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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 7 (Juli 1926)
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Ziegelmüller, Franz: "Bildhaftes Gestalten": ein Buch von Professor G. Kolb
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0154

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140

Dild 1

Bild L!

„Mit einem Herausdrüngen aus der Naivikät
nimmt man dem Kinde mit den besten Teil seiner
ursprünglichen Seelenkräfte, damit ein Skück Glück,
das nie mehr wiederkehrt." Wie viele Eltern be-
achken diese Mahrheit? Wissen heuke die Eltern, —
weitz auch die Schule —, was Kindern frommt? Ich
möchke fast behaupken, nur wenigen kommk es zum
Bewußtsein, was Köstliches man in fremde HSnde
gibt, wenn Kinder zur Schule müssen! Ist man doch
weit enkfernk davon, die Feststellung Pestalozzi's (ste
wurde vor zwei llahrzehnten von Kerschensteiner er-
härket!), „Die Neigung zum Zeichnen entwickelt sich
beim Kinde natürlich und frei, hingegen die Müh-
seligkeiken, durch die es zum Buchstabieren und Lesen
gebracht werden muß, mit großer Kunst und harter
Gewalt eingelenkt werden müffen" allgemein und
richtig in unsern Schulen verwirklichk zu sehen. Selbst
die Wiffenschast muß feststellen: „Die Kunst lst nichks ,
Abgeleitetes oder künstlich Gebildetes. Sie ist das ^
Elemenkarste, ebenso elementar wie Neligion oder
Rechk. Die Kunst lst der Anfang aller Kultur, der,
Anfang des Menschseins überhaupk!" (Herb. Kühn:
Kunst der Primitioen.)

„Damit ist das eigentriebige, kindliche Schaffen die
Murzel, aus der allein das bildhafie .Gestalten im
Schulunterricht nakurgemäß enkwickelk werden kann
. . . Dabei ist der Enkwicklung des sungen Menschen
zu folgen! . . . Wir gehen anfangs ganz «nd gar
vom Kinde aus, führen es — ausgehend von seiner
Innenwelt — den objekkiven Werten der Außenwelt
entgegen." Einige wenige Lelksähe des Verfassers!
Die Entwicklungsstufen des Kindes, seiner Bild-
sprache und vieles mehr sind eingehend im Buche
behandelt. Lückenlos wandert der Verfasser mik Dir
durch Theorie und Praxis! Ein reiches Wiffen hält
in Bann, Bilder verdeuklichen die Worke, geben
Aufschluß über lehte Zweifel! Einen großen Teil
der Rätsel solchen Ilnterrichtes findest Du gelöst, zu
noch vorhandenen bieke Deine Hilfe! Denn hier ist
ein „Anfang" nur, der langsam wachsen, werden soll!
Nicht um eine neue Methode des Zeichnens dreht
sich's, nein, um neue Ziele der Erziehung überhaupt!
Nichk weniger wlrd verlangt, als „datz ein solcher
Ilnkerrichk aus dem Leben des Kindes herauswachse .
Damit mutz der starre Stoffplan, der 3ahr für 3ahr

Sextanerschnittrzm» SSkimofllm

P. »nnzr, Stade

wiederholk, obwohl Schüler, Begabung und Znkereffe-
krels wechseln, fallen. Das Sein, es weichk dem
Werden! Bei solch steier, lebensvoller Gestalkung
des Unkerrichkes werden allerdings dann auch bie
Kräste und die Verankworkung des gewiflenhasten
Lehrers umso stärker gebunden! Nichk nur den Ver-
lauf des llahres (Iahreszeiken, Feste), nein, auch ein
Etück Heimat ist zu gestalten. Verbindek sota) ein
Unkerrichk völlig öas Lehen des Kindes ln und außer
der Schule, dann wlrd das „Zeichnen" — der AuS-
druck stimmk dann nichk mehr — nichk mehr Fach
unker FSchern, nichk „kechnisches Fach" sein. Es hilst
das gesamke Leben des Kindes in seiner Ärk formen,
führk nichk mehr jenes vom übrigen Unkerrlchksorga-
nismus losgelöste Zeichensaaldasein!

Mit Rechk erinnerk Kolb darän, daß nach dem ver-
lorenen Kriege dasfenige Volk Sieger sein wlrd,
welches alle körperlichen, seelischen und geistigen
Kräste, namenklich die Gestalkungskräfie, oollKommen
enkwickelk! Anderorks wird dies schon erkannk. <S.
llkalkens Schulreform.) Mik Rechk erinnerk Kolb ein-
gangs an das wahre Mork des Rembrandt-Dentschen
vor etwa 35 llahren, „Deuksches Volk, wenn Du Dlch
wieder in rechkem Sinne zum Bilde und zum Bilden
kehrst, so wirst Du eine Bildung haben, so wirst Du
von Deinem Znkellekkualismus genesen!"

Der Anfang ist gemachk. Wer elnes zuverläfligen
Führers bedarf, der greif' z« diesem Äuche. Wer
schon marschierk, der helfe mit, das DunKel unge-
löster Fragen zu erhellen. Die Form kann noch ver-
befferk werden, doch der Kern — er bleibk. Tine
Arbeitsgemeinschast mit Kolb wird jedem Lehrer,
vor allem aber der llugend nühenl

Deukscher Lehrer, deutsche Eltern: Greist zu diesem
Buche. Es zeugk von gukem Wollen» von ktefem
Empfinden für die llugend und von wahrer Erkennk-
nis der Lage! Damit dienk es der Wahrheitl Dienet
3hr der stugend, euern Kindern, ja dienen wir alle
dem Kinde, damit dem Volke!

Franz ZiegelmÜller
 
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