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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 6 (Juni 1926)
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Alt oder neu?
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0137

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126

erkennung, die wir seinerzeit dem Werk beim erst-
maligen Erscheinen gespendet, können wir im vollen
Umfange aufrechk erhalten. Es ist zwar zunächst für
Kunstgewerbeschulen geschrieben, nann aber auch dem
Kun tlehrer der höheren Schulen Vieles geben. ob-
gleich hier bie ornamentale Betätigung natürlicy an-
ders in die Mege geleitet werden muß. Der Ber-
fasser ist ein klarer Kopf, der die Fähigkeit der be-
grifflichen Darlegung besiht und zugleich seln Gebiet
künstlerisch beherrscht.

Gotijche Charakterköpfe von Hubert Wilm (Ber-
lag F. Bruckmann, München). Mit 88 Tafeln und
vielen Texkbildern. Preis 15.— Mk.

Dem gotischen Bildhauer ist im Gegensah zum
antiken der Kopf das Mittel seelischen Ausdruck zu
geben. Hier bestätigt er selne persönliche Eigenart
und Phantasie, während die Körperstellung und die
formalen Gewandpartien in der mittelalkerlichen
Kunst in einem nahezu einheitlichen internakionalen
Kanon festgelegt stnd. So muß es elne besonders
nahellegende und oankbare Aufgabe sein, Charakter-
köpfe der mittelalterlichen Kunst zu zeigen und an
ihnen den Mandel der Aufasiungen und die treiben-
den Kräfke, die hinker ihnen stehen, ins Licht zu
stellen. Das ist dem Herausgeber in trefflicher Weise
gelungen. Es ist eine Lust, die wundervollen Bilder
zu betrachken und den schucht und ruhig gehaltenen
Text zu lesen, der sich von aller Ileberschwenglichkeit,
von aller Wortakrobatik fern hält und doch so kief in
den Stoff eindringt und aus der Bielheit der Er-
schelnungen das Wesentliche so klar herauszustellen
weiß. Zunächst ist dargelegt, wie im 13. llahrhunüert
nach der hlerakisch feierlichen, vom byzanklnischen
Formenkanon abhängigen Bildhauerkunst ein neuer
Mille zur Form erwächst und wie die deuksche Bild-
hauerkunst eine monumenkale, im innlgen Einklang
mit der Architektur stehende Gesinnung anstrebt
(Bamberg, Straßburg, Naumburg usw.), die später
nie mehr erreicht wiro. Das 14. Zahrhundert ist so-
dann das Iahrhundert der Mystik, die eine völlige
Entllnnlichung alles Körperlichen bringk. Die sym-
bolisch wirkenden Formen werden mit übersinnlichem
Ausdruck erfüllt und die unwirklichen, ihres natür-
lichen Gleichgewichts beraubten Körper (siehe 8-Form)
streben von der Erde weg zum mystlschen Zenseiks.
Nach der statuarischen Bildhauerkunst des 13.2ahr-
hunderks wird sie lyrisch. Gegen Enüe des üahrhun-
derts tritt eine Gegenbewegung ein. Die Kraft der
Mystik beginnt zu erlahmen «nd die Mastik gerät
unter den Elnflutz eines neuen standfeften Bürger-
kums. Allerdings bleibt das Weichliche, Weibliche
der Kunst des Mystizismus noch elnige Iahrzehnke
in der Plastik spürbar. Manche Merke des beginnen-
den Iahrhunderts vollenden sogar die während des
Zeikalkers der Mystik auftauchenden Probleme. Aber
etne neue Lebenssehnsucht nach Naturwahrheik, ein
ausgeprägter Mirklichkeikssinn wird mehr und mehr
bemerkbar und ist von 1450 ab im vollen Durchbruch.
Das 15. Iahrhundert ist troh des malerischen Ein-
schlags der Kunst das wahre Iahrhundert -eutscher
Plastik. 3n den besten Leistungen der Zeik (Pacher,
Grasser, Stoß, Simon Lainberger) ist jede gestellte
Aufgabe restlos bewälkigt. Die Höhe der künst-
lerischen Gestalkung wird vielleichk durch farbige Be-
malung beeinträchkigk. 3m 16. Zahrhundert stirbt die
Gotik und mit ihr jene innere Spannkraft, die langen
Generationen von Bildschnitzern hen Antrieb gab,
Unvergängliches zu schaffen.

Das ist die große Linie des Textes, der von den
tadellos wiedergegebenen Bildwerken begleitet wird.
Alles in allem ist das vorliegende Merk eine der er-
'ceulichsten Erscheinungen der Kunstlikeratur der Zeit
eit dem Krieg. Unnötig zu sagen, daß die Aus-
iatkung (Druck und Einband) auch dieser Leistung
des Berlages F. Bruckmann tadelloS ist.

Alt oder Neu?

Betrachkungen zum Thema „Zeichenmaterial", ein-
gesandt von der Firma Günther Wagner, Hannover.

Die folgenden Ausführungen drängen auf eln«
Entscheidung, die nun nicht mehr verschoben werden
darf. H.

Die 3ndustrie hat die Aofgabe, Bedürfnisie, dte
durch das Leben, Beruf und Schule entftehen, zu
decken, nicht aber kann es ihre Aufgabe seln, sich in
den Strelt der Meinungen, ob dleseS oder jeneS
richtia sei, zu mischen.

Sich wandelnde Anschauungen, gesteigerle Farbig-
keit der Umwelt und frelheitliche Lehrmelhoden brin-
gen Bewegung und Scheidung der Meinungen ln den
früher fest gefügten Kreis der Lehrenden. — Hier
altes Kunstschulsortlment — dort neues Kunstschul-
sortiment — hier leuchtende Eilidofarhen — dort ge-

normke Ostwaldfarben!-Alles in allem genom-

men, ein Ruf nach starker Farbigkeit, — doch er er-
schallk nicht zum ersten Male. — Schon 1S10 brachte
ich, weil sie geforderk wurden, die farbstarken und
leuchtenden, aus Teerfarblacken hergesteWen Cilldo-
farben heraus — nach kurzem, begeifterten Zugriff
lietz das Berlangen darnach in den Schulen wleder
nach, nur noch Künstler bedienteu stch ihrer bis auf
den heutigen Tag. 2etzt können fle, durch 18 Iahre
erprobt und bewährt, dem Dienste des Zeichenunter-
richkes von neuem zur Berfügung gestellt werden.—

Äus dem tägllchen Schrlftwechsel mtt der Zelchen-
lehrerschafk komMt mir die Anregung, an dieferStelle
kurz auseinanderzusetzen, worin der Unterschied zwi-
schen dem alten, dem neuen Kunstschulsortlment und
der Eilldo-Farbreihe besteht:
 
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