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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 5 (Mai 1926)
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Schubert, P.: Der zukünftige Inhaber des künstlerischen Lehramtes an höheren Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0100

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Tragisches, wie in jeder Aufopferung. Ilnd wenn es
wahr werden sollte, daß die kommenden Zeichenlehrer
als „Dollstudienräte" nach großen Mustern mik Hoch-
mut auf uns „Veraltete", die wir sie doch in den
Sattel sehten, herabsehen, so mutz das auch noch er-
tragen werden. Beschämend ist aoer die Unkerstellung
irgend eines Akademieprofessors, dessen wenig be-
deutenden Namen wir wieder vergessen haben, der
die Forderung der neuen Prüfungsordnung aus
„Standesambitionen" der Zeichenlehrer herleitet.
Allerdlngs sind wir nichk so schwächlich und aller
Selbstachtung bär, für unsere Pionierarbeit keinen
Gegenwert in entsprechenden Uebergangsbestimmun-
en zu fordern, die sich makeriell und ideell, in Ge--
alt und Amtsbezeichnung auswlrken müssen. Der
verwaschene Sammelname „Oberschullehrer" in Preu-
hen für die Bertreter des markant herausgemeitzel-
ten Zeichen- und Musikunterrichtes wird als Beleidi-
gung empfunden und entschieden abgelehnt. Doch das
nur nebenbei.

Die neue Prüfungsordnung ist also ein Ergebnis
jahrelanger Berhandlungen der Zeicyenlehrerorgani-
sation mit den matzgebenden Stellen bei der obersten
Schulbehörde. Sie ist da, und nun kommen die
Philologen und beschäfligen fich mit ihr, als sei sie
ihr Werk, krotzdem sie vorher den künstlerischen Un-
terrichk kaum beachtet haben. lieht üoernehmen sie
die Führung, stürmen mit Bravour in das glücklich
freigelegte Gelände vor, und weil das gut ausslehk,
noch ein Ekück über das Ziel hinaus. So schreibk
Oberstudiendirektor Hans Strohmeyer in seinem
Buche „Das neuiprachliche Gymnastum"* in dem Ab-
schnitk: Kunstfächer, Musik und Zeichnen... Die
erweiterken Aufgaben (Kunstbekrachkung) stellen an
den Zeichenlehrer sehr hohe Anforderungen. Sie
setzen voraus, datz der Lehrer nicht nur fachlich aus-
gebildek ist. sondern datz er zu gleicher Zeik eine grotze
Allgemeinoildung besiht. Er mutz philosophlsch
und literarisch geschult sein, er mutz gründ-
liche historische Kenntnisse haben, er mutz
in den Religionswissenschaften einiger-
matzen zu Hause sein, ja, er wird ohne das Mindest--
maß von Kenntnissen wenigstens in den modernen
Fremdsprachen nicht auskommen. Das ist unbedingt
nokwendig, denn seine neue erweiterke Täkigkeit wird
ihn zwingen, sich dauernd mit den Unkerrichtsfächern
Religion, Deutsch, Geschichte, den Fremdsprachen in
Beziehung zu setzen. Es kann nur auf die Einführung
in das Kunstwerk und setn Erfassen nach allen Seiten
hin ankommen. Dazu gehört allerdings sehr viel und
setzt auf der Seite des Lehrers eine sehr umfassende
allgemeine und zugleich künstlerische Bildung voraus."

Mir sehen sofort, datz der Wissenschaftler wieder
dle Kunstbetrachkung als einen wissenschaftlich zu be-
treibenden Zweig der Kunsterziehung in den Border-
grund schiebt und so zu seinen Forderungen kommt.
Ueber die Ark und die Bewerkung der Kunstbekrach-
tung für die künstlerische Erziehung im Berhälknis
zu der viel wertvolleren Kunstübung, dem produkkiven
bildhaften Gestalten, habe ich an anderer Stelle ge-
schrieben. Die oben angeführten Sähe aus der Stroh-
meyer'schen Schritt beweisen, wie recht ich hakke, als
ich auf die Gefahren einer übermäßig wissenschast-

Prei?S«^Mark^ ^^^""""-^aunichweig und tzamburglSLS.

lichen Behandlung der Kunstbetrachtung zum Nach-
teil der Enkwicklung eines produktiven neuzeitlichen
Kunstwillens hinwies.

