Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

DOI Heft:
Heft 7 (Juli 1926)
DOI Artikel:
Über Feste und Feiern an der Dürer-Schule
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0147

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zu schaffen: „Die Schwerkleite". Wo Worte nicht
ausreichten, trat die bildhafte Gestalkung an ihre
Stelle. Da wurden Burgen gebaut und gezeichnet,
wurden Rüstungen und Trachken jener Zeit ein-
gehend studierk, wurden die künstlerischen Gesehe der
Heraldik und ihrer Farbenlehre gefunden und nach
diesen — meist von einem Ritternamen ausgehend —
Wappen, Harnisch, Helmzier und Standarte erfunden,
dazu von den Mädchen die entsprechenden Kleider für
die Rikkerdamen und Knappen, sowie Behänge der
Pferde entworfen. Während die Mädchen dann
uähten, webken und stickten, entstanden unker den
Händen findiger lZungen gar bald die schönsten
Rüstungen aus Pappe, Silber-, Gold- und Bunt-
papier, Bindfaden, Draht, Holzleisten und Blech.
Und wie echt diese aussahen! Wer dachte wohl beim
Anblick der glanzvollen und farbenprächtigen Bilder
im Logenhaussaal im Oktober 1924 noch an Pappen
und Bindfaden, an Badetrikots und Papierperücken?
— Echte Feststimmung, feierlicher Ernst lag über all
den vielen Menschen, als schmetternde Fanfaren
den Beginn der „Schwertleike" verkündeten und
unter weihevollen Klängen, mit gemessenen Schritten
die Edlen einzogen: Die Herolde, die Reichsbanner-
kräger, der König mit seinen Getreuen, die Ritter
mit ihren Knappen, die Königin mit Pagen und Edel-
frauen, Gaukler und Narren und das tücherschwen-
kende Bolk, ein langer, langer Festzug. Der König
spricht vom Thron aus zu seinen Mannen, der Ohm
gürtet Tristan und Parzival, in höchster Feierlichkeit
empfangen sie den Ritterschlag, und alle ziehen vom
wappengeschmückten Festplatz ab zum Turnier. Wie
dieses verlief, hören wir von einem Boten, der es
den Knechten und Mägden erzählt, die die Halle zum
Siegesmahle rüsten. Schon schmekkern Trompeten,
ertönen Heroldrufe und Gesang, und in jubelndem
Zuge werden die Sieger auf Schilden herelngetxagen,
Gaukler, Tänzerinnen und Narren belustigen das
Bolk, und schlietzlich kritt Walker von der Bogel-
weide hervor, mit seiner Kunst dem Fest die letzte
Weihe zu geben. Als echtes Festspiel der staakllchen
höheren Bersuchslchule war es geendet, kiefen Eln-
druck hinkerlasseno und zeugend vom rechten Stnn
der nur zu oft mißbrauchken Begriffe Arbeits-, Er-
lebnis- und Gemeinschaftsschule.

Das zweike Fest dieser Art, das wir durch Plakate
der weitesten Oeffentlichkeit für den 9. Mai ankün-
digten, das alle Tageszeitungen durch eingehende Be-
sprechungen würdigten und das die Aufmerksamkeit
weitester Kreise auf unsere unbekannke Dürerschule
hinlenkten, war das Märchenspiel „Biene Maja".
Auch dies war kein Theaterspiel, sondern ein zum
Fest ausgestalketes Stück Arbeitsschule, elne gestei-
gerke Form dteser Ilnterrichksweise, und zwar ein
Beispiel für einen bis zum Höhepunkt fektlicher Auf-
führung gebrachten „Deukschen Aufsah . Es war
„Eigengewächs", was die DLrerschüle hier auf die
Bühne stellte. Lehrer und Schüler haben in gemein-
samer Arbeit Text, Mufik unü alles für dle Auf-
sührung Erfocderliche herbeigekragen. „Die staatl.
Höh. Bersuchsschule hat mit dleser reizvollen Auf-
führung einen Schuß ins Schwarze getan" schrieb die
fächs. Staatszeikung am 11. Mai.

