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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 3 (März 1926)
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Frantzen, W.: Skizze zur organischen Gestaltung des Zeichen-, Kunst- und Werkunterrichts im Rahmen unseres Faches und des gesamten Lehrplanes
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0063

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beitsgemeinschaft erzielk, in der sich die einzelnen
Glieder gegenseitig bedienen, ohne von ihrer Selbsk-
ständigkeik ekrvas einzubützen.

So sieht auch der Werkunkerricht in erster Linie
durchaus im Dienste manueller Betätigung, versucht
allerdings in den schematischen Aufgaben den For-
derungen der Erziehung zum Geschmack und des
architekkonischen Kunstverständnisses gerecht zu roer-
den.

Abgesehen von der üblichen Herstellung hübscher
Gebrauchsgegenstände wie Wappen, Kästen usw. ver-
sucht er demenksprechend auf Grund von im Linear-
zeichnen hergestellken Werkskizzen Modelle für den
kunstbetrachtenden Unterricht anzuferkigen, die Menge
der Aufgaben, die sich hierbei ergibk, ist so groh und
mannigfalkig, datz das gröhere Verdienst des Lehrers
eher in der treffsicheren Auslese dieser architekkoni-
schen Borbilder die den Typus der Anlage zeigen
müssen, als in der praktischen Ausführung mit den
Schülern selbst bestehk. Solche Modelle können
natürlich nicht peinlich genaue Nachbildungen eines
bestimmten Baues sein, — das wäre kechnisch als
viel zu weitführend gar nicht durchführbar; — sie
müsien vielmehr unker Weglasiung aller Einzelheiten
auf das Wesenkliche der Anlage hingearbeitek und
im Anstrich behandelt werden. Liegen der Arbeik
klare Werkzeichnungen zu Grunde, können auch
einige Schüler als Gruppe an einem Modell arbeiten.
Abgesehen von Modellen für die Erdkunde (Dorf-
und Gehöfkenanlagen) enkstanden für die Kunstbe-
trachkung eine Reiye von Tempeln, Basiliken, roma-
nischen Kirchen, Mostabas, Pyramiden, eine grohe
Klofteranlage, Bauernhäuser usw. Der Zweck dieser
Modelle in der Kunstbekrachkung ist nicht, den Schü-
lern eine Borstellung von der ganzen wirklichen
Schönheit des Originals in verkleinerkem Maßstabe
zu geben, sondern sie in die haupksächlichen Gesehe
der Raumbehandlung und der architekkonischen An-
lage einzuführen.

So kann dann an einer Reihe von griechischen
Tempelkypen, die einzeln nur aus Skereobakes, Aaos,
Pronaos, Archikrav mik gemalten Metopen und Drei-
stäben und Säulen bestehen, die organische Enkwlck-
lung vom einfachen und notwendig den Zweck er-
füllenden Antenkempel bis zum prächtigsten Perip-
keros der griechischen Blükezeit gezeigk werden. Das-
selbe ergibk fich für die Entwicklung der christlichen
Kirche von der Basilika bis zur romanischen Kirche.
Das architektonische Stilverständnis kann auf diese
Weise praktisch gefördert, wenn nicht überhaupt erst
gründlich geweckt werden. Zur vollen Kenntnis der
Kunstwerke gehören natürlich ergänzende Photo-
graphien oder Zeichnungen, die die Einzelheiten
jener grohen Anlage zeigen. Zum vollen Berständ-
nis gehört natürlich ebenso die Kenntnis der durch
den Ritus bedingken Raumnotwendigkeiten (der
griechtsche Tempel, die Kirche, die Moschee) und die
Kenntnis der Abhängigkeit der Kunstsprachen von
der rafligen Eigenart eines Bolkes. Zum Skilver-
ständnis liefern die kulkurkundlichen Fächer einschl.
Sprachen den älteren Schülern schon bekannte, viel-
leichk aber auch nur unbewuht vorhandene Grund-
lagen.

