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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Abrest, Paul d': Aus Barbizon
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Die kaiserliche Kupferstichsammlung und die Hofbibliothek in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0183

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Die kaiserliche Kupferstichsammlung und die Hofbibliothek in VZien.

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hängt, und ulle Wohnzimmer befinden sich ebener Erde.
Es ist oben kaum für einige Dachzinimer Platz. Aber
hinter dieser cinfachen Behausuug streckt sich ein riesiger
Garten dahin; stattliche Bäume, ein Parterre voll bal-
samischer Blumen und ein wohlgcpflcgter Pvtager ge-
reichen dicser Anlagc zum Älutzen und zur Zicrde.
Abcnds kvnnte man von der Straße aus in dem dnrch
eine Lampe belenchteten Salon ein anzichendes Fannlien-
bild betrachten. Acht Kinder, Mädchcn und Knaben,
saßen La um einen breiten runden Tisch nnd horchten
aufmerksam auf die Vorlesung des Vaters, cines stäm-
migen Mannes, mit energischen Zügen, weißem Haar
und grauem Vollbart; er war in eine weiße Blouse
gekleidet. Die Mutter, eine starke Vierzigerin, saß ihm
gegenüber und wiegte den letztgeborencn, eineu vierjäh-
rigen Knaben, während ste den übrigen zulächelte.
Schlag zchn Uhr wurbe Nacht gemacht, und die Familie
Millet, groß und klcin, bcgab sich zu Bette. Der
heute Vorübergehende, der durch die geöffneten Fenster-
laden blicken wollte, wird das liebliche Bild nicht mehr
gewahr werden. Haus, Frau und Kinder sind wohl noch
La, aber den Vater, den berühmlen Landschaftsmaler,
trug man unlängst an eiuem schwermüthigen Winter-
nachmiltage hinaus zu seinem Freunde und künstlerischen
Waffcngenossen Theovor Rousseau, zu seinem andereu
Nachbarn von Barbizon, jenem liebenswürdigen Chin-
treuil, der aus Gram darüber vergiug, daß er nicht im
Stmidewar, seine Bilder an den Mann zu bringen. Armer
Chintreuil, könntest du jetzt blos für einen Nachmittag auf-
erstehen, um einer Versteigerung imAuktionshause der Rue
Drouot beizuwohnen! DasHerz würde dir im Leibe lachen,
wenn du zusehen dürftest, wie die Tausender schichtehoch
jedes Fleckchen der angebotenen Malerei bedecken, wie man
sich um das kleinste Bildchen streitet und reißt. Armer
Chintreuil, du solltest diesen Triumph, nach dem du ver-
geblich gerungen, nicht mehr genießen, die gemünzten Re-
sultate desselben fallen klugcn Spekulanten in den Schooß.
Doch vorläufig genug über diese Auktiou, welche das
künstlerische Ereiguiß einer dcr letzten Wochen gewcsen.

Auch Millet mußte lauge streiten, gegen Vorur-
theile und Mißgeschick ankämpfen, ehe er es dahin brachte,
gefciert zu werden. Der Mann war inmitten des Etc-
mentes geboren, welches er sv meisterhaft auf die Lein-
wand zu bannen verstand. Eine Bauernhütte in der
feisten Jformandie war seine Wiege, und in frühen
Zahren lenkle er den Pflug. Sein bäuerliches Aussehen,
sein slarker Kvrperbau paßten eher zu einem handfesten
Arbeiter als zu einem Musensohne. Der Zusall war
es, der deu Beruf des Bauernjungen bestimmte. Eines
Tagcs, da es regnete, siel es ihm in den Sinn, dic
väterliche Hütle, wie sie inmittcn der stämmigen Apfel-
bäume, von denen das Wasser hernieder triefte, und
von des Himmels Schlensen begossen dastand, auf das

Schulheft eines jüngeren Bruders zu zeichnen. dlm
andern Tage kam der Knabe nach Hause und sagtc dew
Vater, der Jnspektvr aus der nahen Sladt, der die
Zeichnung im Hefte vorgefunden, habe ihm für diests
ein Goldstück augeboten, wenn der Vater ihm das Bild
überlassen wolle. Bei der guten Spürnase für ordent-
lichen und außerordentlichen Gewinnst, mit welcher jed^
normannische Bauer begabt ist, sagte sich der Vater'
Millet, daß seiu Söhucheu wohl mehrere svlcher Gokd'
füchse aus seinem Stifte hervorzaubern könnte.
er daher nach der Stadt kam, um Schweine und Rindee
zu verkaufen, führte er den Jungen zu einem Maler,
und dieser nahm ibn in die Lehre. Aber bis gegeb
sein fünfzigstes Jahr (er starb nahezu sechzig Jahre
alt) mußte Millet arbciten, ehe er sich Anerkennung vei"
schaffte. Seine Landschaften hatten einen Fehler: st^
waren zu wahr, zu rauh uud konnteu den LiebhaberN
uicht gefalleu, welche die gemalte Natur nur liebew
wenn die Wälder und Auen salonfähig aussehen, der
Rasen wie ein grüner Teppich und die Bäume den De-
korationsmagazinen der komischeu Oper und der porlo
8uint Llurtin entlehut zu sein schienen. Millet maste
die Bauern, wie sie sind, und die Natur, wie man sie
im stiegligü beobachten kann. Die Hand war schwer,
aber eiue Landschaft, wie er sie darstellte, blieb im Ge-
dächtniß wie eine Beschreibung des Virgil. Das erste
Gemälde Millet's, das einiges Aussehen verursachte, isi
der „Säemaun." Die Kunstkritik nahm es mit Beifall
auf — aber die Stimmen verhallten in der Wüste-
Erst später kam die Mode diesem Genre entgegen, uud
dcr von den Blutsangern aus der Rue Laffitte ausge-
sogeue Millet verkaufte seine Gemälde zu 3tt—40, ja
50,000 Frankcn. Er bedurfte dieses pekuniären Sul
kurses, denu seine Familie wuchs alle Jahre um ci»
Haupt. Er war gerade auf bestem Wege, der Schmie'b
dcs Glückes allcr Seiuigen zu wcrden, als ihm der
Tod den Pinsel aus der Hand riß. Die Anzahl sciner
Werke ist eine sehr bedeutende, denn außer den in de»
Galerien der Sammler zerstreuten Bildern hat er >»
seinem Atelier eine Menge von Skizzen hinterlassen, die
nun zum Nutzen der Wittwe, hoffentlich mit pekuniärei»
Erfvlge, unler den Hammer kommen werden. Die fran-
zöstsche Landschaftsschule, die seit den letzten Jahren s»
herbe Verluste erlitten hat, wird durch den Tod Millet's
wieder um eines ihrer hervorragendsten Mitglieder
ärmer. Paul d'Abrest.

Die kaiserliche Kupferstichsammlung und die
Hofbibtiothek in wien.

Dcr Ban der neucn Wiener Hofmuseen niiunst
seinen ständigen Fortgang. Schon ragen rie Gebänvc
bis zum crsten Stockwerk empor, und nach und nach
 
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