülle der Kirche in
wirtschaftlicher, polikischer und dogmakischer Hinflcht:
zunftmäßig bestens zusammengehalkenes, handwerk-
lich hochentwickeltes Gewerbe: Ainlenkung vom Na-
türltchen zum Ueberflnnlichen. Diese Umstände schu-
fen den goktschen Skil. 2. Die allgemeine Einftellüng
der Menschheik zur Zeik der Aenaiflance: Wieder-
aufnahme der Beziehungen zur wnkergegangeüen
Ankike, insbesondere der Römerzetk: Machkfülle des
Bürgertums in den Städken: ein vererbtes gutes
Handwerk: Abwendung vom Ueberflnnlichen. Ge!-
heimnisvollen zum heiter Klaren, zur Lebensbejahung.
Es tst hier nichk der Srk, an Beispielen der Form-
gebnng ond Farbenzusammenstellung zu zeigen, wie
deutlich die MerkMale der jeweiligen Welkanschau-
ung sichkbare Dokumenke bllden, in Skein und Sol,
und Metall. Sonderschristen über Archikekkur und
Kunstgeschichtswerke möge zur Hand nehmen, wer
den intereffanten Zusammenhängen nachspüren will.
Was nun die Gokik groß gemacht hak, das ist die
mnige Vereinigung der Sache mit der Idee, anders
^^.^rückt, des Handwerklich-Konstruktiven mit dem
Geistig-Gefühlsmäßigen. Und ebenso ist es bei der
Rena ffance Ein Unterschied besteht nur insoweit,
^ D°tik flch über voüe -rei Zahrhunderte er-
streckk, während -ie Renaiflance schon nach einem
Zahrhunderk, hauptsächlich infolge einer beispiellolen
Enkwicklung des Berkehrs und der Technik» ihr«
Festigkeit verliert.
Wir sagten vorhin, üaß der moderne Künstler ge-
wollt jede Beeinfluffung irgendeines Borfahrenge-
schlechtes ablehnt, und daß er nichk gewillt tst, Ueber-
lieferung und Ehrfurcht gelten zu laffen. Er will
ganz von vorn anfangen. Er zerstörke die Brücke zur
Bergangenheit. Allerdings nur die zur westeuro-
päischen und Mikkelmeerkultur. Sein Borbild findek
er in den ktndisch-kindlichen Schöpfungen der Natur-
völker. Ueberall sind Anklänge an Zenkralafrlka,
Tahiti, Samoa, Neuguinea usw. in den Werken des
Neuesten zu spüren.
Und wo er kein Vorbild benuht, gretft er mit-
unter zu merkwürdigen Htlfsmitteln älterer und
eigener Erfindung. Z. B. ein gebrochenes Stück
Glas, oder ein gesprungener Kristall läßt beim Hin-
durchschen das Dahinterliegende tn absonderltchest
Formen und in den Farben des Sonnenspekkrumi
erscheinen. Dieser Trlck wnrde vielfach angewendek.
Auch gewölbt oder hchl geschliffene Linsen ergeben
Berzerrungen, auch fle verwandte man als Efels-
brücken zur „KoMpostkion". Der Kunsthallenbesuchsr
wird flch folcher Sachen erinnern; ben Ehrentttel
Kunstwerk vermögen wir ihnen nicht zu verlethen. Wo
Zierake gchildek wurden, Konnken kubkstische Form-
versuche sehr HLbschen orlginellen Flächenschmuck er-
geben, und auf diesem Gebieke ist kaksächlich Neuland
erobert worden (Toorop u. a.). Aber dort, wo eS
sich um Bezwinäung der menschlichen Gestalt oder
der Tierkörper yandelt, stchen wir vor beoenklichen
Erscheinungen. Franz Marcs Turm der blauen
Pferde, seinen Tiger und andere Bersuche sollte
niemand als mchr einschätzen.
Es ist ja ein Borzug der Malerel vor anderen
Künfien, daß schon bloße Andeutungen ästhettsch
wirken können. Bei -er Muflk verstcht niemand
Angedeukekes, Nichkausgeführtes, ebensowenig tn der
Architekkur. Daher kommk es, daß die rohe Zeichen-
oder Malskizze Wert befltzk, man kann etwas in ste
hineinlegen, kann fle flch farbtger vorstellen, kann
ihr aus Eigenem viel oder wenig hinzufügen. DteS
zugegeben, sollte man in den Bersuchen des Franz
Marc nichk mehr sehen als Skizzen zu dekorakiven
Gemälden. Geheimnisvoll versteckte aetfiige Werke
können wtr darln nicht enkdecken, wohl eirie gefühls-
mäßig frei erfundene Linien- Und Farbenführung.
Kokoschka hat daS Menschenantlltz in neuer Wets«
dargestellt. Es gibk küchtige, auf andern Gebieken der
Kunst beschlagene Männer, auch MuseUmsdirekkoren.
die vor jedem Kvkoschka eine Berchmngsverbeugung
machen. Sehen ste nicht, daß der Maler die Doppel-
bellchkung durch Splegel und Refkektoren benutzt, Um
das eigenartige Sviel der Lichker und Echatten,-aS
er liebk, herauszuholen? Gewiß, diese Beleuchkung
hebt dle Fonn, so ^wle wir fle zu schen gewöhnt
b be verflacht Lie Höhen oder verstäilch
überhöht fle, fle vertieft die Tiefen oder verflacht
sie. Sre brlngt Gerlngfagtgkeiken. als da flnd Falten,
Furchen, Hautrunzeln, GelenKe, Knorpelansätze usw.
mehr zum Borschein und verleiket dazu, dem Maler
ein ungewöhnliches Maß guker Beobachkungsgabe
zuzusprechen. 2a, darüber hlnaus gehen manche so-
weit' Kokoschka als einen Tiefscher zu prelken, der
hinter die Oberfläche gucke und das Wesen d«s
Dargestellfen intuitiv erfafle. Das ist nakSrtich irrtg,