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Die akademische Ausstellung in Berlin.
2t)
bekanntlich die ani spätesten erreichte Stufe — über-
haupt das Schwerste in der ganzen nialerischen Technik
und daher der wuude Fleck, an dem vft gerade die besteu
Werke kranken. Auch ini Laufe dieses Berichtes werden
wir noch initunter Gelegenheit haben, darauf hinzu-
weisen.
Ein größerer Ruf noch, als Tadema ihn besaß,
der doch durch mehrfache in früheren Jahren hier aus-
gestellle Werke dem Publikum bekannt ist, war Franz
Lenbach vorausgegangen, als er vor uicht gauz zwei
Iahren hier zuni ersten Male eine Reihe von Porträts
im Künstlerverein vor die Oeffentlichkeit brachte. Nicht
nur das große Publikum, sondern auch berufenere Ur-
theiler waren eitel Bcwunderung. Die Presse lkonnte
entsprechend dem Losungswort, welches von außerhalb
kam, nicht genug Lob finden. Uni so peinlicher ist es,
die eigene abweichende Meinung der gesammten öffent-
lichen Stimme entgegen zu setzen; und doch muß es ge-
schehen. Lenbach ist diesmal nur durch ein Porträt
vertreten, das Brustbild des Kaisers Wilhelm, welches
auch in Wien war. Was zunächst die Auffassung an-
belrifft, so kann dieselbe kaum unedler gedacht werden.
Wie ein alter ausgetragener Schlafrock hängt die Uni-
form um den müde zusammengesunkenen Körper. Selbst
im Falle, daß der Künstler deu greisen Fürsten in einem
Augenblicke der Ermattung in bequemem Hausrocke so
gefunden, so malt man doch gerade einen Fürsten, und
noch dazu einen Mann, dessen im Alter noch auffallend
frische Haltung die Bewunderung aller, die ihn kennen,
erregt, nicht so. Der Kopf ist ähnlich, scharf charakte-
ristisch, wenn auch gicht gerade mit Betonung der
liebenswürdigen Eigenschaften, und mit großem Geschick
gemalt, er verdient deshalb in sofern alles Lob. Aber
die Malweise selbst, gerade das, was Lenbach's Ruhm
ausgemacht! Zunächst scheint es mir höchstens gelegent-
lich als Spielerei berechtigt, ein altes Bild so nachzu-
ahmen, wie es der durch die Iahrhunderte getrübte Fir-
niß und die mit ihm zusammcngewachsene Patina von
Staub und Schmutz heut erscheineu läßt; aus solcheu
technischen Kunststücken seiuen eigensten Stil für's Leben
herauszubilden, ist aber bedenklich, weil eine Unwahr-
heit dahinter liegt. Eine zweite ist dann das mühsame
sorgfältige Jmitiren der Prima-Malerei. Wo wir Bil-
der von Rubens oder van Dhck in flüchtigen genialen
und breiten Strichen auf die Leinewand hingeworfen
sehen, da erregt die technische Virtuosität mit Recht
unsere Bewunderung. Sieht man aber wie ein Nach-
ahmer sich abmüht, mit ganz dünnen Terpentinfarben
untermalt, dann wieder mit Bimstein schleift, um von
neuem mit dünnflüssiger Farbe, jetzt aber sehr saftigem
Pinsel, die Retouchen aufzusetzen, nur um deu Anschein
der Primamalerei zu gewinnen, so ist dies trotz allen
Talentes, trotz der großen koloristischen Begabung nichts
als eine reine Effekthascherei, berechnet, den unkundigen
Betrachter Lurch Anklänge an die berühmlesteu Meist"'
zu täuschen. Je grvßer das Talent, um so bedauer-
licher der Abweg. Uebrigens folgt bei dem Kaiserpor-
trät die Strafe der Sünde auf dem Fuße. Die niN
viel zu viel Terpentin getränkte Farbe beginnt säst"
heut (noch uicht zwei Jahre nach der Bollendung) st^
zusammen zu ziehen, so daß der weiße Untergrund der
Malerei spinnegewebartig durchbricht; ein Uebel, welched
bekänntlich nur durch Uebermalung zu beseitigen ist-
uud das mit der Zeit immer mehr zunimmt.