' Wte ist das Märchenspiel „Biene Maja" entstan-
oen? 2n Quinta Ost stand die Enkwtcklung des Natur-
gefühls im Miktelpunkt der Sommerarbeit. Beim
Wandern und vorstellenden Erleben im Klassenge-
spräch erwarben sich die Kinder, die in Steinmauern

I3ä

der Grotzskadt aufgewachsen, ihr eigenes Derhälknis
zur Schöpfung. 3n Poesie und Prosa, in Naturbe-
schreibungen und Naturerleben wurde ihnen Der-
ständnis und Empfinden für das weite Reich solches
Wissens geboken. Ünter den Dichtwerken, die Knaben
und Mädchen in gleicher Weise zu fesseln vermochten,
war u. a. Bonfels reizendes Nakurstück: „Die Biene
Maja und ihr Abenteuer". Wie bei arbeiksonkerricht-
licher Methode alsbald das Selbstschaffen mik dem
Borarbeiten fremdem Gedankengehalkes Hand in
Hand geht, begann auch hier daS felbstschöpferische
Gestalten fast gleichzeikig mit dem Einsammeln der
erwähnten Anregungen. Zn dem anmuiigen Dichter-
werke wurde ihnen eine ihrem Empfinden verständ-
liche Welt erschlosten. Sie erlauschten Töne, die
ihrem Alker gemätz waren, und ein echkes kindliches,
phantasie- und humorvolles Echo klang aus den
Kinderseelen zurück. stn freier Wahl nahm flch jedes
Kind ein oder mehrere Äbenteuer des Bienleins zur
Bearbeitung. diesmal zur dramatischen Gestaltung in
Einzelszenen. Den Beranlagten gab das durch den
Stoff gebotene Sichversenken in das Kleinleben der 3n-
sektenwelt Anregungen zu eigenen Studien, die fle
dann der Klasse wieder in verjchiedener Weise dar-
boten: als Borträge, Gedlchte öoer Bilder. Eo kamen
in sich abgerundet, klelne Dichtungen zustanhe. Neu
war daran die dcamatische Fürm, die erkannt nnd
geübk werden sollte. Sie wurden vom Klassengericht
auf Wert und besondere Brauchbärkeit zum ge-
schlossenen Schauspiel hin geprüft und diejenigen her-
ausgehoben, welche in Form, vnhalt und Ausdruck
der gestellken Aufgabe am besten gerechk geworden
waren. So entstand als Ergebnis der dargestellten,
stufenweisen Arbeitsvorgänge das kleine Werkchen
in Wort und Blld (beiden gleichgepflegken Aus-
drucksmitkeln) üis „Biene Maja — dramatisches Ge-
dicht einer Quinta".

Erst schüchtern, dann immer mukiger Sußerken die
Kinder den Wunsch, dem Werkchen nun auch wlrk-
lich Leben zu schenken in einer rlchtlgen Aufführung.
Das Lehrerkollegium erklärte flch einverstanoen, und
nun begann abermäls eine Zeik emstger Arbeit und
Probön (zumeist an den freien Nächmiktagen) unker
sachkundiger Führung des Muflk- und Zeichenlchrers.
Mik ihrer künstlerischen Ausgestaltung gelang hann
eine Gesamtwirkung, welche allgemein in dreimaliger
Aufführung (dem Wunsche nach weikeren. Wieder-
holungen wurde aus erzieherischen Gründen nichk
enksprochen) im Künsterhäus starken Eindruck her-
vorrief. Aus den vielen Berlchten darüber, dle alle
in der Anerkennung des Erfolges übereinstimmen,
sei hier einer im Auszug wiedergegeben: "

„Dresdner Bolkszeitung" vom 11. Mai:

„Es geht nicht anders, als Spiel mutz es auch mlk
Kinderaugen gesehen werden, denn jede Kritik wird
gegenstandslos bei dem Gedanken» datz hier mik einer
Liebe und Hingebung gearbeitek worden ist, die eben
nur ein Kind für sein eigenes phantastisches Spiel
aufbringen kann. Mädel und Buben — größkenkeils
Zwölfjäh rige — haben hier monatelang gebastelk,
Kostüme geschneidert, Berse geschmiedet, um den
abenkeuerlichen Flug der kleinen Biene Maja in die
Welt dramatisch zu erwecken. Blumen und Käfer
werden lebendig, Libellen, Schmekkerlinge, Bienen,
Hornissen gaukeln und summen durch den Wald. Der
Lichtelf führt die kleine Biene Maja, genau wie in
dem Buche Waldemar Bonsels, zu den Menschen.
 
Annotationen