Aber lesen wir noch elnmal nach, welche wissen-
schaftlichen Fächer der zukünfiige Zeichenlehrer
gründlich beherrschen soll. Diese Wifsensgebieke er-
iordern an sich einen ganzen Mann, und zwar einen
yochbegabten und unermüdlich weiterstrebenden. Wte
oft haben mir küchtige Bertreter der kulturbildenden
Fächer gesagk, datz es ein Widersinn sei, zwei oder
gar drei dieser Facher für Oberstofe zu verlangen,
erfordere doch ein einziges von chnen, wenn es gründ-
lich beherrscht werden soll, ein fleißiges Weiter-
studium, und die andern könnken nur als Ergänzungs-
fächer aus dem Hauptfach gespeist werden. Ilnd nun
soll ein Kunstlehrer, der seiner aanzen Beranlagung
nach gar nicht rein wissenschastlich eingestellt sein
kann, das aufnehmen und verarbelten, was den wis-
senschafklich begabten und interessierten Lehrer ganz
erfordert. Dazu sagk der Berfafler an anderer Stelle:
„Es darf nicht übersehen werden, daß der zukünftige
Musik- und Zeichenlehrer neben einer großen All-
gemeinbildung auch zugleich K ünftlerdurchund
durch sein muß." Also gründlicher Wtflenschaftler
auf den verschtedensten umfangreichen Gebleten und
Künstler durch und üurch soll -er neue Zeichenlehrer
sein. Da weiten stch die Augen der heukigen Zeichen-
lehrergeneration und fehen auS dem Donkel der Zu--
kunst den Zeichenlehrer nach der neuen Prüfungs-
ordnung wle ein buddhistisches lidol in gigantischen
Maßen über sich selbst und weit noch über dle her-
vorragendsten Philologen hinauswachsen. Schnell
aber werden die Grenzen des Möglichen erkannk,
und wir sehen diesen Geistesriesen wieder auf «in
erträgllches Maß herabflnken.

Es scheint doch, daß der Berfafler angesichts seiner
Anforderungen an den kommenden Zeichenlehrer mit
der seelischen Skruktur des künstlerisch schaffenden
und unterrichtenden Menschen nicht genügeno ver-
traut ist. Die Lehren der Kunstgeschichke. eigenes
Arbeiten und eine langjährige Erfahrung ln der
Schule und nicht zuletzt chas starke änkerefle an der
zukünftigen künstlerischen Erziehung der Iugend auf
der höheren Schule zwingen zu diesem Einwand. Was
heißt denn „Künstler sein durch und durch"? Es heißt
doch, daß der ganze Menfch von dem starken, «n-
widerstehlichen Drange nach künstlerischem ÄuSdruck
erfaßt ist, dem Drange, der metst so stark ist, daß
andere geistige Gebiete troh guker Begabung für ste
in den Hintergrund gedrängt werden. Dle ganze
Seele ist erfüllt mit BÜdern, Tönen oder Gestalten,
die nach Gestaltung fchreien. Mit ihnen ist der künst-
lerische Innenmensch so fiark beschäftigt, datz für
logisch wiflenschastliche Skudien, wenn ste nicht gerade
seinen Absichten dienen, kaum mehr Raum noch Wille
übrig bleibt. Ilnd dieser künstlerlsche Drang darf gar
nicht zu sehr wiflenschastlich beengt werden, wenn er
seine Schwungkrast nicht verlieren soll. Za. wenn
gesagt worden wäre, daß Zeichen- und Muflklehrer
als Wiflenschastler auch künstlerisch ausgebildet seln
müflen, so ließe sich das vom Standpunkte eines
Oberstudiendirektors aus verstehen. Es gibt jeht
schon solche Leute. Aber beim Künstler durch und
durch, wo soll da die hohe Wiflenschaftlichkeik her-
kommen? Eln solcher Künstler muß auch als Zeichen-
lehrer werktätig schaffen, und es ist ein Wi-erspruch
in sich, wenn er das unterlaflen muß, um stch in BS-
 
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