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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 12 (Dezember 1926)
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Eckert, Georg: Einiges über die exacten Methoden und über die Wirkungen der heutigen Kunst- und Erziehungswissenschaften im Zeichen- und Kunstunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0268

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396

Theorien und Gedankengebüude, die sich auf solche
Gebieke des Lebens beziehen, müsien sich als unzu-
lünglich erweisen, weil sie in Gesehmähigkeiten der
Physis haften bleiben. Wir dürfen uns nichk wun-
dern, wen mit der Zeik solche Ergebnisie der heutigen
Wisienschaft, an die heute die Menschen wie an ein
Dogma „glauben", immer mehr und schneller von
neuen, anderen Ergebnisien derselben Wisienschaft
sbenso beweiskräftig umgestohen werden. Nur die
rein nakurwisienschaftlichen Ergebnisse, dle aus dem
makeriellen Geschehen gewonnen und in den Natur-
gesetzen dargeskellt sind, werden lo beständig bleiben
wie der Stein, der nach 1000 Iayren noch Stein ge-
blieben ist.

Alle wahren Lebensprobleme, wie auch künstlerische
und pädagogische, lasien sich so nicht lösen. Hier han-
delt es flch um Probleme, die auftauchen im mensch-
lichen Newuhtsein aus sinnlich unzulänglichen und
deshalb überstnnlichen Gründen, aus denen die eigent-
lichen Lebensimpulse quellen. 2n diesen Urgründen
findet man keine beobachtbaren Prozesse mehr, wie
z. B. noch im Gehirn. Solche sind schon Wirkungen
im Matertellen. Die wahre Ursache aller Meinungs-
gegensähe auf unserm künstlerischen und pädagogi-
schen Gebiet müsien wir darin erkennen, daß mit un-
zulänglichen Mikteln an eine Klärung der Probleme
herangegangen wird. sDer schärfste Berstand und der
beste Wille wird keine Lösung der wahren Lebens-,
Seelen- und Geistesfragen finden, wenn er nicht
grundsählich einen andern Erkenntnisweg einschlägk.
Der erste Schritt dazu kann nur der sein, sich aller
Urteile zu enthalten, die sich in bezug auf die wahren
Lebensfragen aus der bisherigen Denkweise in unser
Denken eingeschlichen haben und so zu Denkgewohn-
heiten geworden sind, dah sie auf vielen Gebieken
als Programme und Schlagworke sich auswirken. Sie
haben sich so eingefleischt, dah sie eine Erkennknis
des wahren Sinnes des Lebens verdunkeln und das
Bollbringen wahrer Lebenskaken unmöglich machen.
So verwandelke sich die babylonische Sprachverwir-
rung in eine moderne Denkverwirrung, die eine
Atomisierung aller Lebensziele und Lebensgemein-
schaft zur Folge haben wird. Man sollte sich auch
solche Fragen des einseitigen Inkellekkualismus klar-
machen.

Dle kieferen Lebensaufgaben stellt uns das Lebens-
ftchicksal zu dem schließlichen Zweck, sie durch die
Tat zu beankworken. Die. Tat wird so zu unserer
wichtigsten Lebensaufgabe. Nun schiebt sich aber
immer bemerkbarer die Frage vor die Tat und
andersrseits ist mit dem Berlust des instinkkiven
richtigen Handelns uns auch das Vertrauen zu ihm
verloren gegangen. Das Gefühl der Unstcherheit im
Handeln zwingk uns die Fragen ins Bewußtsein. Der
Sinn dieser Erscheinung im Erleben kann nur der
sein, daß jede Tat immer weniger eine kriebhafke
und immer mehr eine denkend bewußte wird. Einer
solchen Entwicklung kann man sich nicht entzieyen,
wenn man nicht immer mehr die „Berücksichtigung
mildernder Ilmstände" bei der Beurkeilung seiner
Taken in Anspruch nehmen will. Aber was haben wir
heuke für ein Wissen oder Bewußtsein von den Schick-
als- und Lebensaufgaben? Wie man heute mit
einem Denken an sie herankrikt, ist schon charakkeri-
iert worden.