Denselben Gegenstand hat ein zweiter gefeiertei'
Maler behandelt, der Wiener, Heinrich v. Angeli- Lei-
der ist er, indem er des Guten zuviel that, dabei in
den entgegengesetzten Fehler wie Lenbach verfallen.
malte den Kaiser (Kniestück) in voller Uniform und dei
Fülle der Orden. Das sorgfältige Betonen aller Einzel-
heiten aber wie das Streben nach möglichster Vollcndung
und Eleganz hat dem Ganzen etwas Hartes und Glä-
sernes gegeben, von dem auch die Karnation nicht frn
ist. Dazu kommt ein ungünstiger Zufall, an dem der
Künstler freilich schuldlos. Angeli malte sein Bildniß
gerade in der Zeit, als der Kaiser sich langsam von
der schweren Erkrankung des vergangenen Winters er-
holte. So ist die Haut welk und gelb, der Ausdruck
matter als in gesunden Tagen und dadurch befremdend.
— Mehr als in diesem Werke entfaltet der Meister
seine Leistungsfähigkeit in deu beideu vortrefflichen Por-
träts des Kronprinzeu und der Kronprinzeß, über vie
schon von Wien aus in der Chronik berichtet worden-
Es sei hier nur noch hinzugefügt, daß ueben dem hohen
malerischen Werthe narnentlich beim Kronprinzen, auch
das Individuelle in der Erscheinung, vor allem dei
geistige Ausdruck des Antlitzes in frappanter Weise ge-
troffen ist. Beide Werke sind dem hiesigen PubliküM
schon von der Ausstellung im Künstlerverein her -be-
kannt.
Ein weiterer Gast unserer Ausstellung, dessen
Name voran unter den besten genannl werden muß, ist
Franz Defregger. Sein „letztes Aufgebot im Jahrc
1809 in Tyrol" wurde erst in Nr. 41 des vorigen
Jahrganges ver Kunstchronik aus München besprochen
und sei darauf kster verwiesen. Nicht leicht wird irgend
ein Beschauer sich dem mächtig erschütternden Eindrucke
entziehen können, den das Bild macht. Nichts von ge-
waltiger Leidenschaft oder schwungvoller Begeisterung,
vor allem kein Pathos, was dem Bauer ja frcmd: auch
keine sogenannten Charakterköpse, die noch weniger auf
dem Lande zu Hause. Ernst, kalle harte Energie, das
ist es allein, was aus diesen verwetterten Physiogno-
mien spricht: Es ist so weit, jetzt kommt an uns die
Reihe! ist der einfache Gedanke der alle durchdringt-
Kein einziger, der auch nur den leisesten Zweifel hätte,
Die akademische Ausstellung in Berlin.
2t)
bekanntlich die ani spätesten erreichte Stufe — über-
haupt das Schwerste in der ganzen nialerischen Technik
und daher der wuude Fleck, an dem vft gerade die besteu
Werke kranken. Auch ini Laufe dieses Berichtes werden
wir noch initunter Gelegenheit haben, darauf hinzu-
weisen.
Ein größerer Ruf noch, als Tadema ihn besaß,
der doch durch mehrfache in früheren Jahren hier aus-
gestellle Werke dem Publikum bekannt ist, war Franz
Lenbach vorausgegangen, als er vor uicht gauz zwei
Iahren hier zuni ersten Male eine Reihe von Porträts
im Künstlerverein vor die Oeffentlichkeit brachte. Nicht
nur das große Publikum, sondern auch berufenere Ur-
theiler waren eitel Bcwunderung. Die Presse lkonnte
entsprechend dem Losungswort, welches von außerhalb
kam, nicht genug Lob finden. Uni so peinlicher ist es,
die eigene abweichende Meinung der gesammten öffent-
lichen Stimme entgegen zu setzen; und doch muß es ge-
schehen. Lenbach ist diesmal nur durch ein Porträt
vertreten, das Brustbild des Kaisers Wilhelm, welches
auch in Wien war. Was zunächst die Auffassung an-
belrifft, so kann dieselbe kaum unedler gedacht werden.
