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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Die akademische Ausstellung in Berlin, [2]
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Die akademische Ausstellung in Berlin.

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es unders sein könnte, weder Fran nock Kind.
^einer, dcr auch nur einen Moment dächte, daß mit
diesen aufrecht geschmiedeten Sensen, mit diesen in Mor-
Aknsterne umgewandelten Dreschflegeln ein modernes Heer
'"cht aufzuhalten ist. Ob sie siegen werden oder nicht,
danach fragen sie nicht! Es ist ihre Zeit gekommen
und sie gehen. Gerade in dieser gleichsam als Natur-
3ksetz aufgefaßten rücksichtslosen Hingabe an das Vater-
land liegt der eigenthümliche großartige Reiz dieses
^eisterwerkes. — Ein zweites Gemalde desselben Künst-

„das Bilderbuch", ein niedliches anspruchsloses
^enrestückchen, kann doch nicht in Vergleich mit dem
^sten gezogen werden.

Gabriel Max bringt eine Julia Capulet auf dem
^vdtenbette. Wir sind es gewohnt in den gut gemal-
l?n Bildern dieses Künstlers eine eigenartige, nicht ganz
Tesunde Sinnesweise anzutreffen. Damit freilich ge-
^innt er gerade besonders das Publikum, welches sich
>nit Vergnügen dem hinter irgend einer sentimentalen
Maske verborgenen leichten sinnlichen Reize hingiebt.
Auf der Bahre ruht die Todte; tiefe schwarze Locken
urnrahmen das rundwangige Kindergesicht, welches so
^echt an das gewaltsame Scheiden aus der vollen Ju-
Zendblüthe erinnert. Aber mit dem Gegensatz zwischen
^ugend und Tod hat der Künstler noch nicht genug.
Die Reflexe, die ein mächtiger grüner Vorhang wirft,
der über den oberen Theil des Lagers fällt, so daß der
Kopf auf ihm ruht, müssen ihm dazu dienen, der Kar-
Uation einen lividen gelb-grünen Ton zu geben, der in
der Natur erst beim eintretenden Zerfall der Leiche ent-
steht. Beiläufig sei auch bemcrkt, daß der anf dcr Bahre
sttzende kleine Wachtelhund, welcher aufmerksam draußen
nm Fenster Vorübergehende beobachtet, die Einheit des
Gedankens für mich wenigstens unangenehm unterbricht.
Man fürchtet unwillkürlich, jeden Augenblick die Stimme
bes kleinen Kläffers disharmonisch die Stille des To-
des durchschneiden zu hören. Neben diesen Ausstellun-
gen muß anerkannt werden, daß das Bild vortrefflich
geinalt ist und gerade in der wenn auch bizarr getön-
ten Karnation große Vorzüge offenbart.

Lindenschmit hat zwei Gemälde gesandt, von
denen sein „Sir Walter' Raleigh empfängt im Tower
den Besuch seiner Familie" durch cken Holzschnitt schon
>n weiteren Kreisen bekannt ist. Das Bild ist, wie zu
erwarten, mit Geschick gemalt, namentlich das Linden-
schmit übrigens geläufige .Problem die Köpfe von der
weißen Wand des Hintergrundes gehörig abzusetzen, ohne
ste schwarz erscheinen zu lassen, vollkommen gelöst. Die
Koinposition selbst aber leidet meines Erachtens an einem
Fehler der Auffassung. Jn seinem Gefängniß sitzt am
Rande eines Heerdes der Kavalier, im Begriff ein Buch,
in dem er gerade gelesen, bei Seite zu legen und seiner
Fanülie entgegenzueilen, die Einlaß zu ihm gefunden.

Man vergegenwärtige sich aber die Scene, wie sie nach
dem hier Gegebenen etwa in Wirklichkeit vor sich gegan-
gen sein muß. Raleigh liest in der Einsamkeit seines
Gefängnisses in einem Folianten, da tönen draußen
Schritte, Schlüssel rasseln, knarrend bewegt sich endlich
die schwere Kerkerthür; er schaut auf, statt des Gefan-
genwärters aber, den er zu sehen erwartet, sind es die
Seinen, die mit banger Freude ihn begrüßen. Er bleibt
sttzen, nicht einmal das Buch legt er aus der Hand. Ge-
leitet von der Mutter, steigt sein kleines Mädchen die
holprigen Stufen in den trüben Raum herab, der Sohn
folgt. Noch immer isitzt Sir Walter wie zuvor. Die
Seinen thuen noch einige Schrilte vorwärts, und jetzt
erst ist er (wie ihn das Bild zeigt) freudig überrascht
und, das Buch fortlegend, im Begriff aufzustehen und
sie zu begrüßen. Das ist nach meinen Begriffen un-
wahrscheinlick, ich meine die Begrüßung hat in der Nähe
der Thür stattgefunden, und bei den ersten Tönen der
wohlbekannten lieben Stimmen flog der alte Foliant in
die Ecke. Die wohlthuende Wärme der.Empsindung
fehlt aber dem Bilde, und so wird auch der Betrachter
nicht recht von ihm erwärmt. Ein interessantes Expe-
riment — so ist wohl zn ncnnen — ist Lindenschmit's
zweites Werk: „Benus beklagt den Tod des Adonis".
Das Sujet gehört zu den der Antike entlehnten Lieblings-
thematen der Flamländer des 17. Jahrhunderts; es
lassen sich noch eine ganze Reihe von Gemälden, die
dasselbe behandeln, nachweisen. Jhnen folgt der Meister
in der Art der Zeichnung, in Farbe und Malweise.
Speziell hat er wohl dje Manier van Dyck's zu imi-
tiren gesucht, als dieser unter den frischen Eindrücken
seines venezianischen Aufenthaltes stand. Die Behand-
lung des Hintergrundes, der Landschaft, selbst der Kar-
nation erinnert ganz an dessen damals entstandene Bil-
der. Das Gemälde ist breit und tüchtig gemalt, na-
mentlich der Körper der Venus besttzt einzelne recht glück-
liche Partien.

Der Name Robert Beyschlag's hat hier in
Berlin durch die Reproduktionen seiner beiden Bilder
„Minne" und „griechisches Mädchen" eine ungemeine
Popularität erlangt. Es gab eine Zeit, wo die Pho-
tographien an allen Schaufenstern hingen, die „Minne"
wenigstens ist noch immer eines der beliebtesten Motive
für lebende Bilder u. s. w. Er tritt diesmal mit einem
Genrebilde verwandter Art auf. Eine junge hübsche
Bäurin hebt aus dem Kinderwagen ihr Nur mit dem
Hemdcheu bckleidetes Jüngstgeborenes spieleud hoch in die
Luft, während ein etwa zweijähriger niedlicher Lockenkopf
sich an die Falten des Rockes der Mutter schmiegt. Der
Gedanke ist einfach und liebenswürdig, die Zeichnung nnd
Ausführung sehr glücklich, so daß das anspruchslose und
doch mit sicherem Geschick gemalte Bild mit den frühe-
ren durchaus konkurriren kann.
 
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