Es ist unnötig, auf die vielen nationalen Form-
kreise hinzuweisen, die sich in einigen grotz gesehenen
Modellen herstellen lassen. Die ersken Wohnanlagen
der Germanen können über die Wohnhaustypen der

verschiedenen deutschen Landschaften bis zum mo-
dernen Zweckbau entwickelk werden. In derselben
Weise ergeben sich Formtypen von Tempeln (Lang-
und Rundanlagen), Basiliken (ebenfalls Langhaus-
und Rundhausanlagen) und modernen Zweckbauten.

Die letzten entsteyen durch die Einführung in das
Wesen der modernen Architekkur und Raumkunst
an Hand von Photographien, Risien usw. und durch
ein anschließendes praktisches stdeenzelchnen von
Badeanstalken, Bahnhöfen, Schulen, Skadthallen und
Siedlungshäuserns Bei diesen Modellen ist der
Schüler natürlich ausdrücklich auf die technische Un-
zulänglichkeik im Falle etner praktischen Ausführung
im Großen hinMwelsen. Aber trohdem ist das, was
der Schüler an Berständnis für Raumbehandlung,
Formsprache und malerisch dekorakiver Behändlung
lernk, nicht gering anzuschlagen. Bor allen Dingen
wird so seine bis dahin nur anschauliche Beziehung
zur Archikekkur zu einer praktischen gemachk und
dieses bisher abgesonderte Gebiek ebenfalls mik in
den Ilnterrichk gebrachk. Auch Meffungen der Schule
und der llmgebung können vorgenommen und ein
hübsches plastisches Modell davon hergestellt werden.
(Berwendung in der Erdkunde.)

Alles in allem ergibt sich eine große Melgestaltig-
keit für den manuell produktlven Teil unseres lln-
terrichks. Das freie Zeichnen entspricht der Forde-
rung, den jungen Menschen zu einem persönlichen
bildyasten Berhältnis zur Formen- und Farbenwelt
zu erziehen. stn den dekoratlven Bersuchen bemüht
sich der Unkerricht um die Erziehung zum einfachen
Geschmack einer selbst zu biloenden llmgebung, an
dem es bisher so außerordenklich gemangelt hat, und
zu deffen Erzieyung so viel als möglich gekan werden
muß. Das Linearzeichnen steht im Dkenste der Tech-
nik und der Werkunterricht-Meder im Dienste des
Handwerks und der Technik.),

Diese leichk in die Gefahr"der Zersplitkerung ge-
ratende Bielseikigkeit wird aber vereinheiklichk durch
eine schemakische Organisation der durch diese einzel.
nen Täkigkeiken flch gegenseikig bedingenden künst-
lerischen Ayfgaben.

Wle die zeichnerische Sprache die Parallele zm
Worksprache ües Aufsatzes tst, ergibt flch daschcepro-
dukkive Bestreben der Kunstbetrachkung organisch
im Berein mik den kulturkundlichen FSchern wiedei
als Parallele zu dem literarischen Bersuch des
Deutschunterrlchks der Oberstufe.

Mik dieser letzten Auswirkung einer geistiger
Gleichwertigkeit tst -urchaus nichk dieselbe Skunden-
bewerkung für unsern llnkerricht ausgesprochen wi«
für den Deukschunkerricht, der an einer deukschen
Lehranstalk immer das ausgedehnteste Fach zu sein
hak. Aber es liegk gerade in unserer Kunstbekrach-
kung dieselbe Qualitäk, dasselbe Ziel und ein ähn-
licher Weg. Wir können nakürlich wie die Literatur-
kunde keine gründliche Kunstbekrachkung treiben,
wenn uns nichk andere Fächer dte elemenkaren
Kenntniffe zeitkicher Zustände, Strömungen und Skim-
mungen, verstanden durch Einflüfle geschlchtllcher,
religiöser und geographisch echnologischer Art über-
Mttelken.

Andererseiks würde kelne Kunstbetrachtung wi«
Z. B. in der Geschichke zum rellen Berständnis der
bildenden Kunst erziehen, wenn wir nicht die fach-
männische Besprechung formaler Stilgestaltung
genialer Kräske der Menschheiksgeschlchke vornehmer
 
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