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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 4 (April 1926)
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Martell, P.: Zur Geschichte des Holzschnitts
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0092

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Reihe von Namen deutscher Iormenschneider über-
liesert, die im Dienst des Holzschnitts standen. So
ist für Ulm ein Meister 1llrich für das 2ahr 1398
nachweisbar; etwa ein halbes 3ahrhundert später
wirken dort Meister Heinrich, Peter von Erolz-
heim und 3örg, Meister Lienhart und zahl-
reiche andere. Die Nachrichten über die Holzschneider
zu Nüknberg setzen etwas später ein; als ältester ist
aus dem 3ahre 1428 Meister H. Pömer zu er-
wähnen. Es lag im Charakter jener Zeit, wenn
nahezu alle damaligen Holzschnitte inhaltlich kirch-
liche Motive zeigten, denn die Kirche war damals
allmächtig, war Herrscherin und Führerin des Geistes,
die Mutter der Bildung. Unzroeifelhaft betätigten
sich üamals zahlreiche Mönche als geschickte Holz-
schneider, mehr noch waren die Klöster Sammel-
punkte zeitgenössischer Kunst, umschrieben durch
Kupferstich, Holzschnikt und Gemälüe, so unserer Zeit
den wertoollsten Dienst leistend. Am Ausgang öes
Mittelalters aber griff das Bürgertum tatkräftig in
die Arbeitsgebiete der Klöster ein, einen Wettbewerb
erzeugend, dem die Klöster bald nicht mehr folgten.

Die Erfindung der Buchdruckkunst durck Guken-
berg eröffnete auch dem Holzschnitk eine neues Be-
tätigungsfeld, denn damit begann der erst im 19.3ahr-
hundert zur letzten Bollendung ausgereifte Triumph-
zug des Holzschnitts als Buchillustration. Schon da-
mals begannen die bürgerlichen Drucker der Her-
stellung des Holzschnitts einenfabrikmäßigenCharakter
zu geben. Es war selbstverständlich, daß die damals
herrschende Wirtschaftsform, die Zunft, auch den
Formschneider erfaßte, so dah beisplelsweise in Nürn-
berg der Rat der Stadt zunftmätzige Bestimmungen
nicht nur für die Buchdrucker, sondern auch für die
Hotzschneider erließ. i,

Als das Llteste typographische Denkmal, das zuerst
das Bild mittels Holzschnitts mit dem Letterndruck
Gutenbergs in Verbindung zeigte, ist das 1461 von
dem „Briefdrucker'-Meister Albrecht Pfister zu
Bamberg hergestellke Fabelbuch von Illrich Boner
„Der Edelstein" zu erwähnen, öas auf 88 Blättern
eine SarnmlUng von 100 Fabeln und Erzählungen
vereinigke. Es ist das älteste mit Holzschnitten ge-
schmückte deutsche Druckwerk. Ein 3ahr später ging
aus derselben Offizin Pfister eine Armenbibel her-
vor, die mtt 40 Holzschnittbildern geschmückt war,
wobei die Glasgemälde des Klosters zu Hirsau die
Mokive abgaden. Welch eine Kindlichkeit gelegent-
lich aber auf dem Buchgebiet damals noch obwaltete,
wird deullich dadurch gekennzeichnet, datz man ein
und denselben Holzschnitt im gleichen Buch mehrfach
verwendete. Letztere Erscheinung tritt in der ältesten
illustrierten deutschen Bwel vom 3ahre 1470 im star-
ken Matze auf, wie die benuhten 55 Holzschnitte be-
weisen. Leider ist der Drucker dleser Bibel nicht
bekannk: ste zählt zu den Augsburger Erzeugnissen.
Augsburgs damals blühender Buchdruck nimmt auch
hiniichllich des Holzschnitts einen Ehrenplatz ein, wenn
auch im künstlerischen Sinne die Linie der Primi-
twität kaum verlafsen erscheint. 3n dem handels-
mächttgen Ulm, durch Augsburg vorbildlich angeregt,
blühte -amals gleichfalls das Buchgewerbe empor:
hier druckte 1482 Leonard Holl in der „Cosmo-
graphia" das Pkolomäus das erste Buch mik in Holz
geschniktenen Lanükarten. 3n Köln brachte die
Druckerei von Heinrich 2 uentel 1480 eine zwei-
bändige Bibel heraus, dte in ihrer Holzschniktillustra-

tion mit zu den berühmtesten Prachtwerken des
15. Zahrhunderts zählt.