Nun wollen wir unsere Gedanken auf die hier be-

sonders in Frage stehenden Angelegenheiten, auf dlr
Fragen der Kunfi und Kunsterziehung richten. Wo
dtese Fragen intenstv genug auftreten, da verfolgen
le uns bis in den Unterricht hinein, da drängen ste
Ich so vor unser Handeln, daß auch der Unkerrlcht
»roblematisch wird. Sprach man nicht mit besonderer
Betonung von einer Problemausstellung in Dresden?
Wie solche Problematik in den Unterricht hlnein-
wirkt, spürt man nichk nur an sich selbst, sondern auch
an den Arbeiten der Schüler. Man deut« nur jene
Schülerarbeiten richtig, die in solcher Problemlust
entstanden flnd. Es ist heute alles in folche Proble-
mattk verstrickt, das öfsenkliche «nd private Leben,
die Kunst und die Kunsterziehuno, wie di« ganz«
Pädagogik. Diese ist heute eine solche Wisienfchaft
geworden, die jeder studieren kann. Früher elnmal
war sie eine Kunst, und soweit jeht noch Füll« von
künstlerisch veranlagten Menschenerziehern beobachtet
werden können, steht man wieder vor einem Rätsel,
ebenso wie beim Schaffen wahrer Künstlerpersön-
lichkeiten. Will man selbst, mit wiflenschastlicher
Sicherheit, solche Problemlust-Erfolge erzielen, dann
fiudiere man nur die Problemstellung, den Problem-
steller und die Reaktionsfähigkeit der Schüler unb
man kann ähnliche Arbelten aus selnen Schülern
herausholen. Das nennt man heuke psychologisch
orienkierte PSdagogik, dte man auch experimentell
betreiben kann. Wer will behaupten, daß seine
Problemstellung, seine Methode, seine Aichtung dte
richtige wäre? Und wer ferner, daß die seine den im
Kinde schlummernden schöpferischen Kräften ent-
spreche? Hiermit ist sowohl der moderne wie der un-
moderne Problemsteller gemeint. Die stritkigen Be-
grifse Kunst und Nakur, ihre Beziehungen zuein-
ander und ihre Auswirkung auf Unterricht und
Darstellung können hier nichk beleuchtet werden.
Ebenso nlcht die Begrlffe Borstellung, Gedächknis,
Phankasie und andereS wichtige, über das so vlele
Meinungen bestehen und ins Unterrichken hlnein-
weirken, wie Köpfe darüber nachdenken. Um
jene Begriffe aus ihrer Erstarrkheit zu befreien,
sie lebendig zu erfasien und dtese Seelenkräfte in
ihrem Wesen zu begreifen, müsien eben erst gewisie
Denkgewohnheiken und Borurteile aufgegeben wer-
den können. 3m tiefsten Inneren selnes BewußkseinS
wird aber jeder zugeben, daß bei der heukigen Denk-
weise — auch nichk von „berufenen Sachverständigen"
der Kunstwisienschafk und der Psychologie — über
jene erwähnten Begriffe und Kräste solche Wahr-
hetken ausgesagt werden können, die so vor allem
Denken bestehen bleiben können, wie die Wahrheit
eines experimentell nachgewlesenen Naturgesehes.
Auf jenen Gebieten haben wlr eine Denk- und Be-
weiskrast nötig, die über alles Naturwisienschafi-
liche hinausgehen muß. Nur solches Erkennen kann
uns weiterbrlngen.

Unser heutiges wiflenschafkliches Denken hat flch
herangebijdek an der Beobachkung der Vorgünge in
der Außenwelk. Dieselben Denkvorstellungen werden
nun aber auch auf die Innenwelk angewendet- die den
Sinnen verborgen ist, z. B. auf das, was man so
schöpferische Kräfte nennt. Die Logik unseres nakur-
wisienschaftlichen Denkens ist eine dem materiellen
Nakurgeschehen entsprechende und muß flch jeden
moralischen Urtetls enkhalten. Die Loglk der Emp-
findungen ist aber fchon eine andere. Z. B. bet der
 
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