Wie ein alter ausgetragener Schlafrock hängt die Uni-
form um den müde zusammengesunkenen Körper. Selbst
im Falle, daß der Künstler deu greisen Fürsten in einem
Augenblicke der Ermattung in bequemem Hausrocke so
gefunden, so malt man doch gerade einen Fürsten, und
noch dazu einen Mann, dessen im Alter noch auffallend
frische Haltung die Bewunderung aller, die ihn kennen,
erregt, nicht so. Der Kopf ist ähnlich, scharf charakte-
ristisch, wenn auch gicht gerade mit Betonung der
liebenswürdigen Eigenschaften, und mit großem Geschick
gemalt, er verdient deshalb in sofern alles Lob. Aber
die Malweise selbst, gerade das, was Lenbach's Ruhm
ausgemacht! Zunächst scheint es mir höchstens gelegent-
lich als Spielerei berechtigt, ein altes Bild so nachzu-
ahmen, wie es der durch die Iahrhunderte getrübte Fir-
niß und die mit ihm zusammcngewachsene Patina von
Staub und Schmutz heut erscheineu läßt; aus solcheu
technischen Kunststücken seiuen eigensten Stil für's Leben
herauszubilden, ist aber bedenklich, weil eine Unwahr-
heit dahinter liegt. Eine zweite ist dann das mühsame
sorgfältige Jmitiren der Prima-Malerei. Wo wir Bil-
der von Rubens oder van Dhck in flüchtigen genialen
und breiten Strichen auf die Leinewand hingeworfen
sehen, da erregt die technische Virtuosität mit Recht
unsere Bewunderung. Sieht man aber wie ein Nach-
ahmer sich abmüht, mit ganz dünnen Terpentinfarben
untermalt, dann wieder mit Bimstein schleift, um von
neuem mit dünnflüssiger Farbe, jetzt aber sehr saftigem
Pinsel, die Retouchen aufzusetzen, nur um deu Anschein
der Primamalerei zu gewinnen, so ist dies trotz allen
Talentes, trotz der großen koloristischen Begabung nichts
als eine reine Effekthascherei, berechnet, den unkundigen
Betrachter Lurch Anklänge an die berühmlesteu Meist"'
zu täuschen. Je grvßer das Talent, um so bedauer-
licher der Abweg. Uebrigens folgt bei dem Kaiserpor-
trät die Strafe der Sünde auf dem Fuße. Die niN
viel zu viel Terpentin getränkte Farbe beginnt säst"
heut (noch uicht zwei Jahre nach der Bollendung) st^
zusammen zu ziehen, so daß der weiße Untergrund der
Malerei spinnegewebartig durchbricht; ein Uebel, welched
bekänntlich nur durch Uebermalung zu beseitigen ist-
uud das mit der Zeit immer mehr zunimmt.
Denselben Gegenstand hat ein zweiter gefeiertei'
Maler behandelt, der Wiener, Heinrich v. Angeli- Lei-
der ist er, indem er des Guten zuviel that, dabei in
den entgegengesetzten Fehler wie Lenbach verfallen.
malte den Kaiser (Kniestück) in voller Uniform und dei
Fülle der Orden. Das sorgfältige Betonen aller Einzel-
heiten aber wie das Streben nach möglichster Vollcndung
und Eleganz hat dem Ganzen etwas Hartes und Glä-
sernes gegeben, von dem auch die Karnation nicht frn
ist. Dazu kommt ein ungünstiger Zufall, an dem der
Künstler freilich schuldlos. Angeli malte sein Bildniß
gerade in der Zeit, als der Kaiser sich langsam von
der schweren Erkrankung des vergangenen Winters er-
holte. So ist die Haut welk und gelb, der Ausdruck
matter als in gesunden Tagen und dadurch befremdend.
— Mehr als in diesem Werke entfaltet der Meister
seine Leistungsfähigkeit in deu beideu vortrefflichen Por-
träts des Kronprinzeu und der Kronprinzeß, über vie
schon von Wien aus in der Chronik berichtet worden-
Es sei hier nur noch hinzugefügt, daß ueben dem hohen
malerischen Werthe narnentlich beim Kronprinzen, auch
das Individuelle in der Erscheinung, vor allem dei
geistige Ausdruck des Antlitzes in frappanter Weise ge-
troffen ist. Beide Werke sind dem hiesigen PubliküM
schon von der Ausstellung im Künstlerverein her -be-
kannt.
Ein weiterer Gast unserer Ausstellung, dessen
Name voran unter den besten genannl werden muß, ist
Franz Defregger. Sein „letztes Aufgebot im Jahrc
1809 in Tyrol" wurde erst in Nr. 41 des vorigen
Jahrganges ver Kunstchronik aus München besprochen
und sei darauf kster verwiesen. Nicht leicht wird irgend
ein Beschauer sich dem mächtig erschütternden Eindrucke
entziehen können, den das Bild macht. Nichts von ge-
waltiger Leidenschaft oder schwungvoller Begeisterung,
vor allem kein Pathos, was dem Bauer ja frcmd: auch
keine sogenannten Charakterköpse, die noch weniger auf
dem Lande zu Hause. Ernst, kalle harte Energie, das
ist es allein, was aus diesen verwetterten Physiogno-
mien spricht: Es ist so weit, jetzt kommt an uns die
Reihe! ist der einfache Gedanke der alle durchdringt-
Kein einziger, der auch nur den leisesten Zweifel hätte,