Künstlerisch im wahren Sinn des Mortes haben
den Holzschnitk jedoch erst Holbein und Dürer
aus der Taufe gehoben. Rürnbergs damals berühm-
tester Buchdrucker Anton Koburger hat in seinen
Drucken, so in der Hartmann Schedelschen Welt-
chronik 1493 hinstchtlich des Holzschnitts höchst Be-
achtenswertes geleistet. Hier werden uns auch die
wirklichen Älustratoren bekannt, nämlich Milhelm
Pleydenwurff und Michael Wolgemuth, letzterer
auch als Lehrer Dürers zu schätzen. Albrecht Dürer
löste dann den Holzschnitt mit einem Schlage aus dem
Wust quälender Primttivität, gad ihm als erster die
Weihe edler Kunst, bts dahin nur Stückwerk schwäch-
lichen Könnens, wenn auch ehrlichen Strebens. Dürers
grohe Holzschnittfolge „Die hetmliche Offenbarung
Zohannis", dann die köstlichen Holzschnittwerke
„Marienleben" und seine „Grotze Pasiion" gleichen
Offenbarungen in der deutschen Holzschnittkunst, die
bis dahin ües Monumentalen enkbehrke. Dürer,
aus den Reihen deö Goldschmiede hervorgegangen,
wetteiferte mit seiner Kunst zwischen Kupferstich ünd
Holzschnitt, in beiden die deutsche Kunst adelnd.
Dürers Einfluß auf den Holzschnlü war nlcht nur in
künstlerischer, sondern auch in technischer Hinstcht von
Bedeutung. Die bis dahin betm Holzschnitt vorherr-
schende Äolorierung wurde mchr und mchr aufge-
geben und der Holzschnitt allein auf sein künstle-
risches Eigenvermögen von schwarz und weltz gestellt.
Zwar arbeitete man damals noch immer nur mit
Langholz und Schneldemeffer, welche Werkzeuge
technisch für den mchr als Umritzzeichnung bchandel-
ten Holzschnitk genügken. Mit der technisch fortge-
schrittenen, mehr plastifch behandelten Zeichnung
mußte der Lylograph naturgemäß auch den Kreis
kelner Werkzeuge erwelkern, was durch Hinzutrttl
oes Skichels geschah. Damtt mußke aber auch der
Ueberttitt vom Langholz zum Hirnholz vollzogen
werden; da letzteres allein für die Sttchelardett ln
Betrachk kam. Letztere ist allerdings für DürerS
Arbeiten nicht nachweisbar. Unter den schöpferischen,
vornehmsten Mäzenen jener Zett, die stärkste Förde-
rung des Holzschnittes bedeuteken, steht Kaiser
Maximilian weitaus an der Spitze. Zahlreiche
Künstler lietz er auch im Holzschnitt für stch arbetten,
darunter Dürer mtt grötztem Änteil.

Aus dem um den Kaiser Maximilian versamNlelten
Kreis schwäbischer Meister ragt der Augsburger
Hans Burgkmair (1473—1531) rühmlich hervor.
Sein Anteil am „Weitzkunig" ergibt über hundert
Holzschnitte und am „Triumphzug" die Hälfte sämk-
licher Blätter, nämlich 67 Zeichnungen. FÜr dle
„Genealogie" des Kaisers Mazimilians bestritt der
Künstler mit 77 Holzschnltken die Illusttiernng allein.
Wenn man erwägt, daß sowohl Dürer wie Burgk-
mair bei den Arbeiken für den Kalser Maximilian
durch Vorlagen keilweise in ihrem künstlerischen
Schaffen bei der Herstellung der Holzschnitte beengt
erscheinen, so wird man aus dlesem Umstand heraus
die Kunst beider umso höher zu bewerken haben.

Der Holzschnitt Hans Holbein d. 3. bewegt stch
künstlerisch mit dem Holzschnittwerk Dürers anf -er-
selben Linie. Hier wke dort das Walten eines be-
schwingten Genies, das in zeichnertscher Gestalttmg
und Erfindung nach Maßgabe der Zeit Vollendetes
schuf. Holbein war so glücklich, in Hans LÜHel-
 
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